Vergiftete Körner, geköpfte Vögel: Der Tauben-Krieg vom Gendarmenmarkt
Ehrenamtliche Tierschützer kümmern sich in Mitte um die Stadttauben. Anderen scheint das ein Dorn im Auge zu sein: Immer wieder wird Gift gegen die Vögel ausgestreut.

Tauben gehören zum Stadtbild, kämpfen jeden Tag ums Überleben – und doch sind einige Menschen so genervt von den Vögeln, dass der Hass immer neue Blüten treibt. Besonders verheerend ist die Situation am Gendarmenmarkt und am Hausvogteiplatz in Mitte. Hier stehen sich Anwohner und Tauben-Fütterer gegenüber. Bei den Tierschützern wächst die Verzweiflung: Ein Ermittlungsverfahren gegen einen Mann, der mutmaßlich Gift auslegte, wurde nun eingestellt.
„Taubenhasser-Gang“ unter Anwohnern
Schon vor längerer Zeit berichtete der KURIER über die Vorfälle in Mitte: Immer wieder wurde hier Giftweizen ausgestreut, unzählige Vögel verendeten. Und auch jetzt lassen die Angriffe nicht nach. Inzwischen hätten die Menschen, die sich ehrenamtlich um die Vögel kümmern, rund 300 tote Tauben gefunden, sagt der Berliner Tierschützer Stefan Klippstein, der das Problem seit Beginn verfolgt. Er spricht von einer regelrechten „Taubenhasser-Gang“, die sich unter den Anwohnern gegründet habe.

Begonnen hätten die Giftanschläge schon vor mehr als anderthalb Jahren. Die Tierschützer, die regelmäßig Futter für Stadttauben verstreuen und Wasserschalen aufstellen, fanden immer wieder mit Gift versetzte Weizenkörner und in der Folge tote Vögel. Die Gefahr des Gifts sei aber nicht nur auf die Tauben beschränkt, sagt Klippstein. „Auch andere Tiere können das aufnehmen – Füchse, Hunde, Kaninchen, verschiedene Singvögel.“ Auch auf Klebe-Fallen stießen die Tierschützer. „Die Tauben bleiben an der Klebemasse haften, sie reißen sich los und verletzen sich. Dann verenden sie qualvoll“, sagt Klippstein. „Manche verhungern und verdursten, weil ihre Schnäbel verkleben.“ Auch seien Tauben gefangen und geköpft worden.

Klippstein und seine Kollegen legten sich auf die Lauer, engagierten zeitweise sogar einen Sicherheitsdienst. Im März sei einer der Täter ertappt worden. In einer Polizeimeldung war die Rede von einem 69-jährigen Mann, der „aus Tüten heraus Futtermittel im Bereich des Hausvogteiplatzes verstreute“. Die Ermittler hätten den Mann angesprochen, denn in den Wochen davor habe es „mehrere Feststellungen toter Tauben“ gegeben. Der Mann sei erkennungsdienstlich behandelt worden, außerdem seien bei einer anschließenden Wohnungsdurchsuchung „weitere Beweismittel“ gefunden worden. Gegen den 69-Jährigen werde ermittelt.

Es kehrte Ruhe ein, aber nur für kurze Zeit. Im November begannen erneut Giftanschläge auf die Futterstellen. „Wir sind davon ausgegangen, dass es eine Verhandlung geben wird, dass der Mann bestraft wird“, sagt Klippstein. Doch Anfang Januar die Ernüchterung: Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen den Mann ein. In der Begründung heißt es, eine Gefährdung durch das Freisetzen von Giften habe nicht vorgelegen, weil keine Menschen konkret gefährdet wurden. Zudem fehlten Hinweise für eine Verunreinigung des Bodens. Auch ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz liege nicht vor, weil es keine Hinweise auf getötete Tiere gebe.
Gift-Attacke am Wochenende
Nach der Einstellung des Verfahrens gab es am vergangenen Wochenende prompt eine neue Attacke – dieses Mal besprühte ein Mann am Hausvogteiplatz das Futter mit Desinfektionsmitteln. Tierschützerin Carla H. filmte die Szene, die Aufnahmen liegen dem KURIER vor. „Dass das Verfahren eingestellt wurde, ist ein Freibrief für Tierquäler“, sagt sie. Sie berichtet auch davon, dass es verbale und körperliche Angriffe der Tauben-Hasser gab. „Ich wurde beleidigt, mir wurden die Wasserschalen um die Ohren gehauen und es wurde versucht, mich zu schubsen.“ Aber: Auch ein Verfahren wegen versuchte Körperverletzung wurde eingestellt.

Verheerend für die Tierschützer: Ihre Schützlinge, die Tauben am Platz, haben sowieso eine schwere Zeit. „Es ist Winter, da finden sie nicht viel Futter“, sagt Klippstein. „Und durch den Lockdown sind kaum Menschen auf der Straße. Die Tiere sind ausgehungert – da ist es kein Wunder, dass sie sich auf den Gift-Weizen stürzen.“ Zugleich wird die Arbeit der Tierschützer nicht verstanden. „Die Vögel werden nur aufdringlich und suchen Kontakt zu den Menschen, weil sie kein Futter haben“, sagte Doreen O., die sich um eine der Futterstellen kümmert. „Wenn sie richtige Nahrung haben, lassen sie von den Menschen ab.“
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Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft sorgt bei den Tierschützern für Unverständnis. „Es ist aus unserer Sicht hinreichend bewiesen, dass Tiere getötet wurden“, sagt Klippstein. Es seien verendete Tauben untersucht worden, sie seien an dem Giftstoff aus den Weizenkörnern gestorben. „Wir haben nun Akteneinsicht beantragt, werden Beschwerde einlegen“, sagt er. Die Entscheidung sei eine „Bankrotterklärung an den Tierschutz“. Eine KURIER-Anfrage an die Staatsanwaltschaft blieb bis Veröffentlichung dieses Textes unbeantwortet.