UPDATE! Pannen-Wahl: Vorentscheidung zur Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin vertagt
Ampelparteien wollten nur in 431 der 2256 Stimmbezirke neu wählen lassen. Doch jetzt scheint wieder alles offen.

Sie ist schon ein Jahr her, doch noch immer ist sie nicht abgeschlossen: die Bundestagswahl 2021 muss in Teilen wiederholt werden! Die Wahl vom September vergangenen Jahres sollte sie nach dem Willen der Ampel-Fraktionen wegen zahlreicher Pannen in Berlin in 431 Wahlbezirken wiederholt werden.
Eine entsprechende Empfehlung solle der Wahlprüfungsausschuss des Bundestags an diesem Donnerstag aussprechen, hieß es am Mittwoch in einer Erklärung der Ersten Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer Katja Mast (SPD), Irene Mihalic (Grüne) und Johannes Vogel (FDP) vom Mittwoch. Diese Empfehlung solle der Bundestag dann am im November beraten.
Doch dann wurde die Vorentscheidung vertagt: Es sei sehr umfangreich, in die 200 Seiten starke Beschlussempfehlung die aktuellen Änderungswünsche einzuarbeiten, sagte der SPD-Abgeordnete Johannes Fechner. Man wolle absolut sichergehen, dass die Vorlage fehlerfrei sei. Entschieden werden solle nun in einer Sondersitzung des Ausschusses am 7. November und endgültig dann im Bundestag am 11. November.
Wahlwiederholung in weit weniger Wahlbezirken als gefordert
Dort, wo die Wahl wiederholt werde, solle dies mit den gleichen Wahlzetteln wie bei der ursprünglichen Wahl geschehen. Dies würde bedeuten, dass die jeweiligen Berliner erneut eine Erst- und eine Zweitstimme abgeben könnten. Die Koalitionsfraktionen korrigierten damit ihre bisherigen Ansagen. Danach sollte nur in rund 300 Wahlbezirken erneut gewählt werden - und das auch nur mit der Zweitstimme.
Lesen Sie auch: Racial Profiling im Görlitzer Park? Anlasslose Kontrolle landet vor Gericht – und endet mit einem Freispruch! >>
Auch der jetzige Vorstoß blieb aber weit hinter der Forderung des Bundeswahlleiters zurück, die Wahl in sechs der zwölf Berliner Wahlkreise komplett zu wiederholen: Georg Thiel, von dem einer der 1713 Einsprüche gegen die Bundestagswahl allein in Berlin stammte, will in sechs der zwölf Wahlkreise der Hauptstadt komplett neu wählen lassen.
Lesen Sie auch: Nun also doch! Berlin soll ab 29. Oktober eine Maskenpflicht in Innenräumen bekommen >>
Welche genauen Auswirkungen die Wahlwiederholung haben wird, ist unklar. „Es gibt da unterschiedlichste Szenarien“, sagte die Vorsitzende des Wahlprüfungsausschusses, Daniela Ludwig (CSU), am Mittwoch der dpa. Es könne passieren, dass danach zum Beispiel weniger Abgeordnete aus Berlin im Bundestag sitzen werden. Es könne auch sein, dass ein Abgeordneter aus einem anderen Bundesland wieder aus dem Parlament falle. „Aber das ist reine Spekulation.“
Dann gab es heftige Kritik aus der Opposition an den Ampel-Zahlen: „Hier wird so lange an den juristischen Stellschrauben gedreht, bis das politische gewünschte Ergebnis herauskommt“, kommentierte Patrick Schnieder (CDU), Obmann der Union im Ausschuss, das Hin und Her. „Das grenzt an Willkür.“
Die Ausschuss-Vorsitzende Ludwig schloss sich der Position Thiels zur Neuwahl in sechs Wahlkreisen an: „Einfach, weil wir wirklich in der Hälfte der Wahlkreise erhebliche Verfehlungen feststellen konnten.“
Massive Probleme überschatteten die Wahlen 2021
Am 26. September 2021 waren in Berlin auch das Abgeordnetenhaus und die zwölf Bezirksparlamente neu gewählt worden. Hinzu kam ein Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungskonzerne. Es gab massive Probleme wie falsche oder fehlende Stimmzettel, zu wenige Wahlurnen, die zeitweise Schließung von Wahllokalen, teils stundenlange Wartezeiten. Mancherorts stimmten Wähler noch weit nach 18 Uhr oder auf eilig kopierten Stimmzetteln ab, weil unter anderem wegen des Berlin-Marathons Nachschub fehlte.
„Wir wollen die Bundestagswahl dort wiederholen, wo tatsächlich Bürgerinnen und Bürger ihre Stimme aufgrund von festgestellten Wahlfehlern nicht abgeben konnten“, hatten die drei Vertreter der Ampel-Koalition ihren Vorstoß begründet. „Vermutungen über sonstige Wahlfehler in nicht vom Bundeswahlleiter angegriffenen Wahlbezirken rechtfertigen nach unserer Auffassung keine Wahlwiederholung.“
Geht um die Rechtssicherheit des Wahlergebnisses
Das Erfordernis des Bestandsschutzes einer gewählten Volksvertretung sei mit den Auswirkungen eines konkret festgestellten Wahlfehlers abzuwägen, hieß es in der Erklärung. „Es geht auch um die Rechtssicherheit des Wahlergebnisses vom 26. September 2021. Rund 70 Prozent der Wählerinnen und Wähler haben ihre Stimme abgegeben. Deren gültiges Votum gilt es ebenfalls zu respektieren.“
Die drei Fraktionsmanager erklärten, in der Demokratie dürfe es hinsichtlich der Stimmabgabe keinen Vertrauensverlust geben. Diese müssten sicher sein, dass sie ihre Stimme abgeben könnten. „Alles andere würde der Demokratie insgesamt schaden“, erklärten Mast, Mihalic und Vogel. „Es gilt eine ganz einfache Regel: Wo es relevante Wahlfehler gab, gibt es eine Wiederholungswahl. Wo es keine Wahlfehler gab, gibt es keine Wiederholungswahl.“