Und peng! Die 73. Berlinale ist eröffnet – mit Selenskyj, mit Kristen Stewart, mit einem großartigen Programm, und dann gab es da noch eine Klima-Kleber-Attacke
Zur Berlinale-Eröffnungsgala kam auch US-Mega-Star Sean Penn auf die Bühne. Er stellt in Berlin seine Ukraine-Dokumentation vor.

Was wären die Internationalen Filmfestspiele Berlin ohne Skandälchen? Also bitte, hier ist es. Skandälchen Nummer 1: Zur Eröffnung der 73. Berlinale am Donnerstagabend im Berliner Berlinale-Palast besetzten Klima-Aktivisten kurzzeitig eine rote Zone nahe dem roten Teppich. Viel ausrichten konnten sie allerdings nicht. Die Aktion ging spur- und nahtlos an der glamourösen Veranstaltung vorbei. Es kümmerte sich einfach niemand um den engagierten Haufen. Alle Gäste spazierten froh und munter an den Klima-Klebern vorbei.
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Skandälchen Nummer 2: Noch vor dem Start der 73. Berlinale knallte es kurz hinter den Kulissen. Bestseller-Autor Frank Schätzing fiel über die Macher der ZDF-Serie zu seinem Weltuntergangsthriller „Der Schwarm“ her. Das achtteilige Werk feiert am 19. Februar beim Filmfestival in Berlin Premiere. Ab dem 22. Februar soll es dann auch im ZDF laufen. Schätzing schien außer sich und bezeichnete die Serie als „zusammengeschusterten Unsinn ohne aktuelle Relevanz“.
Peng, das hatte gesessen! Nur, bei wem? Ob Kristen Stewart, die diesjährige Chefin der Internationalen Berlinale-Jury beeindruckt war? Wohl kaum. Die 32-Jährige hat mit den wirklich großen Werken der Filmfestspiele zu tun und ließ daran bei ihrer Pressekonferenz am Donnerstagmorgen auch keine Zweifel aufkommen.
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Im Schlaghosenanzug und mit stylischer Zottelfrisur erklärte die US-Schauspielerin und Regisseurin nervös: „Ich bin ein bisschen hibbelig. Es ist keine Last, die ich nicht vollständig verstehen würde, mit so vielen talentierten Kollegen in einer Jury zu sitzen. Die Filmfestspiele Berlin sind schon historisch gesehen sehr konfrontativ, man muss also offen sein – für Vielfalt und Neues.“
Robert Habeck bekam ein Berlinale-Ticket von Claudia Roth
Am Donnerstagabend durfte der „Twilight“ -Star dann das Heiligtum am Berlinale-Palast, den recycelbaren roten Teppich, betreten und drinnen den Startschuss für elf tolle Festivaltage hören. Mit ihr spazierte gefühlt das halbe Bundeskabinett ins funkelnde Foyer. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) sagte dem KURIER: „Ich wurde von Claudia Roth eingeladen.“ Ähnlich erging es Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die sich über das Ticket sichtlich freute.

Auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hatte Lust auf die Festivaleröffnung, ebenso Familienministerin Lisa Paus (beide Bündnis 90/Die Grünen). Landespolitiker waren natürlich ebenfalls anwesend. Neben der Gastgeberin, der Regierenden Bürgermeisterin, Franziska Giffey (SPD), lächelten Berlins CDU-Chef Kai Wegner und Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher in die Kameras. Zu tun hatte das sicher mit einem Ehrengast, der sich per Video zuschalten ließ. Aber davon später mehr.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) hatte den zwei glücklichen Festival-Chefs Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian noch vor der Berlinale-Eröffnung am Donnerstagabend zusätzlich zur Regelförderung von 10,7 Millionen Euro einmalig bis zu 2,2 Millionen Euro versprochen. Das ist auch bitter nötig gewesen, denn Großveranstaltungen wie die Filmfestspiele leiden besonders unter der Inflation. Catering, Technik, Ausstattung und Energie – das ist ja kaum noch zu bezahlen, hatte Mariette Rissenbeek kürzlich mitgeteilt.

Nun denn, schön soll es trotzdem werden und nachdenklich natürlich auch. Der Eröffnungsfilm „She Came to Me“ von Rebecca Miller über einen schwer depressiven Opernkomponisten in der Schaffenskrise (dem eine amouröse Zufallsbekanntschaft wieder Leben einhaucht) bekam bei einer Pressevorführung schon mal gütigen Applaus.
Millers Film kämpft nicht wie die 19 Wettbewerbsfilme um den Goldenen Bären. Die Riege der Darstellerinnen und Darsteller ist trotzdem erlesen: Peter Dinklage („Game of Thrones“) spielt mit, Marisa Tomei („Spider-Man“) ebenfalls, außerdem Anne Hathaway („Les Misérables“). Und die macht sich in dem Film sogar nackig!
287 Filme aus 67 Ländern sind bei der Berlinale zu sehen
Insgesamt gibt es bei der 73. Berlinale, die erstmals wieder ohne Corona-Korsett stattfindet, bis 26. Februar 287 Filme aus 67 Ländern zu sehen. 16 Weltpremieren sind dabei. Und immerhin: Bei sechs Filmen führten Frauen Regie. Gleich fünf Wettbewerbsbeiträge stammen aus Deutschland. Margarethe von Trotta zeigt ihr Werk „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ mit Vicky Krieps in der Hauptrolle. Auch Christian Petzold ist am Start – mit seinem Beziehungsdrama „Roter Himmel“. Bären-Gewinnern Paula Beer spielt darin eine tragende Rolle.

