Stoppt das Münchner Urteil den Berliner Mietendeckel?
Befürworter und Gegner schärferer Gesetze streiten über die Folgen der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs.

Nach der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs gegen das Volksbegehren für einen sechsjährigen Mietenstopp in Bayern wird über die Folgen für den Berliner Mietendeckel gestritten. Die Gegner des Mietendeckels sehen sich durch das Urteil in der Auffassung bestärkt, dass die Bundesländer nicht die Kompetenz für eine Begrenzung des Mietanstiegs haben – und fordern Konsequenzen. Die Unterstützer des Mietendeckels sehen das jedoch ganz anders.
Die Linken-Politikerin und Juristin Halina Wawzyniak verweist darauf, dass nach Auffassung des Gerichts lediglich der „dem Volksbegehren zugrunde liegende Gesetzentwurf“ aus Bayern mit Bundesrecht offensichtlich unvereinbar sei. Diese Einschränkung sei nicht unerheblich, weil sich die Urteilsbegründung nur auf diesen Gesetzentwurf beziehe, nicht aber auf den Berliner Mietendeckel.
Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheine, biete das Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichts genügend Argumente, um zu begründen, warum der Mietendeckel in Berlin zulässig sei, meint Wawzyniak – sogar wenn die Maßstäbe des Bayerischen Verfassungsgerichts angelegt würden.
Einbindung in Gesamtkonzept gefordert
So habe das Bayerische Verfassungsgericht zwar festgestellt, dass der Gesetzentwurf für das Volksbegehren in Bayern nicht auf die Zuständigkeit der Länder für das Wohnungswesen gestützt werden kann. Doch werde dies damit begründet, dass es dem bayerischen Vorstoß „an einem öffentlich-rechtlichen Gesamtkonzept“ fehle.
Der Berliner Mietendeckel sei jedoch gerade in ein solches öffentlich-rechtliches Gesamtkonzept eingebunden. So werde in der Gesetzesbegründung zum Mietendeckel unter anderem darauf verwiesen, dass das Land Berlin „in den letzten Jahren zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Mieterinnen und Mieter ergriffen“ habe.
Etwa die im Jahr 2014 wieder aufgenommene Förderung des Neubaus von Sozialwohnungen, das Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung, bei dem ein bestimmter Anteil an Sozialwohnungen verlangt wird, die Umstellung der Berliner Liegenschaftspolitik und die Ausweisung von Milieuschutzgebieten.
Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hatte am Donnerstag das Volksbegehren für einen sechsjährigen Mietenstopp in Bayern für unzulässig erklärt. Nach Auffassung der Richter ist der dem Volksbegehren zugrunde liegende Gesetzentwurf mit Bundesrecht „offensichtlich unvereinbar“.
Die Verfassungsrichter meinen zudem, dass der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit für das bürgerliche Recht bereits erschöpfend Gebrauch gemacht habe. Der Berliner Mietendeckel entspricht allerdings öffentlichem Preisrecht, welches das bürgerliche Recht, also Mietverträge zwischen Mieter und Vermieter, regulieren soll.
Härtefall-Fonds gefordert
Die CDU sieht sich durch das Urteil aus Bayern darin bestätigt, dass die Bundesländer keine Gesetzgebungskompetenz für einen Mietendeckel besitzen. „Daher können wir so gut wie sicher davon ausgehen, dass auch das Berliner Mietendeckelgesetz nichtig ist“, sagt der CDU-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus Burkard Dregger. Er spricht sich dafür aus, einen Härtefall-Fonds für Mieter aufzulegen, die im Fall „der zu erwartenden Entscheidung des Verfassungsgerichts“ über den Mietendeckel Geld nachzahlen müssen, ohne Rücklagen gebildet zu haben.
Der AfD-Abgeordnete Harald Laatsch forderte den Senat auf, nach der Entscheidung des bayerischen Verfassungsgerichts die zweite Stufe des Mietendeckels, die Mietabsenkung, gar nicht in Kraft treten zu lassen. Der Immobilienverband BFW geht sogar noch einen Schritt weiter und fordert, „die Anwendung des Gesetzes bis zu einer abschließenden rechtlichen Klärung auszusetzen“.
Zu dieser Frage hatte sich allerdings das Bundesverfassungsgericht bereits im März geäußert, als es einen Eilantrag, mit dem die Bußgeldvorschriften des Mietendeckels vorläufig außer Kraft gesetzt werden sollten, ablehnte. Solle ein Gesetz außer Kraft gesetzt werden, gelte ein strenger Maßstab, entschieden die Richter. Danach seien die Nachteile, die sich aus einer vorläufigen Anwendung der Bußgeldvorschriften ergeben, wenn sich das Gesetz im Nachhinein als verfassungswidrig erwiese, zwar von besonderem Gewicht. „Sie überwiegen aber nicht deutlich die Nachteile, die entstehen würden, wenn die Bußgeldvorschriften außer Kraft träten, sich das Gesetz aber später doch als verfassungsgemäß erweisen würde“, so das Gericht.
Der am 23. Februar in Kraft getretene Mietendeckel sieht vor, dass die Mieten auf dem Niveau vom 18. Juni 2019 eingefroren werden. Ab dem 23. November 2020 ist darüber hinaus eine Miete verboten, die die festgelegten Höchstgrenzen um mehr als 20 Prozent überschreitet.
Gegen den Mietendeckel liegen Klagen vor dem Landesverfassungsgericht und dem Bundesverfassungsgericht vor, unter anderem von CDU und FDP. Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) geht davon aus, dass der Mietendeckel „einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten wird.“