Stadtbad Steglitz: Bald ist Schluss mit dem Dornröschenschlaf
Jahrelang stand das Stadtbad Steglitz leer, jetzt packt das Land Berlin die Immobilie an. Ab nächster Woche können Interessenten ihre Ideen einreichen.

S-T-A-D-T-B-A-D: In großen blauen Lettern weist ein Schild in der Steglitzer Bergstraße auf das alte Stadtbad hin. Doch wer um die Ecke biegt, erkennt auf den ersten Blick, dass hier schon lange kein Badebetrieb mehr herrscht. Der längliche Innenhof, der zum Eingang des Bades führt, ist verwildert, die Backsteinmauern sind mit Graffiti übersprüht, die Fensterscheiben zerborsten. Nun will die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) als Eigentümerin das Bad auf Vordermann bringen. Am kommenden Montag ein Interessensbekundungsverfahren, bei dem erste Ideen eingesammelt werden sollen.
Längerfristiges Ziel wird es sein, das Bad zu revitalisieren und für eine öffentliche Nutzung fit zu machen. Das Interessensbekundungsverfahren, derzeit das einzige der BIM, ist hierfür der Auftakt.
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Im Inneren des Bades setzt sich das verlotterte Bild fort: Der Putz an den tragenden Säulen ist abgeschlagen, aus dem rohen Beton ragen verrostete Drähte, manchmal zeigen sich sogar Teile der nackten Stahlträger. Lose Kacheln liegen verstreut über dem Boden, Spinnweben in jeder Ecke. Von seiner opulenten Substanz hat der Bau hingegen, allen voran die Schwimmhalle, nichts eingebüßt: Mit ihrer imposanten Halbkuppel über dem Beckenende wirkt sie fast wie ein sakraler Raum. Die geschwungenen Jugendstil-Türrahmen und das schmiedeeiserne Geländer, welches das Becken eine Etage höher umfängt, zeigen, mit wie viel Detailliebe das Schwimmbad 1908 erbaut wurde. Hier tummeln sich Fische, Muscheln, Hummer - und verweisen ebenfalls auf die ehemalige Nutzung.
Mit der Schließung des öffentlichen Bads im Jahre 2002 (sein Betrieb war zu teuer geworden), hat dann sein Verfall eingesetzt. Für einen symbolischen Euro ging das Bad 2004 an Gabriele Berger, die es mit der Auflage, es zu sanieren und binnen 10 Jahren wiederzueröffnen, übernahm. In dieser Zeit wurde das Café Freistil eröffnet, Theateraufführungen und Opernevents fanden im entleerten Schwimmbecken statt - nur eben eines nicht: ein erneuter Schwimmbetrieb.
Imposante Halbkuppel über dem Beckenende
Und so fand die Immobilie 2016 wieder zurück in die Hände der Öffentlichkeit, genauer gesagt in den Bestand der BIM, die mehr als 5000 Gebäude und Grundstücke in der Hauptstadt betreut. Seither wurde die Immobilie vor allem für Filmdrehs und Fotoshootings vermietet. Mit dem Interessensbekundungsverfahren soll sie nun aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt werden. Hinter dem sperrigen Begriff steht „ein erster, niedrigschwelliger Schritt“, wie Johanna Steinke von der BIM erklärt, „bei dem wir quasi auf den Busch klopfen, und sondieren, wer die Immobilie wieder in Stand setzen und mitgestalten möchte.“
Bis zum 18. Dezember läuft das Verfahren, für das bereits erste, grobe Ideen eingereicht werden können. Danach wird ein Gremium aus Senatskulturverwaltung, Bezirk Steglitz-Zehlendorf und BIM mehrere Gutachten in Auftrag geben. Unter anderem sollen Schadstoffwerte analysiert und müsse genau geprüft werden, für welche Teile des Baus der Denkmalschutz gilt, und welche davon ausgenommen sind. Letzteres wird aller Wahrscheinlichkeit nach einen Bereich im 1. OG betreffen, in dem sich ein kleines Fitnesscenter befand, Linoleum-Fußboden, Spiegelwand und Ballettstange sind davon heute noch erhalten.
Von höherem denkmalhistorischen Wert dürfte - neben der Schwimmhalle mit ihrem Gewölbe - hingegen das russisch-römische Dampfbad von 1906 sein. Hier wacht immer noch ein Mosaik-Krake über dem Abkühlbecken, die Kapitelle der Marmorsäulen bestehen aus kupfernen Seepferdchen und Jakobsmuscheln. Wird dieser Bereich künftig vielleicht dem Babyschwimmen zur Verfügung stehen? Denn, eine verpflichtende Vorgabe für die künftige Nutzung gibt es: Irgendwo im gesamten Komplex muss Baby- und Kinderschwimmen stattfinden können.
Diese Bedingung kann eine Hürde für den künftigen Investor darstellen, die es zu nehmen gilt, zumal für das gesamte Gebäude enormer Sanierungsbedarf besteht: Eine erste Grobkostenschätzung, die alleine die Kosten für die Wiederherstellung von Wasseraufbereitung, Entfeuchtung und Lüftung umfasst, kommt auf rund 550.000 Euro. Hinzukommen natürlich die Kosten für bauliche Maßnahmen. Über die Aufteilung der Kosten mit dem künftigen Betreiber wird indes noch zu verhandeln sein.
Kein Wellnesstempel mit 40 Euro Tages-Eintritt
Bei der BIM ist man frohen Mutes, dass der Markt Ideen für eine teilweise Wiederaufnahme eines Schwimmbetriebes entwickelt. Auch Cerstin Richter-Kotowski, Bezirksbürgermeisterin von Steglitz-Zehlendorf, freut sich über den Gedanken, dass dem Steglitzer Kleinod bald neues Leben eingehaucht werden könnte: „Es wäre sehr schön, wenn dort bald wieder Kinder schwimmen lernen können.“
Finden sich vielversprechende Anwärter im Interessenbekundungsverfahren, will die BIM Stufe 2 zünden - ein Konzeptverfahren. In dieser entscheidenden Runde müssen alle Interessenten dann ein ausgeklügeltes Nutzungskonzept vorlegen, Finanzierungsplan inklusive. Daran beteiligen dürfen sich auch Vertreter, die noch nicht am Interessenbekundungsverfahren teilgenommen haben - welches übrigens das einzige derartige Verfahren ist, das momentan stattfindet. Wer dann den finalen Zuschlag für die Bewirtschaftung des Gebäudes erhält, wird einen Erbbaupachtvertrag mit der BIM abschließen können - monatlicher Erbzins und Vertragsdauer werden auch dann im Abschluss erst verhandelt
Dadurch, dass die BIM ihre Liegenschaftspolitik verändert hat und seit 2016 keine Objekte, ausgenommen Splitter- und Arrondierungsflächen, mehr veräußert, haben nun auch potentielle Interessenten mit wenig Geld mehr Chancen: „Wer früher den höchsten Preis für ein Objekt geboten hat, hat es auch bekommen“, führt Steinke aus, „jetzt zählt viel stärker ein gutes, stimmiges Konzept, das einen Mehrwert für den Bezirk stiftet.“ Ein Wellnesstempel mit 40 Euro Tages-Eintritt kommt da wohl eher nicht in Frage.