Ein echtes Highlight dürfte die Verleihung des Goldenen Ehrenbären an den US-Regisseur Steven Spielberg sein. Er bekommt die Trophäe für sein Lebenswerk. Spielberg ist auch die „Hommage“ gewidmet. Und: Bei der Preisverleihung am 21. Februar wird sein neuestes Werk „The Fabelmans“ gezeigt (Kinostart: 9. März 2023). Dabei geht es nebenbei um Spielbergs eigene Kindheit.
Daneben läuft eine Dokumentation über Boris Becker. Sie heißt „Boom! Boom! The World vs. Boris Becker“. Der Ex-Tennisstar wolle selbst Festival-Luft schnuppern, hieß es.
Mit Spannung erwartet wurde selbstverständlich auch der Auftritt von Sean Penn am Freitag. Der Hollywood-Star hat für seinen Dokumentarfilm „Superpower“ den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj getroffen. Es ist eine Weltpremiere. Penn hatte zur Festival-Eröffnung einen Überraschungsauftritt auf der vom ZDF eingerichteten Multi-Screen-Bühne, und er erzählte bewegt von seiner Begegnung mit Selenskyj zu Kriegsbeginn in Kiew.

Überhaupt ist der Krieg in der Ukraine ein großes Thema bei der diesjährigen Berlinale. Die Turbulenzen im Iran sind es ebenfalls. Kulturstaatsministerin Claudia Roth hatte darauf gedrängt. Sie wollte, dass das Filmfestival „genau reflektiert, was in der Welt los ist“.
Entsprechend ließ das Berlinale-Leitungsduo Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian vorab wissen: „Unsere Gedanken und unser Mitgefühl sind bei den Opfern, der leidenden Bevölkerung, den Millionen von Menschen, die die Ukraine verlassen haben und den Künstler*innen, die geblieben sind, um ihr Land zu verteidigen und weiter den Krieg zu filmen. Es ist uns eine besondere Ehre, dass wir den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj per Videozuschaltung am Donnerstagabend bei unserer Festivaleröffnung begrüßen können.“
Und so kam es dann auch. Wolodymyr Selenskyj richtete einen dramatischen Appell an das Berliner Publikum: „Kann sich die Kunst aus der Politik heraushalten?“, fragte er am Donnerstagabend per Videoschalte bei der Eröffnungsgala. Wenn man es mit einem Aggressor zu tun habe, sei das kaum möglich, so der ukrainische Präsident.

Der frühere Komiker betonte, Kino und Film könnten Barrieren überwinden, echte und ideologische. Er erinnerte an Wim Wenders' Film „Der Himmel über Berlin“, der das Ende der deutschen Teilung vorweggenommen habe. Heute sei es Russland, das eine neue Mauer in der Ukraine errichte. „Das ist eine Mauer zwischen der Freiheit und der Sklaverei“, so Selenskyj. Das Saal-Publikum bedachte Selenskyjs Rede mit stehenden Ovationen.
Auch Kulturstaatsministerin Roth machte sich für Kultur in Zeiten von Krieg und Krise stark. „Wer Filme dreht und wer Filme zeigt in finsteren Zeiten, der widersteht der Unfreiheit“, sagte die Grünen-Politikerin.

Jasmin Tabatabai hielt zur Berlinale ein weißes Banner hoch
Zur Eröffnung im wie eh und je funkelnden Berlinale-Palast am zugigen und leicht trist gewordenen Potsdamer Platz hatten sich gut 1650 Gäste angesagt. Hadnet Tesfai und Jo Schück führten ohne Aufregung und ohne Zwischenfälle durch den Abend. Berlins Regierende Franziska Giffey frohlockte: „Die Berlinale ist mit voller Kraft zurück! I'm delighted!“ Und sie versprach, die Filmförderung in Berlin weiter aufzustocken.
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Über den roten Berlinale-Teppich spazierten auch Elyas M'Barek, Matthias Schweighöfer, Paula Beer, Iris Berben, Yvonne Catterfeld, Meltem Kaptan, Jasmin Tabatabai (hielt ein weißes Banner hoch, auf dem der Spruch „Woman Life Freedom“ stand), Martin Semmelrogge, Rosa von Praunheim, Folk-Legende Joan Baez, Clemens Schick, Katharina Schüttler, Aylin Tezel, die Ex-Regierenden Klaus Wowereit und Michael Müller, Medienboard-Chefin Kirsten Niehuus, Karoline Schuch, Meret Becker, Anna Thalbach, Ronald Zehrfeld und Burghart Klaußner.
Übrigens: Kinotickets sind nur im Internet erhältlich, und den Fahrdienst übernimmt in diesem Jahr der Hauptsponsor Uber.