UPDATE +++ Thilo Sarrazin stellt in Berlin sein neues Wut-Buch vor: Sie glauben nicht, wer ihn DABEI unterstützt
Berliner Ex-Finanzsenator hat dieses Mal über den „Einfluss von Ideologie auf Politik und Gesellschaft“ geschrieben.

Er hat es schon wieder getan. Berlins Ex-Finanzsenator und Bestsellerautor Thilo Sarrazin („Deutschland schafft sich ab“) hat ein neues Buch geschrieben. Das stellte er an diesem Montag (22. August) in Berlin vor. Und dabei war er nicht allein.
Das letzte Mal hat Thilo Sarrazin im Juli 2020 von sich reden gemacht. Damals wurde er aus der SPD ausgeschlossen. Die Bundesschiedskommission der SPD hatte die entsprechenden Entscheidungen der Vorinstanzen nach langem Hin und Her endlich bestätigt. Gegen diese hatte Sarrazin Berufung eingelegt. Vergeblich. Sarrazin war von 1973 bis 2020 Mitglied der SPD.
In seiner Wut setzte sich der gefeuerte Politiker an den Schreibtisch und schrieb die ersten Sätze zu seinem neuen Buch nieder, das er am heutigen Montagvormittag in Berlin vorstellen wird.
Unter dem Titel „Die Vernunft und ihre Feinde. Irrtümer und Illusionen ideologischen Denkens“ (LMV, 26 Euro) beschreibt der 77-Jährige den Einfluss von Ideologie auf Politik und Gesellschaft. Das erste Kapitel fällt allerdings sehr persönlich aus: Sarrazin erzählt von seiner Herkunft, der Schulzeit, dem Studium und der Arbeit. Im Grunde geht es darum, wie eine Scharlach-Quarantäne den kleinen Thilo zum Denken gebracht hat.

Ansonsten widmet sich das Buch strittigen Themen wie „Männer und Frauen“, „Ethnien und Rassen“ oder Politik als „Religionsersatz“. Sarrazin kritisiert, die aktuelle Regierungspolitik in den Bereichen Energie, Umwelt, Bildung, Sprache und Verteidigung sei ideologisch statt faktenbasiert. Er greift vor allem SPD und Grüne an, sieht aber ideologisches Denken und entsprechende Gefahren ebenso bei der AfD, Corona-Impfgegnern und erst recht beim russischen Präsidenten Putin.
Die Einführung zur Buchvorstellung übernahm kein anderer als der Schriftsteller Uwe Tellkamp. Das war nicht ohne. Denn der einst gefeierte Suhrkamp-Autor Tellkamp („Der Turm“, „Der Schlaf in den Uhren“) ist wegen einiger kritischer Sätze zur bundesdeutschen Einwanderungspolitik ebenfalls in die Kritik geraten. Er wird von neu-rechten Kräften unterstützt, die meisten linken und liberalen bürgerlichen Kreise haben den Ingeborg-Bachmann-Preisträger dagegen abgeschrieben.
Tellkamp schimpfte bei seiner Eingangsrede auf etablierte Parteien, Regierungen und Medien und verglich Debatten und Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie mit Unterdrückung und Denunziation in der DDR.
Wenig originell verballhornte er Politikernamen zu Verben wie „habecken“, „baerbocken“, „merkeln“, „merzen“, „lauterbachen“. Um Inhalte gehe es nie in der Politik, nur um Macht. Gleichzeitig setzten die Politiker auf „Tugendterror“ und wollten die Welt und das Klima retten, statt sich um die Menschen in Deutschland zu kümmern.
„Wo ist die SPD als Partei des kleinen Mannes“, fragte Tellkamp. Die Partei verrate ihr Klientel. „Sie vertritt die Interessen eines woken, akademischen, Latte-Macciato-süffelnden Prenzlauer-Berg-Prekariats.“ Sarrazin ergänzte, die Corona-Politik sehe er anders als Tellkamp, aber die massiven Proteste zeigten, dass das frühere „Vertrauensnetzwerk“ zwischen Politik und Regierten „stark angegriffen, um nicht zu sagen zerrissen“ ist.
Thilo Sarrazin hetzte gegen Türken und Araber
Sarrazin hatte mit früheren Veröffentlichungen Kritik ausgelöst, unter anderem mit Thesen zu muslimischen Einwanderern, die Kritiker als rassistisch werteten. Sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ (es stand 2010 und 2011 insgesamt 21 Wochen lang auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste) verkaufte sich in Millionenauflagen. Trotzdem verlor Sarrazin im selben Jahr seinen damaligen Posten als Vorstandsmitglied der Bundesbank. 2020 kam dann das Aus für seine SPD-Mitgliedschaft.
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Sarrazin hatte wörtlich über Türken und Araber in Deutschland gesagt: „Die Türken erobern Deutschland genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: durch eine höhere Geburtenrate. […] Integration ist eine Leistung dessen, der sich integriert. Jemanden, der nichts tut, muss ich auch nicht anerkennen. Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert. Das gilt für 70 Prozent der türkischen und 90 Prozent der arabischen Bevölkerung in Berlin.“
Sarrazins neuer Titel „Die Vernunft und ihre Feinde“ ist offenbar eine sarkastische Anspielung auf das mehrbändige Werk „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ von Karl Popper (1902–1994). In dem Klassiker der politischen Philosophie beschäftigt sich Popper mit den Auswüchsen totalitären Denkens von Platon bis Marx und plädiert entschieden für eine tolerante und durchlässige Zivilgesellschaft.