Kolonial-Revue mit Lilith Stangenberg
Uraufführung an der Berliner Volksbühne: Willkommen im Gewalt-Karneval!
So finster ging es selten zu in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Wenigstens war die Musik ein Lichtblick.

Ach, Volksbühne! Jetzt bist du wirklich im Welttheater angekommen. Solche Abende erlebt man sonst im Haus der Kulturen der Welt. Man weiß ja gar nicht, was man von deiner neuen Produktion halten soll. Die heißt auch schon so: „SMAK! SuperMacho AntiKristo“.
Nun, dem Publikum hat die Uraufführung im Großen Saal im Haus am Rosa-Luxemburg-Platz trotzdem gefallen. Zumindest denen, die zweieinhalb Stunden sitzen geblieben sind. Um es vorwegzunehmen: Es war keine Sternstunde des Theaters, was uns der philippinische Songwriter und Filmemacher Khavn De La Cruz da vorgesetzt hat. Aber dann und wann funkelte es doch, vor allem dank einiger Vollblutmusiker wie Brezel Göring von Stereo Total und einer mitreißenden Hauptdarstellerin: Lilith Stangenberg. Und die gehört nun wahrlich auf die Drehbühne der Volksbühne.
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Man muss sich das so vorstellen: Die Spielfläche im Guckkastenwürfel ist ein mehrstöckiger Richtplatz, ein bisschen Hightech-, ein bisschen Rumpelkammer-Architektur. Das Ganze gekrönt von einem irre großen Scheißhaufen aus Gebläserohren.
Ein blutiges Volksbühnen-Machwerk in 100 Akten
Und irgendwie passt das natürlich schon. Denn „SMAK! SuperMacho AntiKristo“ ist ein blutiges und schwer gewalttätiges Theater-Machwerk, das – in 100 Akten und mit 25 Songs aus der Feder von Regisseur Khavn aufgeschrillt – die Geschichte einer durch und durch beschissenen Welt erzählt.

Eigentlich befinden wir uns in einem grotesk-clownesken Paralleluniversum, einem mythisch durchwirkten Fabelkosmos im „Mondo Europa des 38. Jahrhunderts“, nahe der schiefen Ebene, wo immer das sein soll. Erzählt wird, grob zusammengefasst, eine Rachegeschichte, die Rachegeschichte von Sisa Jarry (Lilith Stangenberg). Deren Kinder, der Halb-Alien Alf Jarry (Katch23) und Frida Jarry (Charlie Sage), werden in einem Opferritual sauber tranchiert, was Mutter Sisa natürlich dazu bringt, ewige Rache zu schwören.
Lilith Stangenberg spielt diese gerechte Rächerin, diese Erinnye vor dem Herrn mit höchster Intensität, während drum herum die Welt auf eine Weise zerfällt, die der englische Dunkelzeit-Philosoph Thomas Hobbes (starb 1679) sich nicht böser hätte ausdenken können. Es tobt ein Krieg aller gegen alle, und dass die Musik das Schlachten revuehaft schrill begleitet, macht die Angelegenheit nicht wirklich schöner.
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Mehrfach wurde im Vorfeld der Uraufführung darauf hingewiesen, dass Khavns Rachefantasie die blutige Kolonialgeschichte seines Heimatlandes, die leidvolle Vergangenheit der Philippinen unter dem machtgierigen und gefräßigen Marcos erzählt – angedickt mit Reden von Putin und Hitler und mit Blitzlichtereignissen aus der jüngeren deutschen Chronik.
Uraufführung an der Volksbühne: ein obszöner Kolonial-Karneval – eine Gewalt-Revue
So heißt es im Programm: „Das Konzept geht auf zwei Ereignisse im Dezember 1896 zurück, als Alfred Jarrys Skandalstück Ubu Roi in Paris genau eine Vorstellung am Théâtre de l’OEuvre feierte, während zur selben Zeit auf den Philippinen José Rizal in Zusammenhang mit der philippinischen Revolution, angeführt von der geheimen Gemeinschaft Kataastaasan Kagalang-galangang Katipunan (KKK), öffentlich exekutiert wurde.“
Vermutlich darum wird auf einen durchsichtigen Stoff, der wiederkehrend die Bühne verhängt, historisch anmutendes Dokumentarfilmmaterial projiziert, das beim Ansehen zu verfaulen scheint. Dramaturgisch ist das etwas flach, aber es hilft sicher, die innere Unruhe zu verstärken, die den Zuschauer beim Anblick all der Scheußlichkeiten befällt, mit denen er vom Regisseur frontal ausgetestet wird.
Am Ende bleibt die Geschichte von Sisa Jarry, trotz stimmungsvoller Musik und starker Darsteller, ein obszöner Kolonial-Karneval – eine Gewalt-Revue, in der die Identität aller gezeigten Figuren sich in der grässlich-grellen Dauerbeschallung aus Pop-Trash und Schlager wirkungslos auflöst.
Jubel und Applaus aus schon gelichteten Zuschauerreihen in der Volksbühne
Mit dem kalkulierten Theater-Chaos eines Christoph Schlingensief (starb 2010) konnte man sich einst nachhaltiger identifizieren, weil Schlingensief auf Kooperation mit seinen Zuschauern setzte. Khavn erzählt hermetisch. Seine Spieler verlassen fast nie die Rampe.
Aber immerhin: Jede Vorstellung von „SMAK! SuperMacho AntiKristo“, versprechen Regisseur und Volksbühne, werde komplett unterschiedlich sein. Nun denn, zur Premiere gab es Jubel und Applaus aus schon gelichteten Zuschauerreihen. Schau’n wir mal.
Karten für die nächste Vorstellung von „SMAK! SuperMacho AntiKristo“ gibt es im Internet und an der Abendkasse.
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