Appell:„Setzen Sie sich mit dem Tod auseinander!“
Galina Kalugina (50), Chefin des Alten Domfriedhofs, rät, für die eigene Beerdigung schon zu Lebzeiten vorzusorgen.

Über 2400 Menschen, die keine Angehörigen oder Freunde mehr haben, werden jährlich in Berlin beerdigt. In der Regel kommt niemand zur Beisetzung. Der Bezirk, in dem der Mensch zuletzt gewohnt hat, trägt die Kosten. Ordnungsbehördliche Bestattung nennt sich das im Amtsdeutsch. Im Volksmund heißt es„Armutsbegräbnis“ (KURIER berichtete).
Damit die Verstorbenen einen noch würdevolleren Abschied bekommen, organisieren schon zwei Bezirke mindestens einmal im Jahr Trauerfeiern: Spandau und Reinickendorf. Dabei liegen diese Bezirke in der Statistik eher im Mittelfeld. Die meisten Berliner, die 2019 ein Armutsbegräbnis bekommen haben, haben im Bezirk Mitte (371) gewohnt, gefolgt von Neukölln (245) und Charlottenburg (228). