Safak Yüreklik, Künstlerin und Inhaberin vom Atelier „Die dritte Hand“, zeigt umgestaltete und gebrauchte Kleidung.
Safak Yüreklik, Künstlerin und Inhaberin vom Atelier „Die dritte Hand“, zeigt umgestaltete und gebrauchte Kleidung. Pleul/dpa

Müll gehört auf den Müll? Muss nicht sein. Eine Berlinerin macht jetzt aus dem, was eigentlich weg kann, etwas, das jeder haben will. Ohrringe, Taschen, Haarspangen, Schmuckdosen.

Paketbänder aus Plastik, Getränkedosen-Verschlüsse, Kronkorken, Teile von Shampooflaschen, Katzenfutterverpackungen oder alte Kopfhörer – aus all diesen Materialien, die viele einfach in den Müll werfen, macht Safak Yüreklik neue Gebrauchsgegenstände. „Die Kunst ist das Design, also die Sachen so umzugestalten, dass man nicht unbedingt sieht, was es ursprünglich war“, erklärt sie.

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Aus ausgedienten Kofferbändern oder Rucksackträgern entstehen mit Nieten verzierte Gürtel, Plastik-Wurstverpackungen werden unter den geschickten Händen der Künstlerin zu Geldbörsen oder Besteckbehältern, Kapuzen zu Handtaschen.

Hier ist ein umgestaltetes T-Shirt zu sehen.
Hier ist ein umgestaltetes T-Shirt zu sehen. Pleul/dpa

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„Die dritte Hand“ nennt die Künstlerin ihr Label. „Kunden sind oft verblüfft, wie aus schon einmal gebrauchten Sachen Neues entsteht. Doch jeder kann etwas dafür tun, Müll zu reduzieren“, erklärt Yüreklik ihre Mission.

Zweieinhalb Jahre hat sie in ihrem Atelier am Bahnhof Altlandsberg (Märkisch-Oderland) gearbeitet – bis es der vielseitigen Künstlerin jetzt zu klein wurde. „Ich möchte schweißen, liebe Lampen aus gebrauchten Metallteilen, will Möbel aus Holz machen – dafür ist hier zu wenig Platz.“

In Italien entdeckte die Künstlerin das Upcycling von Möbeln

In Briesen (Oder-Spree) richtet sie sich eine neue Werkstatt ein. In Woltersdorf (Oder-Spree) will sie zudem Workshops zum sogenannten Upcycling anbieten.

Umweltbewusst zu leben, mit Ressourcen schonend umzugehen, hat Yüreklik von klein auf gelernt. „Als ich erstmals vom Waldsterben hörte, entschied ich mich bewusst, nicht zur Umweltverschmutzung beitragen zu wollen und Plastik nicht einfach in den Müll zu werfen“, erinnert sich die 51-Jährige.

Willkommen im Modereich von Safak Yüreklik, Künstlerin und Inhaberin vom Atelier „Die dritte Hand“.
Willkommen im Modereich von Safak Yüreklik, Künstlerin und Inhaberin vom Atelier „Die dritte Hand“. Pleul/dpa

In Berlin, wo die gebürtige Türkin aufgewachsen ist, hat sie zunächst eine Ausbildung zur Gas-Wasser-Installateurin gemacht, um später thermische Solaranlagen zu bauen. „Das habe ich ab 1998 auch tatsächlich in Italien gemacht, entdeckte dort aber auch das Upcycling von Möbeln und probierte mich aus.“

Auf Luxus zu verzichten und aus gebrauchten Dingen etwas Neues zu machen hat die Lebenskünstlerin auf ihren Reisen gelernt, wie sie beschreibt. Italien, die Kanaren, Ibiza, das spanische Festland und die Türkei waren Stationen der Künstlerin, bevor sie 2016 nach Deutschland zurückkehrte.

„Die Mieten in Berlin sind inzwischen nicht mehr bezahlbar“

Unterwegs lernte sie Schmuckstücke aus nicht mehr Gebrauchtem zu machen, Kostüme und Masken für Tanzvorstellungen zu fertigen. „Im Ausland wird zwar viel weggeworfen, es gibt aber auch Leute, die vom Müll leben“, deutet sie an. Die Corona-Pandemie habe sie zum Neuanfang gezwungen. Yüreklik gründete ihr Label „Die dritte Hand“, zog dafür nach Altlandsberg. „Die Mieten in Berlin sind inzwischen nicht mehr bezahlbar“, begründet sie diesen Schritt.

Im Atelier der Künstlerin Safak Yüreklik hängen verschiedene Kostüme.
Im Atelier der Künstlerin Safak Yüreklik hängen verschiedene Kostüme. Pleul/dpa

Ihre Kunst bietet sie online und auf verschiedenen Märkten in Berlin zum Verkauf an. Künftig will sich die 51-Jährige verstärkt den Workshops widmen. „Ich habe so viele Ideen, ich will das Thema Upcycling auch anderen vermitteln“, sagt sie.

Immer mehr junge Menschen setzten auf Upcycling

Ihre Toilettenpapierhalter aus einer Plastik-Obstverpackung und einem Trinkhalm ließen sich problemlos nachbauen, ebenso der Bügel, an den einstige Obstnetze für diverse Badutensilien befestigt werden, oder das Hängeregal aus dem Boden alter Plastikbecher.

Besonders wichtig ist Yüreklik die Nachnutzung von Tetra-Verpackungen. „Die bestehen aus Plastik, Aluminium und Papier und lassen sich als Müll nicht recyceln“, gibt sie zu bedenken.

So sehen die Ohrringe aus Kronkorken aus.
So sehen die Ohrringe aus Kronkorken aus. Pleul/dpa

Der Trend „Upcycling“ sei nicht neu, aber noch längst keine Massenbewegung, sagt Dörte Brilling, Geschäftsführerin der Internet-Plattform Handmadekultur. „Es gab und gibt Leute, die Wert auf Nachhaltigkeit legen und alte Sachen zu Neuem umfunktionieren wollen. Da geben wir gern Tipps und Anregungen. Ob das aber gesamtwirtschaftlich Auswirkungen hat, wage ich zu bezweifeln“, sagt sie. Zumal, so Brilling, das Ressourcenschonen gesellschaftlich nicht gefördert werde. „Es ist zumeist günstiger, einen Gegenstand neu zu kaufen, als ihn reparieren zu lassen“, macht sie deutlich. Upcycling sei also finanziell nicht attraktiv.

„Der schonende Umgang mit Materialien ist schwer angesagt, vor allem junge Menschen erkennen den nachhaltigen Wert zur Einsparung von Rohstoffen“, sagt hingegen Robert Raschke-Kremer, der bei der DIY Academy Köln Upcycling-Seminare gibt.

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Die Angebote reichten von Hochbeeten, die aus ausrangierten Paletten gestaltet würden, umgebauten Regalen oder Möbeln. Zudem würden in den Seminaren aus alten T-Shirts oder Jeans Einkaufstaschen gestaltet oder aus nicht mehr gebrauchten Stühlen Garderoben gebaut, PET-Flaschen und Tetra-Packs zu Pflanzgefäßen gemacht oder aus Fliesenresten kunstvolle Mosaike zusammengefügt.

„Auf unserer Website bieten wir zudem jede Menge Ideen und Anleitungen für nachhaltige Projekte und einen ressourcenschonenden Umgang an“, ergänzt Katja Fischborn, Kommunikationsmanagerin der DIY Academy.