Streit um Berlins Nachtragshaushalt: Opposition bemängelt zu wenig Senats-Hilfe für kleinere Unternehmen
Wirtschaftssenator Stephan Schwarz drängt auf schnellere Entscheidungen des Bundes bei der Gaspreisbremse

Mehr Tempo bei der Gaspreis-Bremse. Diesen etwas paradoxen Wunsch äußerte der parteilose Wirtschaftssenator Stephan Schwarz gegenüber der Gaspreisbremse. Die Geschwindigkeit bei dem Vorhaben mache ihm Sorgen der dpa. „Jede Woche, die vergeht, kann Unternehmen ihre Existenz kosten – erst recht, wenn die Gaspreisbremse nicht vor Februar kommt.“
Energiepreisbremsen seien der wichtigste Hebel für die Entlastung der Wirtschaft in der aktuellen Krise. „Sie packen das Problem an der richtigen Stelle an.“ Auch die Übernahme des Dezemberabschlags bedeute für kleine und mittlere Unternehmen eine spürbare Entlastung.
Senator lobt Berlins 100-Millionen-Schutzschirm
Schwarz lobte die eigene Stadt: „Berlin hat mit seinem Liquiditätsfonds als erstes Bundesland einen 100-Millionen-Euro-Schutzschirm gespannt, um Unternehmen vor der Zahlungsunfähigkeit zu retten.“ Nun stehe Berlin bereit, weitere 200 Millionen Euro einzusetzen, um die Bundesmaßnahmen dort schnell finanziell zu begleiten, wo es nötig sei. Allerdings brauche man in dem Zusammenhang dringend Klarheit, wie der vom Wirtschaftsministerium geplante Härtefallfonds für Unternehmen konkret ausgestaltet sei.
Der Bund will Verbraucher von den hohen Energiepreisen mit einer Gas- und einer Strompreisbremse entlasten. Die Gaspreisbremse umfasst die Übernahme des Dezemberabschlags der Gasrechnung und im kommenden Jahr eine Deckelung des Gaspreises für einen bestimmten Verbrauch. Für die Industrie soll das ab Januar gelten, für Privatkunden ab Februar oder März.
Die Strompreisbremse soll zum 1. Januar 2023 entlastend wirken
Ergänzend ist auf Berliner Landesebene ein 1,6 Milliarden Euro schweres Hilfspaket zur Bewältigung der Energiekrise geplant. Finanziert wird es über einen Nachtragshaushalt, der in den kommenden beiden Wochen im Abgeordnetenhaus beraten und beschlossen werden soll. Die Opposition kritisiert zu geringe Hilfen für die Wirtschaft.
„Nur 200 Millionen Euro für Wirtschaftshilfen einzuplanen, wo es um Hunderttausende Jobs geht, vor allem in den Branchen, die auch schon unter Corona am stärksten litten, ist fahrlässig“, sagte FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja der. „Mit diesem Nachtragshaushalt hätte man die Chance gehabt, ein ‚Job-Sicherungs-Programm‘ aufzusetzen. Stattdessen hat man sich dafür entschieden, unseren ÖPNV mit falschen Subventionen an den Rand der Belastungsgrenze zu treiben.“
FDP sieht im Nachtragshaushalt ein nicht nachvollziehbares Chaos
Ohne Not fast 500 Millionen Euro für billigere Nahverkehrs-Tickets auszugeben, sei Unsinn. „Zeitgleich muss die BVG Bus- und U-Bahn-Takte ausdünnen, weil es an allem fehlt, nur nicht an Fahrgästen“, sagte Czaja. „Der Senat hat sich vollkommen verrannt und setzt im Schatten eines nahenden Wahlkampfes falsche Prioritäten.“ Der Nachtragshaushalt habe zwar ein ordentliches Volumen, räumte der FDP-Politiker ein. „In ihm herrscht allerdings ein nicht nachvollziehbares Chaos.“
Auch CDU-Fraktionschef Kai Wegner forderte Nachbesserungen. Die angedachten Wirtschaftshilfen seien viel zu gering. „Es gibt viel zu wenig Geld für den Mittelstand. Gerade Klein- und Mittelständler brauchen jetzt finanzielle Hilfen. Es geht um Tausende Arbeitsplätze in der Stadt“, so Wegner, der auch CDU-Landesvorsitzender ist.
„Wer unter gestiegenen Energiekosten leidet, höhere Rohstoffpreise zu verkraften hat, muss unterstützt werden“, forderte er. „In Berlin geben Klein- und Mittelständler Zehntausenden Arbeit. Kurzfristige Darlehen, Kredite oder Überbrückungshilfen der Investitionsbank Berlin könnten helfen, durch die nächsten Monate zu kommen.“
Eine halbe Milliarde für billige Tickets, nicht mal die Hälfte für notleidende Betriebe
Mit dem vom rot-grün-roten Senat vorgelegten, 2,6 Milliarden Euro umfassenden Nachtragsetat soll das 1,6 Milliarden Euro schwere Berliner Hilfspaket zur Bewältigung der Energiekrise finanziert werden. Hinzu kommen der Landesanteil an Bundeshilfen und andere zusätzliche Ausgaben. Am nächsten Mittwoch (9. November) berät der Hauptausschuss erstmals darüber. Nach der ersten Lesung im Plenum am 10. November und einer weiteren Ausschusssitzung am selben Tag will das Abgeordnetenhaus den Etat dann am 14. November beschließen.
Im Entwurf ist unter anderem eine halbe Milliarde Euro für vergünstigte Fahrscheine vorgesehen, darunter das bis mindestens März 2023 verlängerte 29-Euro-Ticket. Weitere 250 Millionen Euro stehen für die Unterstützung von Verbrauchern bereit, etwa für einen Härtefallfonds für Menschen, die ihre Strom- oder Gasrechnung nicht mehr bezahlen können. Der Posten „wirtschaftliche Hilfen für Unternehmen/Verstärkung Solarförderung“ umfasst dagegen nur 200 Millionen Euro.