Carsharing
Stecker gezogen: Share Now nimmt Elektroautos in Berlin aus dem Programm
Das Unternehmen beklagt schlechte Rahmenbedingungen und eine unzureichende Ladeinfrastruktur. Die Senatsverkehrsverwaltung widerspricht, das Ladeproblem bleibt.

Sie gehörten zu BMWs Mitgift bei der Fusion der Carsharing-Tochter Drivenow mit dem Autoverleiher Car2go von Daimler zum Gemeinschaftsunternehmen Share Now: Weit über hundert strombetriebene BMW i3, die in Berlin zum Verleih mit Minutenabrechnung zur Verfügung standen. Doch das ist vorbei. Share Now hat die Elektrofahrzeuge in Berlin komplett aus dem Programm genommen. Wer in der Stadt ein Auto von Share Now nutzen will, kann nur noch zwischen einem Benziner oder Diesel wählen. Verkehrswende rückwärts.
„Wir können bestätigen, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt leider keine Elektrofahrzeuge mehr in unserer Berliner Flotte haben“, heißt es im Firmensitz von Share Now in der Brunnenstraße in Mitte. Begründet wird die Entscheidung einerseits mit abgelaufenen Leasingverträgen. Außerdem könne man „am Standort Berlin leider aktuell nicht auf die nötigen Voraussetzungen zurückgreifen, um eine teil-elektrische Fahrzeugflotte nachhaltig erfolgreich betreiben zu können“, sagt Kathrin Amthor von Share Now. Das Unternehmen sei auf vorteilhafte Rahmenbedingungen angewiesen.
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Tatsächlich geht es in diesem Punkt vor allem um die Kosten. Insbesondere das Parken im öffentlichen Raum ist teuer. Nach eigenen Angaben fielen für die Berliner Flotte mit insgesamt 1900 Fahrzeugen monatlich wenigstens 200.000 Euro an. Also hoffte man bei Share Now, die Kosten wenigstens zum Teil durch Anwendung des Elektromobilitätsgesetzes reduzieren zu können, welches kostenfreies Parken von Elektrofahrzeugen ermöglicht. Und in der Tat erheben beispielsweise Hamburg und München im Sinne dieses Gesetzes keine Parkkosten für Elektrofahrzeuge.
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Der tägliche Wohn-Wahnsinn in Berlin
Share Now macht nach wie vor große Verluste
In der Berliner Senatsverkehrsverwaltung beißt der Autoverleiher jedoch auf Granit. Sinn der Parkraumbewirtschaftung sei es, Verkehrsberuhigung in Wohnquartiere zu bringen und den Parksuchverkehr von außen erheblich zu mindern, so ist zu erfahren. Kostenloses Parken würde dem widersprechen. „Verkehrspolitisch wäre dies ein falscher Anreiz, der zu mehr Autoverkehr statt zu seiner Vermeidung beiträgt“, sagt Verkehrsverwaltungssprecher Jan Thomsen. Klartext: „Kostenloses Parken in Berliner Parkraumbewirtschaftungszonen für E-Autos wird derzeit nicht ermöglicht.“
Für Share Now sind die Kosten allerdings ein riesengroßes Problem. Denn bis heute steckt das BMW-Daimler-Unternehmen tief in den roten Zahlen. Erst zu Jahresbeginn hatte Share Now das Sharing-Geschäft in den USA, in Kanada sowie in London, Brüssel und Florenz mit Verweis auf zu hohe Betriebskosten eingestellt. Danach ließ die Corona-Pandemie die Verluste steigen, weil die Nutzung der Autos vielerorts um bis zu 70 Prozent zurückging.
