Trotz hoher Haftstrafe: Berliner Clan-Mitglied Muhamed R. wird wegen Platzmangels aus der Haft entlassen
Muhamed R. sollte wegen seiner Sucht in eine Entziehungsanstalt. Da gab es keine freie Kapazitäten.

Die Räuber waren als Müllmänner getarnt, griffen einen Geldtransporter auf dem Kudamm an und erbeuteten 648.500 Euro. Der Richter: „Ein Lehrstück der Schwerstkriminalität.“ Clan-Mitglied Muhamed R. (32) zog die Tat mit Komplizen durch, wurde im September 2021 als Erster verurteilt. Ein Lehrstück für das, was in der Berliner Justiz falsch läuft, ist folgende Nachricht: Das Verurteilte ist jetzt, erst gut ein Jahr nach dem Urteil, aus der Haft entlassen worden. Grund: Platzmangel im Maßregelvollzug.
Der Beschluss zur Haftentlassung stammt vom 3. Februar, wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft am Sonntag bestätigte. „Der Verurteilte war dann mit sofortiger Wirkung aus der Haft zu entlassen.“
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Der Mann war im September 2021 wegen des besonders schweren Raubes und der gefährlichen Körperverletzung zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Zudem sei die Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden, teilte die Sprecherin weiter mit. Bei längeren Freiheitsstrafen kann die Haft dabei aufgeteilt werden: Zunächst wird ein Teil der Freiheitsstrafe im Gefängnis abgesessen, dann folgt die Maßregel. Danach wird entschieden, ob der Verurteilte die Reststrafe weiter absitzen muss oder vorzeitig auf Bewährung entlassen werden kann.
Im konkreten Fall war die Zeit im Gefängnis beendet und der Verurteilte sollte in den Maßregelvollzug kommen. Dort seien allerdings keine ausreichenden Kapazitäten vorhanden. „Die Überführung scheiterte daran, dass das Krankenhaus des Maßregelvollzugs regelmäßig rückmeldete, noch keine Kapazitäten zu haben, auf die Warteliste verwies und bis Mitte Januar 2023 eine Aufnahme in den Maßregelvollzug nicht absehbar war.“ Man habe das Clan-Mitglied nicht länger in Haft halten können.
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Berliner Gesundheitsverwaltung wusste von den Problemen
Die Justiz habe die zuständige Gesundheitssenatsverwaltung bereits mehrfach auf die Probleme hingewiesen. Eine Verlegung in ein anderes Bundesland sei zwar theoretisch möglich gewesen, die Situation in anderen Bundesländern sei aber „vergleichbar schwierig“. Die restliche Strafe des 32-Jährigen verfällt durch die Freilassung aber nicht, wie die Sprecherin sagte. Er werde zu gegebener Zeit wieder vorgeladen.
Zu wenig Personal, komplexe Strafverfahren und Personalmangel: Obwohl es teils um schwerwiegende Straftaten geht, gibt es eine wachsende Zahl von Verdächtigen, die wegen zu langer Verfahren aus der Untersuchungshaft entlassen werden müssen.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft ist das kein reines Berliner Problem. Eine Verlegung in ein anderes Bundesland sei zwar theoretisch möglich gewesen, die Situation dort sei aber „vergleichbar schwierig“.
Für weitere Probleme bei der Justiz sorgt, dass Strafverfahren zunehmend lange dauern. Die Zahl der Verdächtigen, die deswegen aus der Untersuchungshaft entlassen werden müssen, wächst. Im vergangenen Jahr kamen bundesweit mindestens 73 Menschen wegen einer zu langen Verfahrensdauer frei, wie aus Zahlen des Deutschen Richterbundes hervorgeht.
2021 hatten die Justizverwaltungen der Länder demnach 66 Fälle gemeldet, 2020 waren es 40. Der Richterbund sieht als Ursache für die Entwicklung zunehmend komplexe Strafverfahren, aber auch einen Personalmangel bei Staatsanwaltschaft und Gerichten.
In den zurückliegenden fünf Jahren sind den Angaben zufolge mehr als 300 Verdächtige aus der U-Haft entlassen worden, weil die Verfahren zu lange dauerten. Der Verband bezieht sich bei den Angaben auf eine Umfrage der „Deutschen Richterzeitung“ bei den Justizministerien und Oberlandesgerichten der 16 Länder.
Demnach hat Bayern für 2022 mit 15 aufgehobenen Haftbefehlen die höchste Zahl gemeldet. Berlin meldete nach den Daten der „Deutschen Richterzeitung“ für 2022 wie im Vorjahr 9 Fälle, die Berliner Justizverwaltung sprach dagegen für 2021 von 8 Fällen.