Zu wenig Serum, Lieferprobleme
Stotter-Impfstart in den Hausarztpraxen: Was Berliner jetzt wissen müssen
Laut Bundesgesundheitsministerium sollte bereits am Dienstag mit der Impfung begonnen werden. Dabei wurden das Serum erst an diesem Tag in die Praxen geliefert.

Nun können bundesweit die Ärzte gegen das Coronavirus impfen. Laut Bundesgesundheitsministerium sollte dies schon ab Dienstag möglich sein. Zum Einsatz kommt das Serum von Biontech/Pfizer. 35.000 Praxen in Deutschland seien theoretisch startklar, hieß es beim Bundeshausärzteverband. Doch in der Praxis läuft der Impfstart mehr als schleppend an. So ist es auch in Berlin. Mit den ersten Biontech-Impfungen sei erst ab Mittwoch in den Praxen zu rechnen. Zunächst müssten die Hausärzte erst einmal mit den Dosen, die noch immer nicht in großen Mengen verfügbar seien, beliefert werden.
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Wie viele Impfdosen erhalten die Arztpraxen?
Zum Start würde jede Praxis 20 Biontech-Dosen pro Woche erhalten. „Das ist ein bisschen wenig“, sagt Ulrich Weigeldt, Chef des Bundesverbandes der Hausärzte. Jede Praxis könne durchaus bis zu 100 Patienten impfen, sagt er. Weigeldt rechne damit, dass im Laufe des Monats die Impfkampagne in den Praxen mehr Fahrt aufnehme, wenn genügend Impfstoff geliefert wird. Davon geht auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) aus.
Doch vorerst hätte Biontech angekündigt, in dieser und in der kommenden Woche bundesweit nur insgesamt 3,3 Millionen Dosen zu liefern. Laut Bundesgesundheitsministerium bekäme davon Berlin 146.250 Dosen, von denen auch ein Teil an die Impfzentren geht. Da Biontech zwei Mal geimpft werden muss, reicht die Menge rechnerisch für 73.125 Menschen. Erschwerend kommt nun dazu, dass am Dienstag ein Biontech-Transport mit 81.000 Dosen „wegen mutmaßlich technischer Schwierigkeiten aufgehalten worden ist“, wie die Senatsgesundheitsverwaltung mitteilte. In den Impfzentren an der Messe und in der Arena in Treptow mussten Termine verschoben werden.
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Wie viele Berliner Arztpraxen impfen?
Das ist derzeit unklar. „Da die Praxen ihre Impfdosen über die Apotheken bestellt haben, fehlt eine aktuelle Übersicht“, sagt Dörthe Arnold, Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin (KV). Man geht davon aus, dass etwa 1800 Praxen beim Impfen gegen Corona mitmachen. Die Ärzte hätten ihre Patienten darüber schon im Vorfeld informiert. „Denn wir mussten ja schon Terminlisten aufstellen, um zu wissen, wie viele Patienten für eine Impfung laut der Prioritätenliste infrage kommen“, sagt eine Ärztin aus Steglitz. „Denn das schnell verderbliche Biontech-Serum können wir nicht endlos lagern, es muss innerhalb von fünf Tagen verimpft werden.“
Wen darf der Hausarzt impfen?
Das seien in der Regel die über 80- bis 70-Jährigen. „Nicht alle haben ihre Impfmöglichkeit in den Impfzentren wahrgenommen und haben nur darauf gewartet, die Impfung in ihrer Hausarzt-Praxis zu bekommen“, sagt Wolfgang Kreischer, Chef des Berliner Hausärzteverbandes. Impfkandidaten sind laut Prioritätenliste des Bundesgesundheitsministeriums auch chronisch Kranke. „Wer von seinen Patienten infrage kommt, weiß jeder Arzt am besten und kann daher die Betroffenen zum Impfen in die Praxis telefonisch einladen“, sagt Kreischer.
Wie kommt der hochempfindliche Biontech-Impfstoff zu den Ärzten?
Er wird über den pharmazeutischen Großhandel an die Apotheken geliefert. Das Biontech-Serum wurde dafür am Dienstagmorgen in den Großhandelsdepots am Neuen Ufer in Moabit, in der Lengeder Straße in Reinickendorf sowie in der Marzahner Straße aus der wenigstens minus 60 Grad Celsius kalten Ultratiefkühlung genommen und in Kühlboxen bei höchstens acht Grad Celsius samt Impfzubehör an die Apotheken geliefert. Der Transport zur Arztpraxis erfolgt ebenfalls in einer Kühlbox, wobei die Ampullen keiner Erschütterung ausgesetzt werden dürfen. Laut Auskunft des Berliner Apotheker-Vereins lief die Verteilung am Dienstag in Berlin reibungslos. „Bisher wurden uns weder Klagen noch Zwischenfälle gemeldet“, so Geschäftsführerin Susanne Damer.
Können die Ärzte überhaupt den Impfstoff lagern?
Der Countdown für die Wirksamkeit des Biontech-Vakzin beginnt, sobald es die Ultratiefkühlung verlassen hat und endet nach fünf Tagen. In dieser Zeit muss der Impfstoff permanent unter acht Grad Celsius gehalten und von den niedergelassenen Ärzten verimpft werden. „Der Impfstoff kann problemlos in den Kühlschränken der Praxen gelagert werden“, sagt Berlins Hausärzteverbandschef Kreischer. Allerdings lagert dort in so manchen Praxen noch Astrazeneca. Etwa 200 Hausärzte Berliner nehmen seit März an dem Berliner Impfmodellversuch teil, wo bei dieser Impfstoff zum Einsatz kam. Laut der Gesundheitsverwaltung wurde von den 42.000 Dosen aber nur 3200 verimpft. Laut Bund soll aber nun vor allem Biontech statt Astrazeneca in den Praxen verwendet werden. „Die Restdosen werden wir an über 60-jährige Patienten auch ohne Priorität impfen, die das wollen“, sagt eine Ärztin.
Warum konnten Berliner Ärzte nicht sofort mit dem Impfen starten?
Vor einer Woche konnten Hausärzte den Biontech-Impfstoff bei ihren Apotheken bestellen. Wegen Ostern war davon auszugehen, dass das Serum erst nach den Feiertagen am Dienstag geliefert werden kann, so die Hausärzteverbände. Beim Berliner Landeschef Kreischer kam die Lieferung auch wie gewünscht bei seiner Apotheke an, wie er erklärt. Das war aber nicht überall so. Eine Arztpraxis in Steglitz erhielt die Mitteilung, dass die Lieferung erst am Mittwoch käme. Bei der Hausarzt-Praxis „Wannsee-Internisten“ blieb am Dienstagvormittag der Anruf der Apotheke über das Eintreffen der Ware aus. „Bereits bei der Bestellung hatte man uns erklärt, dass es wegen des knappen Impfstoffes zu Lieferschwierigkeiten kommen könnte“, sagt eine Praxis-Mitarbeiterin. Es sei ein Problem für Praxen, Impftermine vorzubereiten, wenn keiner wisse, wann genau das Serum kommt.
Laut des Apotheken-Vereins können die Arztpraxen jeweils dienstags bis 12 Uhr bei den Apotheken die Impfdosen für die Woche darauf ordern. Geliefert wird jeweils Montagnachmittag. Die Praxen sollen aber bis Donnerstag Bescheid erhalten, was in der Folgewoche kommt, um Impftermine möglicherweise noch verlegen zu können.