Spitzensport nach Stromschlag-Tragödie
Der Torhüter mit nur einem Arm: Andreas Lehmann (43) aus Friedrichshain kämpft bei der Amputierten-EM um den Sieg
Der Berliner sucht noch Mitstreiter: Männer und Frauen mit ähnlichem Schicksal, die trotz Handicap in Bewegung bleiben wollen.

Mit 18 Jahren kletterte Andreas Lehmann aus einer jugendlichen Dummheit heraus auf einen Hochspannungsmast. Er bekam einen Stromschlag und verlor danach seinen linken Arm. Sein tragisches Schicksal und die Freude am Sport verbindet ihn mit elf weiteren amputierten Fußballspielern der deutschen Nationalmannschaft. Gerade kämpft der 43-jährige Torhüter aus Friedrichshain gemeinsam mit seinen Teamkollegen in Krakau bei der EM. Er hofft, über den KURIER noch weitere Menschen mit Handicap für diese in Deutschland noch relativ neue Sportart zu begeistern.
„Wir sind trotz unseres Handicaps motiviert, weiter Fußball zu spielen“, sagt Lehmann. Während des Telefonats mit der Reporterin liegt er noch erschöpft vom letzten Spiel gegen Belgien auf seinem Bett. Die Deutschen gewannen es 5:0, die anderen Spiele gegen Russland und Irland verloren sie. Am Sonnabend treten sie gegen Georgien an und hoffen dann, wenigstens noch den neunten Gruppenplatz zu erzielen.
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Während andere Länder wie die Türkei oder England schon seit Ende der 80er im Amputierten-Fußball erfolgreich sind, sei Deutschland im Hinblick auf diese Sportart noch ein Entwicklungsland, berichtet der Berliner. Deshalb ist es Lehmanns Herzensangelegenheit, noch mehr Menschen dafür zu begeistern. Voraussetzung ist, dass sie entweder ein amputiertes Bein oder einen amputierten Arm haben. Letztere können, wie er, als Torhüter zum Einsatz kommen. Die anderen dürfen sich als Feldspieler einbeinig an Krücken versuchen.
Es gibt kein Abseits und der Ball darf nur mit gesundem Bein geführt werden
Der angehende Sporttherapeut spielt selbst bei Tennis Borussia Berlin www.tebe.de in Westend. Die Amputierten-Fußball-Gruppe gründete sich erst Anfang des Jahres und besteht somit nur aus fünf Spielern. Im Gegensatz zum herkömmlichen Fußball ist das Feld kleiner und es spielen nur sieben Spieler in einer Mannschaft statt elf. Um überhaupt spielfähig zu sein, haben sich die Berliner mit dem Hamburger SV und den Sportfreunden Braunschweigs zusammengetan. „Wir trainieren deshalb momentan nur einmal im Monat und treffen uns dann in der Mitte, in Hamburg“, so Lehmann. Auch die Regeln sind beim Amputierten-Fußball etwas anders: Es gibt kein Abseits und der Ball darf nur mit dem gesunden Bein geführt werden.

Für den Berliner ist es eine gute Möglichkeit, trotz seiner Behinderung weiterhin in Bewegung zu sein. „Ich spiele seit meiner Kindheit Fußball im Verein und war zuletzt bei der SG Medizin Friedrichshain“, berichtet er. Als ihm vor 25 Jahren der linke Arm abgenommen werden musste, der nach dem Stromschlag völlig verbrannt gewesen sei, habe er zunächst Schwierigkeiten gehabt, sein Schicksal anzunehmen. „Ich war sportlich so aktiv, neben dem Fußball auch in der Leichtathletik und auf einmal war ich so eingeschränkt. Das war eine ganz harte Lernerfahrung für mich“, sagt er.

Neben dem Sport ist der Austausch über das gemeinsame Schicksal der Grund, weshalb das bundesweite Projekt Amputierten-Fußball www.amputierten-fussball.de 2014 von Christian Heintz gegründet wurde. Der 37-jährige gelernte Maler, der in der Nähe von Koblenz lebt, verlor selbst bei einem Autounfall vor 11 Jahren sein rechtes Bein und weiß, wie sehr sich das Leben nach einer Amputation verändert. Er konnte seinen Beruf nicht mehr ausüben und auch nicht mehr in seinem Verein Fußball spielen. Seitdem engagiert er sich für die Förderung von Fußballern, denen ein Bein oder Arm fehlen und hat auch Sponsoren wie „Anpfiff ins Leben“ und „Aktion Mensch-Stiftung“ ins Boot geholt.
Der Sport soll verbinden und helfen, das Schicksal zu verarbeiten
„Der Sport verbindet uns und hilft uns dabei, gemeinsam unser Schicksal zu verarbeiten“, erklärt Andreas Lehmann. Aufgrund seiner besonderen Leistungen wurde er für die Deutsche Nationalmannschaft im Amputierten-Fußball ausgewählt, die auch Unterstützung aus der Hauptstadt erfährt. Der Unternehmer Dirk Zelle (ATB-Aufzugtechnik) finanziert die Teilnahme an Weltmeister- und Europameisterschaften wie momentan in Krakau und diverse Trainingscamps.
Dafür sind Heintz und Lehmann sehr dankbar, wie sie sagen. Denn noch immer gebe es Berührungsängste gegenüber Menschen, die eine Behinderung haben. „Dabei können sie genauso leben und hervorragende Leistungen erbringen wie Menschen ohne Handicap“, findet Lehmann.
Auch Frauen sind übrigens bei den Amputierten-Fußballern willkommen. „Leider hat sich noch keine gemeldet, aber sie können bei uns genauso gerne dabei sein wie die Männer“, sagt er. Wer mittrainieren möchte, muss allerdings genügend Ausdauer mitbringen, denn eine Trainingseinheit ist anstrengend: „Wir joggen bis zu fünf Kilometer, manchmal auch mehr“, erklärt Lehmann. Die Strecke an Krücken auf nur einem Bein zu bewältigen, das klingt nach einer wahren Herausforderung.