Vergessen in der Karibik – das letzte Stück der DDR
Vor 51 Jahren bekam die DDR eine Insel von Kuba geschenkt, von der heute kaum noch jemand etwas weiß. Regisseur Roland Vietz besuchte das Eiland für seinen Spielfilm „Ernesto’s Island“.

22 Grad nördlicher Breite, 81 Grad westlicher Länge: So klingen eigentlich Koordinaten einer Schatzinsel, geheimnisvoll und ganz weit weg. Und tatsächlich führen die geografischen Angaben mitten in die Karibik. Der Berliner Regisseur Ronald Vietz (47) ist ihnen gefolgt. Zurückgekommen ist er mit einer Filmgeschichte, in der er uns über das vergessene letzte noch existierende Stück DDR auf dieser Welt erzählt. Von einer Insel vor Kuba, die nach dem deutschen Kommunistenführer Ernst Thälmann benannt wurde und die Fidel Castro einst der DDR geschenkt hatte.
Jetzt lesen: Aufregung um Rammstein: DIESE Fotos lassen Fans ausflippen! >>
Unglaublich, aber wahr: Es gibt noch die DDR auf der Landkarte – im Golf von Cazones. Sieben Quadratkilometer ist der letzte Rest des einstigen Arbeiter-und-Bauern-Staates groß. Das Eiland ist ein Teil der Inselkette Cayos Blancos del Sur (Weiße Inseln des Südens), die vor Kubas Schweinebucht liegt, wo in den 60er-Jahren die USA versuchten, mit einer Invasion die kommunistische Regierung des Landes zu stürzen. Vor 51 Jahren kam es in DDR-Besitz.
Lesen Sie auch: Grüne Bürgermeisterin will in Berlin Mülleimer abschrauben ...>>
Lesen Sie auch: Fuchs, du hast das Telefon gestohlen, gib es wieder her!>>

Die Insel, die im Laufe der Zeit aus der Erinnerung der Ostdeutschen verschwand, holt nun Regisseur Ronald Vietz aus der Versenkung des Vergessens. Sie ist der Handlungsmittelpunkt seines Spielfilms „Ernesto’s Island“, der am 15. Mai Premiere im Kino Babylon in Berlin-Mitte (19.30 Uhr) feiert.
Lesen Sie auch: Schock-Bilder aus Ukraine: Diese Ruinen waren mal eine Stadt mit 75.000 Einwohnern >>
Auch Vietz, der im Osten Berlins aufwuchs, wusste von der Existenz des Eilandes zunächst nichts. „Silvester 2014 hörte ich zum ersten Mal davon, als mir Freunde von dieser Insel erzählten“, sagt er. Seitdem ließ ihn das Fleckchen DDR unter südlicher Sonne nicht mehr los.
Frank Schöbel singt auf der Karibikinsel, die Fidel Castro der DDR schenkte

Dabei wurde um die Insel in der DDR nie ein Geheimnis gemacht. Im Gegenteil: Sie war damals Bestandteil der Propaganda um die Freundschaft zwischen Kuba und der DDR.
Lesen Sie auch: Blutüberströmt entkommen! Bär greift Tierfilmer Andreas Kieling an >>
Am 5. Juni 1972 hatte die kubanische Regierung im Erlass Nummer 3676 verfügt, dass besagte Insel in Cayo Ernest Thaelmann umbenannt wird und der Strand den Namen Playa RDA (DDR-Strand) tragen soll. Einige Tage später überreichte Fidel Castro bei seinem DDR-Besuch die Urkunde samt Landkarte an Erich Honecker. Doch DDR-Touristen haben sich dort auf dem südlichsten Strand der Republik nie gesonnt oder gingen zum Baden in das kristallklare Meer.

Es war nur wenigen vergönnt, die deutsche Karibikinsel zu betreten. Wie Journalisten und Regierungsvertretern, als im August 1972 am Strand eine Ernst-Thälmann-Statue eingeweiht wurde. Frank Schöbel kam in den 70ern mit seiner damaligen Frau Aurora Lacasa, um auf der Insel für die TV-Sendung „Unterwegs mit Musik – Kuba“ das Lied „Insel im Golf von Cazones“ zu singen, das allerdings kein Hit wurde. Und auch Honecker machte für ein paar Stunden einen Abstecher auf die DDR-Insel in der Karibik, als er 1980 Kuba besuchte.
Wer als Otto Normalverbraucher auf die DDR-Insel will, für den wird die Reise zu einem Abenteuer, wie Regisseur Vietz es erlebte. Bevor es den Plan für einen Film gab, flog der Berliner 2016 und 2017 nach Kuba, um auf eigene Faust die Insel zu betreten und das letzte Stück DDR zu sehen.

