Die Altstadt von Jüterbog: Angeblich soll sich in der brandenburgischen Kleinstadt eine tödliche Bluttat ereignet haben. Doch die Polizei weiß von nichts.
Die Altstadt von Jüterbog: Angeblich soll sich in der brandenburgischen Kleinstadt eine tödliche Bluttat ereignet haben. Doch die Polizei weiß von nichts. imago/Panthermedia

Auch im ländlichen Raum sind die Menschen über soziale Medien engmaschig vernetzt: WhatsApp-, Telegram- und Facebook-Gruppen sind für viele Menschen in den entlegenen Gemeinden der Prignitz, Lausitz oder in Teltow-Fläming die Verbindung zur Welt. Dort im Südwesten Brandenburgs liegt die Kleinstadt Jüterbog mit ihrer mittelalterlichen Altstadt. Die Facebook-Gruppe „Wir in Jüterbog“ sammelt die Veranstaltungen und Meldungen rund um das 13.000-Einwohner-Örtchen.

Streit um schlechte Schulnoten: 15-Jähriger soll Eltern und Bruder ermordet haben

In dieser Gruppe postete eine Nutzerin aus Luckenwalde in diesen Tagen eine schockierende Nachricht, die sich rasch in der Region verbreitete: Ein 15-jähriger Junge soll mitten in Jüterbog seine Eltern und seinen Bruder getötet haben! Anlass sei ein Streit um schlechte Schulnoten gewesen, hieß es in der Meldung, die mit den Worten kommentiert wurde: „Ich habe keine Worte für die Tat.“

Doch wer genauer auf den Screenshot mit dem Foto eines von Polizeikräften abgeführten Jugendlichen blickte, konnte stutzig werden: Als Quelle wird eine nicht aufrufbare Webadresse angegeben. Das Bild, wie die MAZ recherchiert hat, stammt aus einem ganz anderen Fall, zeigt die Festnahme eines 19-Jährigen in Essen aus dem März 2019. Die Brandenburger Polizei bestätigt: Das angebliche Tötungsdelikt in Jüterbog hat es nie gegeben. Später stellt sich heraus: Offenbar wurde das Konto der Facebook-Userin gehackt.

Fake-Nachrichten in lokalen Facebook-Gruppen häufen sich: Was bezwecken die Hacker?

Dem Bericht zufolge häufen sich derartige Fake-News in lokalen Facebook-Gruppen. Die MAZ verweist auf den einen angeblichen Entführungsfall von Anfang Februar: Die Nachricht eines vermeintlich in Potsdam entführten Mädchen schlug Wellen in den sozialen Medien. In dem Posting war ein angebliches Polizei-Phantombild sowie ein Link mit weiterführenden Informationen enthalten.

Der Beitrag wurde in einer perfiden emotionalen Ansprache getextet, als wäre er von den Eltern des Kindes verfasst worden: „Es ist jetzt vier Tage her und wir wissen immer noch nichts!! Wir haben fast alles versucht und immer noch nichts … Das ist wahrscheinlich unsere letzte Chance, unsere kleine Julie zu finden. Ich bitte euch Leute, diesen Beitrag zu teilen :((“ 

Die Polizei bestätigte auch damals, das es sich um einen Fake handelte. Der Link führte zu einer Phishing-Website, der potenziell Schaden am Gerät anrichten kann und Daten absaugen sollte. Immer wieder wurden Fake-Nachrichten über angebliche Verbrechen in sozialen Medien auch mit dem Ziel gestreut, Unruhe zu verbreiten und Hass auf vermeintliche Verdächtige zu lenken.

Der bekannteste Fall in der Region war die angebliche Vergewaltigung des deutsch-russischen Mädchens „Lisa“ im Osten Berlins. Russische Propaganda-Medien griffen den angeblichen Fall auf, warfen der Berliner Polizei Vertuschung vor. Sogar Russlands Außenminister Sergej Lawrow war sich nicht zu schade, die Lügengeschichte mit Vorwürfen an die deutschen Behörden zu kommentieren.