Exorzismus vor Berliner Gericht

Teufelsaustreibung: 22-Jährige stirbt nach sieben Tagen Qual

Prozessauftakt in Berlin: Weil Frau nicht schwanger wurde, wollte ein sogenannter Wunderheiler bei ihr die bösen Geister mit einer Salzwasserkur austreiben

Teilen
Der sogenannte Hodscha riet offenbar zu einer intensiven Salzwasserkur - um bei der 22-jährigen Nesma M. den Teufel auszutreiben.<br>
Der sogenannte Hodscha riet offenbar zu einer intensiven Salzwasserkur - um bei der 22-jährigen Nesma M. den Teufel auszutreiben.
Olaf Wagner

Vier Jahre blieb die Ehe zwischen Nesma M. und Wajdi H. kinderlos. Dann beschlossen der Ehemann Wajdi H. und seine Eltern, einen Wunderheiler hinzuzuziehen. Der sogenannte Hodscha riet offenbar zu einer intensiven Salzwasserkur - um den Teufel auszutreiben. Sieben Tage währte die Tortur. Dann war die 22-jährige Nesma M. tot.

Seit Montag müssen sich Wajdi H., der als Beruf Ingenieur angibt, seine 57-jährige Mutter und sein 58-jähriger Vater vor dem Berliner Landgericht verantworten. Auch Mazen K. sitzt auf der Anklagebank, der angibt, keinen Beruf erlernt zu haben. Der 49-Jährige ist der angebliche Wunderheiler. Die Staatsanwältin wirft den drei Männern und der Frau Körperverletzung mit Todesfolge vor. Die Eltern von Nesma B. sind in dem Verfahren Nebenkläger, aber nicht beim Prozess um den Tod ihrer Tochter anwesend. Sie leben derzeit in einem Flüchtlingslager im Libanon, sagt ihr Anwalt Roland Weber.

Lesen Sie auch: Teufelsaustreibung: Berlinerin starb nach Behandlung eines Wunderheilers >>

Was genau geschah vor nunmehr fünf Jahren, steht in der Anklage, die Staatsanwältin Silke van Sweringen an diesem ersten Verhandlungstag verliest und die offenbar auf der Aussage einer Tante der getöteten Frau und den Angaben von Ärzten sowie des Gerichtsmediziners basiert. Demnach soll der angebliche Wunderheiler Mazen K. dem Ehemann und den Schwiegereltern von Nesma M. geraten haben, der jungen Frau böse Geister auszutreiben. Dazu habe Nesma M. in der ehelichen Wohnung in Tempelhof ab dem 30. November 2015 täglich eineinhalb Liter Wasser trinken müssen, das mit bis zu 64 Gramm Kochsalz angereichert worden sei. Ehemann und Schwiegereltern sollen abwechselnd aufgepasst haben, dass die junge Frau das Wasser trank.

Nesma M. musste das gesundheitsschädliche Gebräu trinken, obwohl Wajdi H., seine Mutter Widad A. und sein Vater Mohamad H. gewusst haben sollen, dass die Frau unter einer Blutgerinnungsstörung und einem fiebrigen Infekt litt. Zudem hatte sich Nesma M. auch geweigert, das Salzwasser zu trinken. Doch sie gab nach, weil das Getränk ihren Körper reinigen würde. So sollen es die Angeklagten der jungen Frau vermittelt haben. Der sogenannte Hodscha habe während der häuslichen Trinksitzungen aus dem Koran gelesen, sagt die Staatsanwältin.

Laut Anklage ging es Nesma M. schon nach kurzer Zeit erkennbar schlecht. Sie habe zunehmend unter Benommenheit und Verdauungsstörungen gelitten, sie sei unsicher gelaufen und habe nur noch lallend sprechen können. Das Herz, das Gehirn und die Nieren seien durch die hohe Natriumdosis geschädigt worden, sagt Silke van Sweringen. Als Nesma M. nicht mehr allein die Trinkflasche habe halten können, hätten die Angeklagten die Flasche zu ihrem Mund geführt und Nesma M. dabei an den Armen festgehalten.

Lesen Sie auch: Totschlag-Prozess: Marzahn: Immer wieder stach er auf seine Mutter ein – bis sie tot war >>

Abgelehnt, einen Arzt aufzusuchen

Bis zum 7. Dezember 2015 hätten es die Angeklagten abgelehnt, mit der Frau einen Arzt aufzusuchen. Am Morgen jenen Tages nahm Nesma M. nach Angaben der Staatsanwältin erneut Wasser mit einer tödlichen Dosis Kochsalz zu sich. Die junge Frau verlor das Bewusstsein, sie erlitt einen Atem- und Kreislaufstillstand. Sie verstarb trotz Reanimationsversuchen durch die nunmehr gerufenen Rettungskräfte gegen 16.30 Uhr in einem Krankenhaus.

Im Blutbild der Frau wurde eine so hohe Natriumkonzentration gefunden, dass eine Obduktion angeordnet wurde. Die ergab, dass Nesma M. an einer beidseitigen Lungenarterienembolie und einem Hirnödem gestorben war. Im Verfahren sollen die Angeklagten geschwiegen oder die Tat abgestritten haben.

Es ist unklar, ob der Prozess weitergeht. Ein Anwalt der angeklagten Schwiegermutter von Nesma M. will, dass die Hauptverhandlung wegen der Corona-Pandemie ausgesetzt wird. Er sagt, dass er krankheitsbedingt zur Risikogruppe gehöre. Der Verteidiger des Schwiegervaters sieht das ebenso. Er argumentiert, dass sein Mandant Asthma und erst vor zwei Jahren eine Krebserkrankung überstanden habe. Die Kammer will nun bis zum nächsten Verhandlungstermin in einer Woche eine Entscheidung über die Fortsetzung des Prozesses fällen.