DDR-Insel in der Karibik: Das Eiland vor Kuba ist Speergebiet
„Doch so einfach ist das nicht“, sagt Vietz. „Die Insel ist seither Sperrgebiet. Nicht einmal die Kubaner dürfen sie betreten. Um dorthin zu kommen, braucht man ein Boot. Und Kubaner dürfen keine Boote besitzen – außer sie sind Fischer. Und die Behörden stellen keine Erlaubnis aus, um auf die Insel zu kommen.“
Lesen Sie auch: Irre Google KI – diese Aufgaben kann Bard bald erledigen! >>
Vietz startete mehrere Versuche. Im dritten Anlauf klappte es mithilfe eines Einheimischen. Ein Glücksfall, als er dann die DDR-Insel zum ersten Mal sah. „Sie ist wirklich nicht groß“, sagt der Regisseur. „Man braucht etwa fünf Minuten zu Fuß, um an der schmalsten Stelle der Insel von der einen Seite zu der anderen zu kommen. Und es dauert etwa 20 Minuten, um den lang gezogenen Strandstreifen der Insel abzulaufen.“
Vietz berichtet von dem schönen natürlichen Strand und dass es auch kleine Palmen auf dem Eiland gibt. „Das Meer in der Bucht ist sehr flach, sodass man das Boot weit vor der Insel ankern und den Rest zu Fuß durchs Wasser gehen muss. Und die Thälmann-Statue steht am Strand jetzt nur noch in Einzelteilen da. Sie wurde 1998 vom Hurrikan Mitch zerstört.“

Die DDR-Insel ist von der kubanischen Regierung zum Naturpark erklärt worden. „Dort leben viele Vogelarten. Im Innern der kleinen Insel, im Sumpfgebiet, gibt es einige Krokodile“, sagt Vietz. Rings um das Eiland haben Haie ihr Revier. „Aber es gibt auf der Insel keine Häuser, kein Hotel, dort wohnt kein Mensch. Sie ist verlassen. Die Insel ist ein unwirtlicher Ort, wo man sich als Mensch nicht wirklich lange aufhalten möchte“, sagt der Regisseur.
Lesen Sie auch: Schachbrettmörder: Russlands irrster Serienkiller tötete im Bitza-Park >>
Nein, eine Schönheit ist die DDR-Insel wirklich nicht gerade, wenn man so die Bilder betrachtet. Mit den weißen Traumstränden anderer Karibikinseln kann die Cayo Ernest Thaelmann nicht mithalten.
DDR-Insel in der Karibik: Während der Dreharbeiten zog ein Sturm auf

2018 kam Vietz zum Filmdreh wieder. Die teils fiktive und teils dokumentarische Geschichte von „Ernesto’s Island“ erzählt, wie der Berliner Matthias (gespielt von „Matrix Resurrection“-Star Max Riemelt) nach Kuba reist, um dort das Vermächtnis seiner toten Mutter zu erfüllen. Die Frau, eine leidenschaftliche DDR-Kommunistin, hatte verfügt, dass ihr Sohn ihre Asche auf der DDR-Insel in der Karibik verstreuen soll. Matthias macht sich auf und weiß am Ende gar nicht, ob er überhaupt sein Ziel erreichen wird.
„So ging es uns auch bei den Dreharbeiten“, sagt Vietz. „Bis zum Schluss stand nicht fest, ob wir überhaupt auf die Insel kommen.“ Der Einheimische von damals, der auch in dem Film vorkommt, half nun wieder dem Regisseur. „Er vermittelte uns eine Mitfahrgelegenheit auf einem Boot von amerikanischen Hochseeanglern, die aufs Meer rausfahren durften.“ So kam Vietz mit seiner Crew noch einmal auf die DDR-Insel.
Viel Zeit zum Drehen blieb nicht. Es war Juli, Regenzeit, die Luft auf der Insel war warm und unangenehm drückend, berichtet Vietz. Ein Sturm zog auf, der den Filmszenen von der Insel eine zusätzliche Dramatik verleiht.
DDR-Insel in der Karibik: Gehört sie jetzt der Bundesrepublik?
Die DDR-Insel – gehört sie nun der Bundesrepublik Deutschland? Das Auswärtige Amt und auch Kuba stellen klar, dass die Schenkung nur ein symbolischer Akt gewesen ist, „der nichts mit Besitzverhältnissen zu tun hat“.
Angeblich soll ein deutscher Geschäftsmann versucht haben, die DDR-Insel zu kaufen, um dort ein Hotel zu errichten. Aber dass das Eiland einmal in fremde Hände fallen könnte, ist eher unwahrscheinlich. „Auf Kuba dürfen Ausländer keine Grundstücke kaufen“, sagt Vietz. Damit dürfte das letzte Stück der DDR auf Ewigkeit in der Karibik weiter existieren – bis es dann eines Tages ganz in Vergessenheit gerät.