Tesla kämpft gegen deutsche Bürokratie – und ist damit nicht allein
Der Brandbrief des US-Konzerns moniert langwierige Genehmigungsprozesse in Bauverfahren. Die Überbürokratisierung kommt auch in anderen Branchen zum Vorschein.

Tesla liebt es schnell. Der Bau des Elektroauto-Werks im brandenburgischen Grünheide ist seit der Ankündigung im November 2019 in Rekordzeit entstanden. Im Juli sollen die ersten E-Autos das erste europäische Werk verlassen. Doch der Plan gilt als keineswegs sicher, denn das von Elon Musk gegründete US-Unternehmen hat seine Hallen für die Gigafactory mit vorläufigen Baugenehmigungen errichtet. Die Gesamtgenehmigung steht noch aus, die ist aber Voraussetzung für den Produktionsbeginn. Nun kritisiert Tesla umfangreich das Genehmigungsverfahren für sein Werk bei Berlin.
In einer am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme des Konzerns heißt es, dass die Fabrik zur Verbreitung von E-Mobilität im Kampf gegen die Erderwärmung beitrage. „Der deutsche Genehmigungsrahmen für Industrie- und Infrastrukturprojekte sowie für die Raumplanung steht in direktem Gegensatz zu der für die Bekämpfung des Klimawandels notwendige Dringlichkeit der Planung und Realisierung solcher Projekte“, bemängelt Tesla.
Für „besonders irritierend“ hält Tesla es dabei, dass 16 Monate nach dem Antrag noch kein Zeitplan für die Erteilung einer endgültigen Genehmigung vorliege. Als „eklatantestes Problem“ stuft Tesla ein, dass in aktuellen Verfahren und Gesetzen Projekte, die den Klimawandel bekämpften und solche, die ihn beschleunigten, gleichbehandelt würden.
Deutsche Umwelthilfe fordert Bundesregierung auf, Klimaschutzziele 2030 zu erreichen
Tesla äußerte seinen Unmut darüber in einem Verfahren zwischen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und der Bundesrepublik vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Die DUH fordert, dass die Bundesregierung dazu verurteilt werde, ein Programm aufzustellen, um das nationale Klimaschutzziel 2030 zu erreichen. Tesla reichte die Stellungnahme als „Freund des Gerichts“ ein, da es im Interesse des Verfahrens sei, die Erfahrungen zu teilen.
Für Umwelthilfe-Chef Jürgen Resch kommt Teslas Offensive überraschend. Dennoch begrüßt er den Brief als „segensreich“. „Das Wesentliche ist, dass jetzt wieder Schwung in die Diskussion hineinkommt, wie wir diese Überbürokratisierung in Deutschland zurückfahren können, ohne dass die Mitwirkungsmöglichkeiten der Zivilgesellschaft und der Umweltverbände geschliffen werden“, sagt Resch.
Er spricht sich ebenfalls für eine schnellere Genehmigungspraxis in Deutschland aus, damit die Klimaschutz-Anforderungen erreicht werden können. Resch moniert, dass in Zulassungsverfahren oftmals die Einreichung von Dokumenten per E-Mail von den Behörden abgelehnt werde.
Auch Windkraftanlagen und Glasfaserausbau sehen sich Überbürokratisierung ausgesetzt
Das Automobilwerk von Tesla ist kein Einzelfall in der deutschen Bürokratie. Beim Bau von Windkraftanlagen dauert der durchschnittliche Genehmigungsprozess zwischen vier und fünf Jahren, schreibt der Bundesverband WindEnergie auf seiner Webseite. Auch der Glasfaserausbau für schnelleres Internet ist von schleppenden Genehmigungsverfahren betroffen. In einer gemeinsamen Stellungnahme des Bundesverbands Breitbandkommunikation und des Bundesverbands Glasfaseranschluss von Mai 2018 ist die Rede von „Beeinträchtigungen, unter anderem durch die Dauer von Genehmigungsverfahren“.
Indes schlägt Tesla in seiner Stellungnahme zehn Maßnahmen vor, die die Genehmigungsabläufe vereinfachen sollen. Dazu zählen beschleunigte Prozesse für nachhaltige Projekte sowie die Berücksichtigung auch indirekter Auswirkungen auf die Umwelt. Das US-Unternehmen ist der Ansicht, dass aktuell Hinweise auf relativ geringe lokale Folgen in größerem Maßstab positive Projekte verhindern.
Tesla sah sich von Beginn des Bauprojekts an mit Kritik aus Politik und von Umweltschützern konfrontiert. Die Arbeiten an dem Werk wurden wiederholt nach dem Vorgehen von Umweltverbänden unterbrochen. Kritisiert wurden dabei unter anderem die Umsiedlung von Tieren sowie Risiken für die Trinkwasser-Versorgung der Region. Ob Teslas Brandbrief das Genehmigungsverfahren beschleunigen kann, zeigt sich spätestens im Juli, wenn die ersten geplanten E-Autos aus dem Werk auf die Straßen in Grünheide gelassen werden sollen.