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In den Konzernzentralen in München und Stuttgart haben die Mobilitätsdienste inzwischen einen schweren Stand. Corona und Transformation kosten Milliarden, Sparprogramme sind angekündigt. Da sind verlustreiche Sparten schwer zu vermitteln. Daimler-Chef Ola Källenius stellte bereits im Sommer klar: „Perspektivisch müssen die Cashflows aber auch dort positiv werden, sonst werden wir reagieren.“ Wenig später war von einem Teilverkauf die Rede. Mit dem US-Unternehmen Uber soll bereits über den Verkauf des Taxisdienstes Free Now gesprochen worden sein. Dass auch die Carsharing-Division Share Now verkauft wird, will Stefan Batzel, Direktor des Center of Automotive Management an der Fachhochschule Bergisch-Gladbach, nicht ausschließen. „Die Phase des Experimentierens beim Carsharing scheint vorbei“, sagt er im Gespräch mit der Berliner Zeitung. „Der Ruf nach einem schnellen Return on Invest wird immer lauter.“
Aktuell gibt es 1150 Ladepunkte in Berlin
Wenngleich für Share Now also die fehlende Profitabilität das größte Problem zu sein scheint, so begründet das Unternehmen die Ausmusterung seiner E-Fahrzeuge in Berlin auch mit dem Zustand der hiesigen Ladeinfrastruktur. Für den Betrieb sei das Vorhandensein einer öffentlichen dezentralen Ladeinfrastruktur mit einer ausreichenden Anzahl an verfügbaren Ladepunkten entscheidend. Auch hier könne man in Berlin nicht auf die nötigen Voraussetzungen zurückgreifen.
Kritik, die man in der Senatsverkehrsverwaltung nicht nachvollziehen kann. Das decke sich aus Sicht der Verwaltung nicht mit den Fakten, sagt Sprecher Thomsen. „Berlin hat gemeinsam mit München und Hamburg die weitaus meisten Ladepunkte im öffentlichen Raum zu bieten“, sagt er und verweist auf die Zahlen: Berlin hat im öffentlichen und halböffentlichen Raum aktuell 1150 Ladepunkte, München 1247, Hamburg 1096, Düsseldorf 247 und Köln 240.
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So weit, so gut. Setzt man aber die Zahl der Ladepunkte zum Bestand an reinen Elektroautos ins Verhältnis, rutscht Berlin ab. Auf Basis der jüngsten offiziellen Bestandszahlen des Kraftfahrt-Bundesamts kommen damit in München 1,2 E-Autos auf einen Ladepunkt, in Hamburg sind es 3,1 und in Berlin schon 4,2 Fahrzeuge. Zählt man die von Januar bis Oktober neu zugelassen Elektroautos hinzu, kommen in Berlin aktuell fast sieben Autos auf einen Ladepunkt. Aber selbst das stimmt nicht. Denn allein Volkswagen hat bei seiner Carsharing-Tochter We Share insgesamt 1500 Elektro-Golf in Berlin im Einsatz, die aber nicht in der hiesigen Statistik auftauchen, weil die Fahrzeuge (wegen des Kennzeichens WE) in Weimar zugelassen sind.
VW lädt seine Autos nachts vor Supermärkten
Somit kommen aktuell in Berlin mehr als acht E-Autos auf einen Ladepunkt, und Besserung ist kaum in Sicht. Zwar ist in Berlin bis 2022 der Ausbau auf rund 2000 Ladepunkte geplant, doch dürfte bis dahin auch die Zahl der E-Autos in Berlin auf vielleicht 15.000 gewachsen sein. Eine aktuelle Studie des Energiekonzerns Eon attestiert den Berlinern jedenfalls eine deutliche E-Auto-Affinität. 73 Prozent der befragten Berliner können sich demnach die Anschaffung eines reinen E-Autos vorstellen. Bundesweit sind es nur 64 Prozent.
Bleibt die Frage, wo der Carsharer We Share von VW seine 1500 E-Golf in der Stadt nachlädt. Tatsächlich nutzt man ebenfalls ausschließlich die öffentliche Ladeinfrastruktur. Etwa alle zwei bis vier Tage müssen die Autos für bis zu vier Stunden an die Dose. Per Vereinbarung kann VW dafür nachts die 140 Ladepunkte an Kaufland- und Lidl-Supermärkten der Stadt exklusiv nutzen.