Tausende Berliner strömen in die Parks – wie groß ist die Corona-Gefahr?
Das erste Frühlingswochenende in Berlin – und die Menschen drängen ins Freie, als wäre die Corona-Pandemie vorbei.

Der triftige Grund, um in Zeiten des Lockdowns das Haus zu verlassen, kommt an diesem Sonntag von oben. Blauer Himmel, Sonnenschein, frühlingshafte Temperaturen - fast schon T-Shirt-Wetter in Berlin. Am Treptower Park ist kurz nach Mittag kein Parkplatz mehr zu bekommen, die Ständer für Fahrräder sind mehrfach belegt. Die Geräuschkulisse, die vom Spielplatz herüberhallt, erinnert ein wenig an ein Freibad mitten im Hochsommer. Glückliches Kindergeschrei ist zu hören, Mütter und Väter, die ihre Sprösslinge lauthals ermahnen. Es ist voll, zu voll.
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Es ist voll, zu voll
Milda Pospiech und Antje Dietrich wollten mit ihrer achtjährigen Tochter eigentlich auch auf den Spielplatz. Sie haben davon Abstand genommen, als sie sahen, wie viele Kinder sich dort austoben. Nun sitzen sie zu dritt am Ufer der Spree, um sich, wie sie sagen, „vom langen, schweren Winter zu erholen“. „Es ist schon schön, wenn man wieder raus kann“, sagt die 37-jährige Milda Pospiech. Mit den Corona-Maßnahmen hätten sie sich arrangiert. Aber ein Tapetenwechsel tue ihnen trotzdem ganz gut, fügt die 38-jährige Antje Dietrich hinzu. Deswegen sei die Familie aus ihrem Kiez in Schöneberg mal in den Treptower Park gefahren. Ans Wasser.

Der Strom der Menschen, der sich am Ufer der Spree entlangzieht, ist enorm. Kaum jemand trägt Maske beim Flanieren, viele dagegen eine Bierflasche oder einen Kaffeebecher in der Hand und die Sonnenbrille auf der Nase. Von Polizisten, die für den Sonntag verstärkte Kontrollen der Corona-Regeln in den innerstädtischen Parkanlagen angekündigt hatten, ist nichts zu sehen.
„Wir sind corona-müde“
Laura Pahls sitzt mit ihrem Lebensgefährten auf der Wiese der Insel der Jugend. Das Pärchen wartet auf Freunde, die am nahen Imbiss Soulkitchen ein paar Getränke holen wollen. „Es sind schon viele Menschen unterwegs“, konstatiert die 36-Jährige. Aber sie denke, dass es den meisten so wie ihnen gehe. „Wir sind corona-müde. Und das gute Wetter gibt uns einen Hauch von Normalität zurück. Auch wenn es vielleicht nicht gut ist, so zusammen zu hocken.“
Auf dem Wasser ziehen zwei Stand-up-Paddler dort vorbei, wo sich vor einer Woche noch Menschen bei Minusgraden aufs Eis gewagt haben. Der Winter ist an diesem Tag weit weg und scheinbar auch das Virus.
„Wir vermissen unsere Freunde“
Erika Friedel und Alessia Sierich genießen die Sonne am Wasser. Die beiden 20 und 21 Jahre alten Freundinnen sind gerade 16 Kilometer gejoggt, und erholen sich nun. „Wir haben Anfang des Jahres angefangen, regelmäßig laufen zu gehen, um wenigstens etwas im Lockdown zu machen“, sagt Alessia Sierich. Beide jungen Frauen machen derzeit eine Ausbildung. Erika Friedel will Physiotherapeutin werden, sie ist gerade im Praktikum. Alessia Sierich hat es dagegen hart getroffen, der Ausbildungsbetrieb der angehenden Hotelfachfrau hat geschlossen. Was beide mit am meisten vermissen ist, sich wieder unbesorgt mit vielen Freunden zu treffen.

So wie in Treptow sieht es an diesem Sonnentag wohl in allen Berliner Grünanlagen aus. Auch in denen, die nicht in der Innenstadt liegen. In der Köllnischen Heide in Adlershof etwa sind die Bänke rar, so dass die Spaziergänger selten an einem Ort bleiben.
Die Wege sind noch aufgeweicht vom getauten Schnee. Trotzdem sind viele Menschen unterwegs, zu zweit, allein, mit Hund oder Walkingstöcken.
„Gerade bei dem Wetter merkt man, wie Corona nervt und was einem fehlt “
Gregor Weiser und sein zehnjähriger Sohn haben das Fahrrad gewählt. Auf einem Baumstamm haben sie Rast gemacht, um die mitgebrachten Stullen zu verzehren. „Gerade bei dem Wetter merkt man, wie Corona nervt und was einem fehlt “, sagt Weiser. Er meint die Cafés, in denen man bei so einem Wetter draußen sitzen könnte, Freunde und Bekannte, die er so lange nicht gesehen habe. Besonders sein Sohn leide unter den Kontaktbeschränkungen. Da sei es gut, dass die Schule wieder beginne.
Doch nicht nur Spaziergänger zieht es an diesem Tag nach draußen. Viele Autofahrer nutzen das schöne Wetter, um den Winterdreck von ihren Karossen waschen zu lassen. Bei Car Royal in Schöneweide stehen sie in langer Reihe. „Es ist so, als hätte die Waschanlage heute das erste Mal geöffnet“, sagt Britta Wiszorek, deren Auto an achter Stelle steht. Auch die Biker hat das schöne Wetter auf den Plan gerufen. Laut Polizei sollen sich auf der Spinnerbrücke an der Avus 300 bis 350 Motorradfahrer versammelt haben. Dort sei es auch zu vereinzelten Verstößen gegen die Infektionsschutzverordnung gekommen, heißt es. Die Polizei habe aber nicht großartig eingreifen müssen.
Die Sonne ist für viele Berliner - motorisiert oder nicht - ein triftiger Grund, ihre Wohnungen zu verlassen und ein wenig Normalität zu tanken.