Soll Berlin bis 2030 klimaneutral werden? – Der große Überblick zum Volksentscheid am 26. März
Das Vorhaben ist ambitioniert aber nicht unmöglich, sagt das Bündnis „Klimaneustart in Berlin“. Aus der Industrie kommt Gegenwind.

Die Plakate in rot und grünverkünden es seit Wochen. „Der Politik Ziele setzten“, steht da. Konkret geht es um ein ziemlich ehrgeiziges Ziel, das da gesetzlich verankert werden soll. Berlin soll bis zum Jahr 2030 klimaneutral werden. Ob das Ziel Gesetz wird, darüber stimmen die Berliner am 26. März per Volksentscheid ab. Der KURIER erklärt, wo25 Prozent der Wahlberechtigten sind das Qorum, das sind 613 000 Ja-Stimmen, die benötigt werden.
„Wie soll das gehen?“, „Wie wollt ihr das machen?,“ werden die Unterschriftensammler auf der Straße häufig gefragt. Bei einer Pressekonferenz zum Wahlkampfauftakt des Bündnisses Klimaneustart Berlin am Dienstag sollten Antworten gegeben werden.
Ziel des Volksentscheids
Ziel des angestrebten Gesetzes ist es, die Berliner Politik dazu zu verpflichten, das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens ernst zu nehmen und einzuhalten. Dazu müssten die bisherigen Anstrengungen in Sachen Klimaschutz deutlich beschleunigt werden, so das Bündnis.
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Stellschrauben in verschiedenen Bereichen müssen dazu auf „grün“ gedreht werden. Der Gesetzesentwurf sieht allerdings keine konkreten Maßnahmen vor, diese sollen im Dialog erarbeitet werden. Maßnahmen und Technologien seien vorhanden, was fehle sei der politische Wille.
So soll Berlin bis 2030 klimaneutral werden
Erster und zentraler Bereich: Energieversorgung Berlin soll seine Energie zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien bereitstellen. In Zusammenarbeit mit Brandenburg könne dies gelingen, so Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group. „Das Verbrennen von Erdöl, Erdgas und Kohle muss schnell beendet werden. “
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Dazu sollten Fassaden, Dächer, Dächer für Radwege und Anbauflächen für Lebensmittel mit Photovoltaikanlagen ausgerüstet werden. Die Erzeugung von Strom aus Windkraft vor allem in Brandenburg müsste von derzeit 9 auf 12 Gigawatt gesteigert werden. Kleine, dezentrale Energieerzeuger aus Biomasse und mit Geothermie könnten Schwankungen ausgleichen, ebenso große Batterien in Fahrzeugen des öffentlichen Personennahverkehrs. In Kombination mit Energiesparmaßnahmen kann Berlin zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien versorgt werden, so Fell.
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Mit 112 Milliarden Euro Kosten rechnet das Bündnis für die Klimawende. Das wären 20.000 Euro pro Kopf der Berliner und Brandenburger.
Zweiter großer Sektor: der Verkehr. Hier sind Ansätze mit dem Mobilitätsgesetz bereits sichtbar. Verkehrsberuhigte Kiezblocks, eine autofreie Innenstadt und etwa die Hälfte weniger an PKW in der Stadt können hier den Unterschied machen. Berlin wäre nicht die einzige Stadt mit Ambitionen: über 100 europäische Städte haben sich dem Ziel, bis 2030 klimaneutral zu sein, ebenfalls verpflichtet. Darunter Paris, Mailand, Brüssel, Rom, Helsinki, Kopenhagen und viele weitere. Über 80 Kommunen in Deutschland wie etwa Aachen, München, Münster und andere verfolgen das gleiche Ziel.
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Dritter Bereich: Gebäudesanierung. Mit einer nachträglichen Gebäudedämmung ließen sich jedes Jahr 2,5 Millionen Tonnen CO2 einsparen, erklärt Arnold Drewer vom IpeG-Institut. Die Investitionen hätten sich bereits nach wenigen Jahren wieder amortisiert. Das Argument des Fachkräftemangels lässt er nicht gelten. Die Technik ließe sich in ein bis zwei Wochen erlernen. Dämm-Material werde sogar lokal in Berlin produziert - aus Zeitungen nämlich. „Gut sanierte Altbauten sind die günstigsten Energiespeicher“, so Drewer.
Unternehmer kritisieren Vorhaben „Berlin klimaneutral 2030 “
Aus Berlins Wirtschaft regt sich Kritik am Vorhaben des Bündnisses „Berlin 2030 klimaneutral“. Der Hauptgeschäftsführer des Unternehmerverbandes Christian Amsinck: „Den Berlinerinnen und Berlinern vorzugaukeln, die Hauptstadt könne bis 2030 klimaneutral werden, ist unredlich. Das Ziel ist schlicht nicht erreichbar.“ Amsinck bezweifelt, dass es möglich sei, innerhalb von sieben Jahren aus sämtlichen fossilen Quellen zur Energiegewinnung auszusteigen.
Milliarden Euro Kosten für klimaneutrales Berlin
Grob geschätzt geht der Unternehmerverband von nötigen Investitionen von mehreren hundert Milliarden Euro aus – von den fehlenden Fachkräften ganz zu schweigen. Keine vergleichbare Großstadt in Europa halte die Klimaneutralität bis 2030 für machbar. Die Informationen zur Wahl hält Amsinck für zu wenig detailliert, angesichts der Komplexität der Fragen.
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Klimaschutz sei eines der wichtigsten Ziele für Industrie und Wirtschaft. Die Unternehmen in der Hauptstadtregion richteten Geschäftsmodelle, Produkte und Verfahren längst darauf aus. „Aus Berlin kommen innovative Züge und Elektroautos, Maschinen für die Produktion von Solarzellen, Elektrolyseure für die Wasserstoff-Wirtschaft und vieles mehr. Immer mehr Betriebe stellen um auf erneuerbare Energien und steigern die Effizienz in der Produktion.“ Niemandem sei aber damit gedient, ein objektiv unrealistisches Ziel wie die Klimaneutralität 2030 gesetzlich festzulegen.“
Volksentscheid am 26. März - so funktioniert es
Auf berlin.de sind die allgemeinen Informationen zum Volksentscheid einzusehen. Auch ein Muster des Stimmzettels und die amtliche Infobroschüre kann man dort herunter laden.
Beim Volksentscheid am 26. März ist ebenfalls Briefwahl möglich. Nach Angaben des Bündnisses haben bis jetzt bereits 50.000 Menschen die Unterlagen angefordert.
In Abstimmungslokalen können die Briefwahlunterlagen bereits seit dem 13.2. abgegeben werden. Unter dem Link können Wähler das für sie zuständige Wahllokal finden.