Eine Passantin geht an sechs in den Boden eingelassenen Stolpersteinen zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus vorbei.   
Eine Passantin geht an sechs in den Boden eingelassenen Stolpersteinen zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus vorbei.    Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Insgesamt  56 Stolpersteine liegen in der Berliner Wilhelmstraße, in der das Auswärtige Amt von 1870 bis 1945 seinen Dienstsitz hatte. Sie sollen an NS-Opfer unter den Diplomaten erinnern. Doch bei einigen Steinen kommen Zweifel auf – die  hier geehrten Diplomaten könnten Sympathisanten der Nazis gewesen sein. 

Nazistmpathisamten machten später Karriere

Der „Spiegel“ berichtet konkret über  vier fragwürdige Steine. Darunter der des Legationsrats Vollrath von Maltzan. Er wurde wegen der jüdischen Abstammung seiner Mutter 1938 aus dem diplomatischen Dienst entlassen.„ In der Folge arbeitete Maltzan jedoch bei dem für die Ausbeutung von KZ-Häftlingen berüchtigten Chemiekonzern I.G. Farben. Von 1939 bis 1942 erhielt er erneut eine Beschäftigung im NS-Außenministerium“, so „Spiegel“. Bei der Mehrheit der Diplomaten, für die Stolpersteine verlegt wurden, sei es außerdem nicht um Hinrichtung oder Deportation gegangen, sondern nur um die Versetzung in den Zwangsruhestand. Später machten einige von ihnen in der BRD weiter Karriere. 

Die Recherche des „Spiegel“ ergab, dass unter den Geehrten weitere Nazisympathisanten seien, zum Beispiel Georg von Broich-Oppert, der ab 1939 im IG-Farben-Konzern Abteilungsleiter war, oder Alfred Lütgens, persönlicher Referent des Militärbefehlshabers in Posen.

Der Berliner Künstler Gunter Demnig verlegt Stoplersteine.
Der Berliner Künstler Gunter Demnig verlegt Stoplersteine. epd

Auswärtiges Amt soll Vergangenheit weiter aufarbeiten 

Der Initiator der Stolpersteine, der  Künstler Gunter Demnig, fordert nun das Auswärtige Amt zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit der Diplomaten auf. „Das Außenministerium ist in der Pflicht, die Fälle zu untersuchen“, sagte Demnig dem Nachrichtenmagazin, „es ist peinlich, dass das noch nicht passiert ist.“ Als die Steine vor einem Jahr verlegt wurden, habe man sich auf die Angaben des Amtes verlassen, wird Demnig zitiert. „Wenn sich der Verdacht erhärtet, reißen wir sie wieder heraus.“

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Das Auswärtige Amt betonte dem „Spiegel“ zufolge, die Verlegung der Stolpersteine habe eine Gruppe von Mitarbeitern ehrenamtlich und ohne Weisung des Ministeriums organisiert und weist so jede Verantwortung von sich. 

Nicht immer sind Biografien ehemaliger Funktionsträger leicht zu recherchieren, erst 2010 hatte das Amt einen Bericht einer unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung der Geschichte des Auswärtigen Amtes veröffentlicht. Die Historikerin Annette Weinke hat daran mitgearbeitet. 

 „Auch eine Rolle spielt, dass die sogenannten Ehemaligen versucht haben, nach 1945 ihre Lebensläufe zu glätten und zu schönen. Da haben sie auch tatkräftige Mithilfe von den anderen Ehemaligen bekommen.“ Der Fall Broich-Oppert sei ein prägnantes Beispiel dafür, erklärte die Historikerin Annette Weinke im Sommer im Deutschlandfunk.

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„Aus den Akten des alten Amtes geht sehr klar hervor, dass Georg von Broich-Oppert  Anfang der 30er-Jahre in seiner Rolle als Legationssekretär in Wien ein enger Verbindungsmann zur illegalen österreichischen SA-Führung war. Deswegen haben sich auch hochrangige SA-Führer für ihn stark gemacht, als er nicht in der Lage war, den sogenannten Ariernachweis zu erbringen. Er machte nach 1949 eine steile Karriere im neuen Auswärtigen Amt. In den Akten des neuen Amtes findet sich aber wiederum über diese Geschichte nichts.“ Broich-Oppert war 1946 bis 1951 Mitglied der Berliner Stadtverordnetenversammlung und stellvertretender Bezirksbürgermeister von Berlin-Schöneberg.

1952 kehrte er  in den diplomatischen Dienst zurück und wurde Gesandter der Bundesrepublik Deutschland in Norwegen (Oslo). 1956 wurde er ständiger Beobachter im Range eines Botschafters bei den Vereinten Nationen in New York City. 1958 wurde er Personalchef des Auswärtigen Amtes in Bonn.