Von Schlenderzeit und Geistershopping
Während sich Anfang der Woche Schlangen vor den Läden bildeten, ist jetzt Ruhe eingekehrt. Ein Rundgang durch eine teilweise leere Stadt.

Noch vor wenigen Tagen herrschte hektisches Treiben in den Einkaufstempeln dieser Stadt. Doch seit Mittwoch ist plötzlich alles anders. Bereits am ersten Tag des harten Lockdowns präsentieren sich eine Woche vor Weihnachten die Shoppingcenter wie „Das Schloss“ oder die „Mall of Berlin“ fast als Geisterhäuser. Die Corona-Pandemie hat den Großteil des Berliner Einzelhandels zum Schweigen gebracht.
Die meisten Läden sind zu. Nur für den „täglichen Bedarf“ darf noch gekauft werden. Lebensmittelgeschäfte, Getränke-, Schreib- und Buchwarenläden, Tabak- und Zeitschriftenshops, Drogerien, Apotheken, Optiker, Hörakustiker und Tierbedarfsläden dürfen weiter öffnen. Auch Post- und Bankfilialen schließen nicht.

Beim Einkaufsbummel durch Berlin fällt auf: Hektik war gestern. Oder „Panik“, wie der Mitarbeiter eines Weinhandels in der Bergmannstraße den Tag vor dem harten Lockdown beschreibt. Etwa fünf mal so viele Kunden wie sonst seien im Laden gewesen. „Völlig irre", findet er. Sein Kollege ergänzt: „Es war der Teufel los“.
Anders am ersten Lockdown-Tag: Im Laden streift nur ein einziger Kunde umher. Das Weihnachtsgeschäft habe sich in diesem Jahr einfach verlagert, so die Vermutung, die Menschen seien verunsichert, darum die Eile zu Anfang der Woche.
Dass die Menschen Angst hätten – vor dem Virus, aber auch finanziell – glaubt auch der Schuhmacher ein paar Ecken weiter. Seit 13 Jahren übt er sein Handwerk hier im Laden aus, doch so heftige Verluste wie in diesem Jahr gab es noch nie. Er fürchtet große Einbußen, obwohl er nicht schließen muss.
Auf der Bergmannstraße, wo vor den vielen Cafés und Restaurants schon lange keine Stühle mehr zum Verweilen einladen, trotzen auch jetzt nur wenige mit einem Coffee to go dem nasskalten Herbst auf dem Platz vor der Marheineke Markthalle. Klamottenläden, Schuhgeschäfte, ein Hutladen: alle verrammelt. Neben den Hinweisen, die neben den Eingängen zum Maskentragen und Abstandhalten auffordern, kleben jetzt neue Schilder. Aufschrift: „Geschlossen“.
Dicht ist auch der Geschenkeladen „Ararat“. Trotzdem ist Alina Niezgoda schwer genervt. Seit sie am Vormittag zu putzen angefangen habe, hätten etliche Leute an der Tür geruckelt – um zu sehen, ob doch geöffnet ist. Alle musste sie abwimmeln. Niezgoda ist Inhaberin einer Reinigungsfirma und hatte sich auf einen entspannten Einsatz gefreut. Dass sie bis in die Mittagsstunden Zeit zum Saubermachen hat, ist wegen der üblichen Öffnungszeiten sonst nicht möglich.
Etwas lebendiger sieht es um den S-Bahnhof Friedrichstraße aus. Denn „geistige Tankstellen“, so nannte Kultursenator Klaus Lederer vor wenigen Tagen die Buchläden, bleiben weiterhin offen. So wie bei Dussmann. Trotzdem: auch auf den vier Etagen des Kulturkaufhauses ist eher Schlender-Stimmung angesagt, brav folgt die überschaubare Kundschaft den Pfeilen auf dem Boden zwischen den Auslagen.

Koch-Klaucke
Wie viele Kunden die Möglichkeit des Buchhandels nutzen werden, könne man noch nicht einschätzen, sagt eine Dussmann-Sprecherin. Ansteckungsgefahr sieht sie nicht. „Die maximal zulässige Anzahl an Kunden, die sich gleichzeitig im Haus aufhalten dürfen, verteilt sich auf der großen Fläche, sie kaufen gezielt und verweilen nur kurz.“
Gezieltes Einkaufen ist auch in den Baumärkten möglich, obwohl sie offiziell seit Mittwoch geschlossen haben. Doch in der Bauhaus-Filiale am Kurfürstendamm brennt auch im Lockdown Licht, am Eingang herrscht reger Kundenbetrieb. Es sind vor allem Handwerker und Unternehmer kleiner Baubetriebe, die sich an einem Seiteneingang angestellt haben. Zwei Wachleute kontrollieren jeden nach dem Gewerbeschein, erst dann dürfen sie in den Markt – so ist es laut der Senatsverordnung Vorschrift.

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Blick nach Zehlendorf: Vor dem Obi-Markt an der Goerzallee ist kaum ein Fahrzeug auf dem Parkplatz zu sehen. Vereinzelnd kommen Kunden, denn der Weihnachtsbaumverkauf läuft weiter. Nicht auf dem Parkplatz, sondern im Gartencenter. Wachmänner stehen am separaten Eingang und kontrollieren, dass die Kunden die Halle mit Maske betreten, beim Tannenaussuchen die Abstandsregeln einhalten.
Gespenstische Stille herrscht dagegen in dem Möbelhaus gegenüber. An den geschlossenen Türen hängen noch die Sonderangebote im Weihnachtsgeschäft. Obwohl kein Kunde kommt, hat ein Händler dort seinen Imbissstand aufgestellt. Die Hähnchen auf den Grillspießen drehen sich nun für die Mitarbeiter des Baumarktes. „Auch wenn Lockdown ist, das Leben nicht so tobt wie sonst, gibt es immer Menschen, die Hunger haben“, sagt er.

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So hart der Lockdown sich auch geben mag, leblos ist die Stadt nicht. Die Einkaufsmeile am Teltower Damm (Zehlendorf) ist gut besucht. Schließlich haben Bäckereien, Fleischerläden und Drogeriemärkte auf. Andere nutzen die Bestell- und Abholservices. Der Inhaber eines Strickwarenladens hat die Telefonnummer des Geschäftes ans Schaufenster geklebt. Nach dem Motto: Wir sind weiterhin da.

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Und es findet sich plötzlich eine kleine Parfümerie, die laut Verordnung eigentlich nicht öffnen dürfte und dennoch Kunden empfängt. „Wir haben dafür eine Sondergenehmigung der Senatswirtschaftsverwaltung bekommen“, sagt die Verkäuferin und zeigt das Dokument. Darauf steht, dass das Geschäft aufgrund eines Teilsortiments als Drogerie gewertet werden kann und daher öffnen darf. Trotz strenger Regeln ist also die eine oder andere Ausnahme möglich.