Spreepark: Petition geplant, doch jetzt baggern sie die Rummel-Träume weg
Berlins krisengebeutelte Schausteller wollten Flächen auf dem Gelände des ehemaligen Freizeitparks zeitweise nutzen – doch nun sollen dort am Montag Bauarbeiten beginnen.

Überraschende Nachrichten für Fans des Spreeparks: Nachdem der KURIER in den vergangenen Tagen über eine geplante Petition berichtete, die wieder für einen Rummel im Plänterwald sorgen sollte, werden nun plötzlich die Bagger rollen. Die für das Parkgelände zuständige Grün Berlin GmbH teilte das am Freitag mit. „Am Montag, 17. August 2020, starten die Erschließungsarbeiten für das Areal des Spreeparks“, heißt es. „Auf dem knapp 23 Hektar großen Gelände werden die notwendigen Leitungen für die Ver- und Entsorgung verlegt.“
Der Anschluss an die Trinkwasserleitung erfolge im Bereich des Rundkinos an der Westseite des Parks. „Von dort aus wird die Leitung zusammen mit einem Leerrohr für die spätere Telekommunikations- und IT-Versorgung über das Gelände in Richtung der Werkhalle und des Eierhäuschens geführt.“ Werkhalle und Eierhäuschen liegen an der Ostseite des ehemaligen Freizeitparks. Das bedeutet: Für das Vorhaben wird das gesamte Gelände zur Baustelle. Die Arbeiten sollen voraussichtlich bis September nächsten Jahres andauern.

Für einige kommt dieser Schritt überraschend, etwa für den Tourismusverein Treptow-Köpenick. Der Verein wollte gemeinsam mit der Interessengemeinschaft der Berlin-Brandenburgischen Schausteller eine Petition ins Leben rufen. Hintergrund: Seit Beginn der Corona-Krise sind die Karussell- und Budenbetreiber aus Berlin und dem Umland arbeitslos, können kein Geld verdienen. Auf einer Demo in der vergangenen Woche in Köpenick kam die Idee auf den Tisch, freie Flächen im Park für einen Rummel auf Zeit zu nutzen.
„Ich war sehr überrascht, als ich von den Baumaßnahmen hörte“, sagt Robert Schaddach, der Vorstandsvorsitzende des Vereins, dem KURIER. Dahinter könne nur die Angst stecken, dass durch den plötzlichen Vorstoß das bisherige Kunstpark-Konzept zerschlagen werde. „Vielleicht würde sich herausstellen, dass eine nennenswerte Anzahl Bürger doch gern einen Freizeitpark hätte und kein elitäres Kunstprojekt.“ Man wolle nun über weitere Maßnahmen beraten. „So einen Schritt kann man ja nicht auf sich sitzen lassen“, sagt Schaddach.
Überrascht zeigte sich auch Christopher Flade. Der Berliner betreibt im Internet die größte Spreepark-Fanseite, er beobachtet die Entwicklungen auf dem Gelände schon lange. „Es ist spannend, dass gerade jetzt, nachdem die Pläne für die Petition bekannt wurden, gebaut werden soll“, sagt er dem KURIER. Auch Flade findet die Idee, hier Schaustellern einen Platz zu geben, naheliegend. „Das Areal ist dafür gut geeignet. Es gab zuletzt viele freie Bereiche, die man hätte nutzen können.“ Im Gegensatz zu anderen Orten wie dem Zentralen Festplatz gebe es hier zudem schattenspendende Bäume und Wasserflächen.

Der Spreepark-Experte widerspricht auch den Argumenten der zuständigen Stellen. Immer wieder hieß es, das Gelände sei zu unsicher. „Es gibt zwar noch alte Gebäude, aber diese hätte man auch weiträumig absperren können. Und wenn es angeblich so gefährlich ist: Warum wurden nach der Übernahme des Geländes durch das Land Berlin ein Weihnachtsmarkt und mehrere Sommertheater-Veranstaltungen durchgeführt? Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Veranstalter und die Behörden die Gäste damals wissentlich einer Gefahr ausgesetzt haben.“
Auch die oft bemängelte Parkplatzsituation betrachtet er nicht so kritisch wie die Verantwortlichen. „Es hätte sich sicherlich auch ein Weg gefunden, einen Shuttle-Verkehr vom S-Bahnhof einzurichten. Und zum neu gestalteten Kunst- und Kulturpark müssen die Besucher auch kommen.“ Flade sieht andere Gründe für die Ablehnung. „Ich glaube, dass man Angst hatte, dass der Rummel ein Erfolg geworden wäre. Denn wenn plötzlich Tausende Besucher gekommen wären, hätte man sich fragen müssen, ob die Entscheidung für den Kunstpark wirklich bürgernah war.“

Nicht zuletzt kommt die Information der beginnenden Bauarbeiten auch deshalb überraschend, weil mehrere Stellen nach der Schausteller-Demo Anfragen an Grün Berlin gestellt hatten – in den Antworten wurde nirgendwo auf den Baubeginn hingewiesen. Dem KURIER wurde auf Anfrage am vergangenen Dienstag lediglich mitgeteilt: „Die Medienerschließung mit Gas, Strom, Trink- und Abwasser sowie Telekommunikation/IT ist in Vorbereitung.“
Einen Zusammenhang zwischen Baubeginn und Petition gebe es nicht, heißt es von Grün Berlin. „Die Erschließungsarbeiten eines Bau-Areals umfassen mehrjährige Planungs-, Genehmigungs- und Ausschreibungsprozesse sowie langfristige Beauftragungen von Baufirmen.“ Die Bestätigung der Baufirma, dass die Arbeiten am Montag beginnen können, habe Grün Berlin erst am Mittwoch erhalten, einen Tag nach der letzten KURIER-Anfrage. Ursprünglich hätte es im April losgehen sollen, Corona habe für die Verschiebung gesorgt.

Auf dem Gelände soll in den kommenden Jahren ein Kunst- und Kulturpark entstehen. Das Konzept dafür wurde im Rahmen mehrerer Bürgerdialog-Veranstaltungen entwickelt, wobei ein Rummel von Anfang an ausgeschlossen wurde. Grundlage dafür war nicht der Dialog mit den Bürgern, sondern „eine fachpolitische Entscheidung, den Spreepark als Kunst/Kultur- und naturverträglichen Park wiederzubeleben“, heißt es.
Berlins Schausteller hoffen nun zumindest auf eine Ersatzlösung. „Man kann nur hoffen, dass den Herren und Damen von Grün Berlin beim Bauen etwas anderes einfällt – immer, wenn ich eine Schaufel in der Hand habe, kommen mir die besten Ideen“, sagt Thilo-Harry Wollenschlaeger vom Schausteller-Interessenverband. „Sie verwalten ja genug Flächen in der Stadt – und wenn es im Spreepark nicht geht, zeigen sie vielleicht an anderer Stelle ein Herz für die Schausteller.“