Verband schlägt Alarm: Grundsteuer könnte sich für Eigenheimbesitzer fast verdreifachen
Die geplante Reform richtet sich nach dem Wert der Immobilien. Das hat Folgen - vor allem im Osten

Die Reform der Grundsteuer könnte Eigenheimbesitzer teuer zu stehen kommen. Im Westteil Berlins droht eine Verdopplung der Kosten, im Ostteil sogar fast eine Verdreifachung der Ausgaben. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft Mazars, die in Kooperation mit dem Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN) am Mittwoch in Berlin präsentiert wurde.
Nach einer Modellrechnung aus der Untersuchung müssten Besitzer eines Eigenheims mit einer Wohnfläche von 170 Quadratmetern auf einem 700 Quadratmeter großen Grundstück in Zehlendorf mit einer Steigerung der Grundsteuer von 1284,38 Euro auf 2290,46 Euro pro Jahr rechnen, wenn der bisherige sogenannte Hebesatz von 810 Prozent beibehalten wird. Der Hebesatz ist der Faktor, der zusammen mit dem sogenannten Steuermessbetrag für die Ermittlung der Grundsteuer dient. Für ein gleich großes Haus auf einem gleich großen Grundstück in Kaulsdorf würde sich die Grundsteuer von bisher 346,47 Euro auf 1010,95 Euro erhöhen. Grund dafür ist, dass sich die Grundsteuer künftig in Berlin nach dem sogenannten Scholz-Modell der Bundesregierung richten soll, das auf dem Wert des Grundstücks und der Immobilie basiert.
Neuregelung soll im Jahr 2025 kommen
„Die Grundsteuerreform darf nicht überproportional zu Lasten von Menschen gehen, die in ihren Eigenheimen leben und die ihre Häuser oftmals für eine eigenverantwortliche Altersvorsorge erworben oder geerbt haben“, warnt VDGN-Präsident Jochen Brückmann. „Die Landesregierungen müssen ihrer Verantwortung für eine sozial gerechte und aufkommensneutrale Grundsteuerreform gerecht werden.“ Zudem müsse ein weiteres Auseinanderdriften der auch heute noch ungleichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse zwischen Ost und West vermieden werden.
Nötig ist die Reform der Grundsteuer, weil das Bundesverfassungsgericht das derzeitige System für verfassungswidrig erklärt hat. Der Grund: Die bisherige Berechnung der Grundsteuer basiert auf Jahrzehnte alten Grundstückswerten. Im Westen werden die Grundstücke nach ihrem Wert von 1964 berücksichtigt. In den ostdeutschen Ländern beruhen die Werte sogar auf Feststellungen aus dem Jahr 1935. Ab 1. Januar 2025 soll die neue Regelung greifen. Da die Grundsteuer zu den wichtigsten Einnahmequellen der Städte gehört, wollen diese darauf nicht verzichten. In Berlin kamen über die Grundsteuer im vergangenen Jahr 828 Millionen Euro in die Landeskasse.
Die Neuregelung der Grundsteuer soll allerdings nicht dazu führen, dass Städte und Kommunen die Steuern erhöhen. Die Gesamtsumme der Steuereinnahmen soll gleich bleiben. Die Senatsverwaltung für Finanzen spricht von „Aufkommensneutralität“. Gezahlt werden muss die Grundsteuer von Eigenheimbesitzern wie von Mietern. Denn die Grundsteuer gehört zu den Ausgaben, die auf die Betriebskosten umgelegt werden. Die meisten Bundesländer, darunter alle in Ostdeutschland, haben das Scholz-Modell beschlossen, das nach Finanzminister Olaf Scholz (SPD) genannt wird. Ausnahmen der Bundesländer sind möglich, sofern diese den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts genügen.
Sozialverträgliche Anpassungen verlangt
Der VDGN fordert die Bundesländer mit Scholz-Modell auf, zur Entlastung der Eigenheimbesitzer sozialverträgliche Anpassungen vorzunehmen. Bei der Berechnung der Grundsteuer soll es Abschläge geben, die nach den Immobilienwerten gestaffelt sind: Ab einem Wert von einer Million Euro soll es jedoch keine Abschläge mehr geben. Für Gesellschaften, die kommunales und genossenschaftliches Wohnen anbieten, gebe es bereits einen Abschlag. „Warum also nicht auch bei Eigenheimern, die ihren Besitz oftmals mit eigenen Händen aufgebaut haben“, so VDGN-Präsident Brückmann.
Der VDGN fordert Bund und Länder dazu auf, Beispielrechnungen für Eigenheime in verschiedenen Lagen zu veröffentlichen. Das sei „im Sinne von Transparenz und Klarheit“. Keinesfalls sollten Kommunen die Grundsteuerreform als Persilschein für zusätzliche Einnahmen nutzen, um ihre durch die Corona-Krise verursachten Mindereinnahmen zumindest teilweise wieder auszugleichen. Dafür müssten andere Ausgleichsmechanismen geschaffen werden.
Die Senatsverwaltung für Finanzen erklärte zu den Beispielrechnungen des VDGN, dass grundsätzlich „Aufkommensneutralität“ gelte. „Der Hebesatz wird in Berlin sinken“, so Behördensprecherin Eva Henkel. „Genaueres können wir erst sagen, wenn der Großteil der wirtschaftlichen Einheiten bewertet ist. Das wird noch dauern.“