Der verletzte Radfahrer wird in den Rettungswagen gebracht, der aus Lichtenrade fast 19 Kilometer bis nach Friedrichshain brausen musste.
Der verletzte Radfahrer wird in den Rettungswagen gebracht, der aus Lichtenrade fast 19 Kilometer bis nach Friedrichshain brausen musste. Pudwell

Berlin ist, wenn ein Verletzter nach einem Verkehrsunfall eine halbe Stunde darauf warten muss, dass er mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht wird.

Es herrschte mal wieder und wie an fast jedem Tag 2022 Ausnahmezustand beim Rettungsdienst der Stadt, als kurz nach 19.30 Uhr ein Radfahrer an der Ecke Mainzer / Boxhagener Straße unter noch ungeklärten Umständen mit einem Auto zusammenstieß. Alle halbwegs in der Nähe befindlichen Rettungswagen waren im Einsatz. 

Jetzt auch lesen: Diese Woche Sonnenfinsternis gucken! Toller Tipp: KURIER verrät, wo Sie das Himmels-Spektakel in Berlin gut beobachten können >>

25 Minuten nach dem Alarm um 19.40 Uhr kam dann endlich ein Rettungswagen – ein Fahrzeug der am Berliner Rettungsdienst beteiligten Johanniter Unfallhilfe aus der knapp 19 Straßenkilometer entfernten Feuerwache Lichtenrade. 

Ein Feuerwehrsprecher bestätigte die Angabe, relativierte sie jedoch: Schon drei Minuten nach Alarm sei ein Löschfahrzeug eingetroffen, nach sieben Minuten der Notarzt, der sich mit den Feuerwehrleuten um den Verletzten kümmerte und ihn anschließend im  sehnlichst erwarteten Rettungswagen ins Krankenhaus begleitete.

Lesen Sie auch, was Berlin bei einem großen Stromausfall tun will >>

Ausnahmezustand bei Rettungsdienst der Feuerwehr zwischen 15.13 und 1.42  Uhr

Schon um 15.13 Uhr hatte die Feuerwehr am Sonnabend wieder einmal den Ausnahmezustand im Rettungsdienst ausgerufen, der bis 1.42 Uhr in der Nacht andauerte. Feuerwehr-Chef Karsten Homrighausen erläuterte, wann der Ausnahmezustand erklärt wird: „Wenn absehbar ist, dass die Anzahl der verfügbaren Rettungsmittel längerfristig unter 20 Prozent fällt und die vorgegebene Eintreffzeit von 10 Minuten nicht eingehalten werden kann, ruft die Leitstelle den entsprechenden Ausnahmezustand aus. Längerfristig heißt: nicht nur für ein paar Minuten.“

Manuel Barth, Sprecher der Deutschen Feuerwehrgewerkschaft, erklärte die andauernde Notlage des Rettungsdienstes mit dem Krankenstand von rund 15 Prozent. Vorhandene Fahrzeuge (laut Feuerwehrstatistik waren es im vergangenen Jahr 182) könnten nicht besetzt werden. 

Hoher Krankenstand im Rettungsdienst, zu viele Alarme, zu oft wegen Nichtigkeiten

Dazu kämen wie gehabt die schiere Zahl von Alarmierungen, Lappalien, deretwegen die 112 angerufen werde, sowie nach wie vor eine instabile Zahl von Weiterleitungen an den Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Barth: „Manchmal sind es 150 am Tag, manchmal aber nur 105.“ Dem Vernehmen nach könnten im Schnitt doppelt so viele Alarmierungen an die Bereitschaftsärzte der KV abgeben werden.

Wenigstens habe der Senat inzwischen den Bedarf an 19 zusätzlichen Rettungswagen akzeptiert, die von der Feuerwehrführung lange vergeblich gefordert worden waren. Barth: „Selbst wenn die jetzt vom Himmel fallen würden, hätten wir noch lange nicht das Personal dafür.“

Insgesamt habe sich die Lage seit dem Sommer, als zu manchen als nicht rettungswagenwürdig angesehenen Vorkommnissen erst einmal niemand losgefahren sei, aber verbessert. Barth: Wir saufen immer noch ab, aber wir sind gewissermaßen nicht mehr zehn Meter unter Wasser, sondern nur noch zwei.

Jetzt lesen: Er sitzt seit einem halben Jahr in Haft! Anwalt verrät: So geht es Boris Becker im Gefängnis – wird er bald nach Deutschland abgeschoben? >>