So bereiten sich Schulen auf die Rückkehr der Zehntklässler vor
Seit Freitagvormittag gibt es strenge Hygieneregeln, die ab dem 27. April eingehalten werden müssen. Sind sie überhaupt umsetzbar?

Der Plan ist da: Am Freitagvormittag fanden Berlins Schulleitungen in ihren Postfächern ein Schreiben der Senatsbildungsverwaltung mit strengen Hygieneregeln, die ab dem 27. April eingehalten werden müssen. Dann nämlich beginnt Phase 1 der „schrittweisen Wiederaufnahme des Unterrichts“, die Bildungssenatorin Scheeres (SPD) vergangene Woche verkündete: Die Zehntklässler kommen zurück in die weiterführenden Schulen in der Stadt, eine Woche später sind an Gymnasien die elften und an Sekundarschulen die neunten und die zwölften Klassen dran.
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So weit die Theorie – wie die Praxis aussieht, wird sich am Montag zeigen. Denn der „Musterhygieneplan Corona“ der Schulverwaltung ist zwar detailliert, wirft aber die Frage auf, wie viel Unterricht überhaupt noch möglich sein wird, wenn Schüler und Lehrkräfte alle Regeln einhalten sollen. Die Hände waschen sollen sich die Schüler zum Beispiel „nach dem Naseputzen, Husten oder Niesen; nach der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln; nach Kontakt mit Treppengeländern, Türgriffen, Haltegriffen, vor und nach dem Essen; vor dem Aufsetzen und nach dem Abnehmen einer Schutzmaske“ – das dürfte an vielen Schulen gleich morgens zu Schlangen vor den Toiletten führen.
„Wegeführungskonzept“ innerhalb der Schulen
Die Klassen müssen so aufgeteilt werden, dass die Schüler jederzeit 1,50 Meter Abstand voneinander halten können. In den Pausen sollen Lehrer vor den Toiletten Aufsicht schieben, damit nicht zu viele auf einmal gehen. Und auch bei der Ankunft, auf dem Hof, beim Verlassen des Schulgebäudes und sogar noch an der Bushaltestelle soll das Schulpersonal darauf achten, dass ihre Schützlinge sich nicht zu nahe kommen. Eine Maskenpflicht gibt es von Seiten der Senatsschulverwaltung für Schüler übrigens nicht – weil sie berlinweit aber für die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel gilt, werden die meisten sich trotzdem eine anschaffen müssen.
Kurios auch: Die Schulen sollen ein „Wegeführungskonzept“ entwerfen – an der Ellen-Key-Schule in Friedrichshain zum Beispiel gilt ab Montag Rechtsverkehr. „Wir haben die Gänge mit Flatterbändern und Aufstellern zweigeteilt“, berichtet Schulleiter Jörg-Michael Rietz. Seine 140 Zehntklässler sehen die Schule erst mal nur eine Stunde pro Tag: Sie kommen in vier Schichten an die Schule, sieben Schüler und eine Lehrkraft pro Raum, mit genauen Anweisungen, welche Eingänge und Wege sie nehmen sollen. Abitur wird hier seit Montag auch schon geschrieben – zum Glück aber in einem anderen Gebäude. Dass vor den Sommerferien alle Jahrgangsstufen zurückkehren könnten: „Völlig ausgeschlossen“, sagt Rietz. Womöglich wird er gar nicht dazu kommen, Theater-, Chorproben sowie den Sportunterricht abzusagen, wie es der Hygieneplan vorsieht: Die Zehntklässler sollen nach dem Willen der Senatsschulverwaltung erst nur Unterricht in ihren Kernfächern erhalten.
Fast an der Kapazitätsgrenze
Und dass die Lehrkräfte, die die Corona-Schulen beaufsichtigen sollen, knapp werden, ist jetzt schon klar – die Senatsschulverwaltung geht davon aus, dass etwa 30 Prozent der Berliner Lehrerschaft einer Risikogruppe angehört und deshalb für den Einsatz an der Schule ausfällt.
Miriam Pech leitet die Heinz-Brandt-Oberschule in Weißensee, bei ihr fehlen 11 von 44 Lehrkräften. „Wenn noch ein Jahrgang dazu kommt, sind wir personell und räumlich an der Kapazitätsgrenze“, sagt Pech. Sie wünscht sich von der Senatsverwaltung mehr Gestaltungsfreiheit: „Mir wäre es wichtiger, Schüler in schwierigen sozialen Situationen zurück in die Schule zu holen, egal in welcher Jahrgangsstufe. Einige meiner Schüler leben in Flüchtlingsunterkünften.“
Täglich mehrfache Reinigung
Momentan beschäftigen sie aber noch ganz andere Probleme: Ihre 110 Zehntklässler will sie am Montag im Zweischichtbetrieb antreten lassen, die einen vormittags, die anderen nachmittags, acht Schüler und eine Lehrkraft pro Raum. In der Pause dazwischen will Pech die Klassenräume reinigen lassen – doch der Bezirk hat sich noch nicht dazu geäußert, ob das klappt. Dabei sieht der Hygieneplan des Senats auch vor, dass Türklinken und Fenstergriffe, Tische, Treppen- und Handläufe und Lichtschalter „mehr als einmal täglich“ gesäubert werden müssen. Die Bildungsgewerkschaft GEW riet Schulleitungen am Freitag bereits, ihre Schulen geschlossen zu lassen, sollte keine Reinigung erfolgen.