Super-Puzzle mit 700 Riesenteilen: Warum ist der Aquadom in Berlin geplatzt
Mitte Dezember war das gewaltige Aquarium in einem Berliner Hotel geplatzt. Ingenieure unsicher, ob sie den Grund finden

Eine Flutwelle von einer Million Litern Wasser ergoss sich in das Hotel Radisson Blu und auf die Karl-Liebknecht-Straße in Berlin-Mitte: Das gewaltige Aquarium Aquadom in der Hotel-Lobby war geplatzt, fast alle 1500 Fische daraus gingen ein. Nur der frühen Morgenstunde war zu verdanken, dass es nur zwei Leichtverletzte gab. Seit dem 16. Dezember 2022 wird jetzt nach der Ursache des Unglücks geforscht. Vor allem in Bad Belzig, wo 700 Kunststoff-Bruchstücke in einer Lagerhalle untersucht werden.
Ein Ingenieursteam, beauftragt von den Eigentümern des Hotelgebäudes, setzt die Bruchstücke möglichst so zusammen, wie sie ursprünglich angeordnet waren. „Wir machen es wie bei einem Puzzle: Mit den Ecken fängt man an“, sagt Robert Kirchner.
Da ein Zylinder aber nun mal keine Ecken habe, verwendeten sie andere Merkmale und arbeiteten sich vom Rand zu Mitte vor.
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Je nach Form haben die Mitarbeiter den Teilen Spitznamen geben - wie „der Zahn“ oder „der Schwinger“, ein wellenförmiges Bruchstück.
Gemeinsam mit einem weiteren Ingenieur und mehreren Hilfskräften arbeitet Kirchner seit mehreren Monaten in Vollzeit an der Rekonstruktion des Aquariums. Unterstützung bekommen sie durch den Ingenieur und Kunststoffexperten Christian Bonten, der im regelmäßigen Austausch mit dem Team vor Ort steht.
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Ursachenforschung für die Versicherung
Bonten wird am Ende das Gutachten über die Unglücks-Ursache schreiben – das spielt auch eine Rolle bei der Kostenübernahme durch die Versicherung. Die Schadenserfassung sei „die Königsdisziplin“ der Ingenieure, sagt Bonten.
Dabei müsse man vorgehen wie ein Detektiv. In einem ersten Schritt wurde noch am Unfallort die genau Position der Bruchstücke bestimmt und eine Karte erstellt. Das erleichtere die Rekonstruktion in der Lagerhalle.

Dort wird der Zylinder – er war 16 Meter hoch, hatte einen Durchmesser von 11,5 Metern und einen Aufzugschacht – seit einigen Wochen Stück für Stück wiederhergestellt. Allerdings nicht in dreidimensionaler Form, sondern auf dem Boden liegend, als würde man ihn ausrollen, erklärt Bonten.
Bisher haben die Experten etwa die Hälfte der Bruchstücke erfasst. „Geduld ist nicht unbedingt ein Adjektiv, das mich beschreibt“, sagt Kirchner und lacht. Dabei braucht es für die Rekonstruktion des Aquariums eine Menge Geduld.
Jedes Bruchstück wird digital vermessen
Jedes Teil wird auf den Millimeter genau digital erfasst – Dicke und Krümmung des Acrylglases oder etwa Bruchlinien geben Aufschluss darüber, wohin das Bruchstück gehört. Stück für Stück setzt sich so das Puzzle zusammen. Parallel suchen die Ingenieure nach Auffälligkeiten an den Bruchstücken, die Rückschlusse auf die Ursache ermöglichen.

Können die Experten inzwischen schon etwas über Ursache des Platzens sagen? „Nein, wir machen hier Detektivarbeit und dürfen uns dabei nicht zu früh festlegen“, sagt Bonten. Eine Erklärung können sie zum derzeitigen Zeitpunkt demnach noch nicht bieten.
Die Ursache könne aber an vier unterschiedlichen Faktoren liegen: einer Fehlnutzung, einer fehlerhaften Konstruktion, einer fehlerhaften Herstellungsweise oder einem fehlerhaften Werkstoff.

Von einer Fehlnutzung spreche man etwa dann, wenn sich zu viel Wasser im Aquarium befunden hätte, erklärt der Ingenieur. Das könne aber im Fall des Aquadoms ausgeschlossen werden.
Potenzielle Schwachstellen sind laut Bonten prinzipiell die Fugennähte. Das sind die Stellen, an denen die einzelnen Teile des Aquariums während des Baus zusammengesetzt wurden. Denn bereits vor dem Unglück bestand der Zylinder nicht aus einem einzelnen großen Stück Acrylglas, sondern aus mehreren zusammengesetzten Teilen. Für das bloße Auge ist das kaum erkennbar.
Im Juli soll die Untersuchung abgeschlossen sein. Das Ergebnis ist offen, aber das Hotel noch zu
„Die Art und Weise, wie der Kunststoff an den Fugennähten, aber auch das Acrylglas selbst gebrochen ist, kann uns Hinweise auf den Schadenshergang geben“, erklärt Bonten. Bis Mitte Juli soll die Untersuchung abgeschlossen sein. Dass die Ursache des plötzlichen Auseinanderbrechens eindeutig festgestellt werden könne, kann Bonten nicht versprechen.

Für die Gebäudeeigentümer des Berliner Hotels, das in diesem Jahr noch nicht wiedereröffnen soll, steht inzwischen fest: Einen Aquadom 2.0 wird es in der Immobilie nicht geben. „Es war ein Besuchermagnet“, sagt Sprecher Fabian Hellbusch rückblickend. Der Bau eines neuen Beckens sei zu teuer. Eine Neugestaltung der Hotellobby sei in Planung.

Das Hotel ist nach wie vor geschlossen und werde auch 2023 nicht mehr öffnen, sagte Hellbusch. Das liege unter anderem daran, dass die Aufzüge stark beschädigt worden seien und nach wie vor nicht funktionierten.
Fische aus Neben-Aquarien haben fast alle überlebt
Eine positive Nachricht gibt es schon jetzt: Von den rund 630 Fischen, die aus anderen Becken im Untergeschoss gerettet werden konnten, haben fast alle überlebt. Sie sind in die Aufzuchtstation zurückgekehrt oder bei privaten Aquaristen sowie im Aquarium des Zoos untergekommen. Es gehe ihnen sehr gut, sagte eine Zoo-Sprecherin.