Die Nacht der Räumung: Senioren werden von Mitarbeitern der Feuerwehr und des Roten Kreuzes in Krankenhäuser gebracht.
Die Nacht der Räumung: Senioren werden von Mitarbeitern der Feuerwehr und des Roten Kreuzes in Krankenhäuser gebracht. Foto: Morris Pudwell

Eine Lichtenberger Seniorenwohnanlage wird wegen eines Corona-Ausbruchs mitten in der Nacht geräumt. Die Feuerwehr bringt alle anwesenden Bewohner in Krankenhäuser. Der Fall, der Ende April für Aufsehen sorgte, hat nun ein Nachspiel. Der Grund sind Klinik-Rechnungen über 102.480 Euro, die dem Steuerzahler präsentiert werden.

Für den Gesundheitspolitiker Thomas Seerig (FDP) ist der Fall ein Sinnbild der Senatspolitik – „kein Überblick, kein Konzept, aber enorme Kosten“ für die Allgemeinheit. Die Gesundheitsverwaltung sei auf den absehbaren Fall eines größeren Corona-Ausbruchs in einem Seniorenheim nicht vorbereitet gewesen. Deshalb hätten die Behörden mitten in der Nacht kurzfristig entscheiden müssen, unterschiedslos alle Bewohner in Krankenhäuser „zu verfrachten“.

In der Wohnanlage mit 85 Senioren waren mindestens ein Pflegedienstmitarbeiter und – laut Berliner Feuerwehr – 28 Bewohner mit Corona infiziert. Doch eine Unterbringungsmöglichkeit für alle, die nicht zwingend in einer Klinik behandelt werden mussten, gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Erst zum 1. Juni richtete das Land Berlin eine Notfall-Pflegeeinrichtung in Kreuzberg ein. So blieb nur eine Wahl: Kliniken mussten als Notbehausung herhalten.

Fünf Krankenhäuser schickten Rechnungen

Der Abgeordnete Seerig wollte nun wissen, was diese externe Unterbringung gekostet hat. Der Senat antwortete auf seine parlamentarische Anfrage, dass derzeit „Rechnungen in Höhe von 102.480 Euro von fünf Krankenhäusern für insgesamt 27 Personen“ vorlägen. Die Zahlung übernehme die Gesundheitsverwaltung in voller Höhe – also der Steuerzahler. Es werde aber geprüft, den ambulanten Pflegedienst der geräumten Anlage in Regress zu nehmen.  

Seerig interessierte sich auch für die Frage, wie viele Bewohner letztlich positiv getestet wurden und in wie vielen Fällen ein stationärer Aufenthalt medizinisch notwendig war. Denn bei dringend erforderlichen Klinik-Behandlungen sind die Krankenkassen in der Zahlungspflicht. Doch vom Senat kam nur die Antwort, es lägen „hierzu keine Daten vor“.

Für Seerig bleibt es „unverständlich“, dass der Senat mehr als 100.000 Euro Kosten übernimmt, aber nicht über den tatsächlichen Gesundheitszustand der Betroffenen informiert ist. Erst habe man versäumt, sich auf Corona-Ausbrüche in Heimen vorzubereiten. Und im Nachhinein gebe es nur eine „nebulöse Regress-Ankündigung“.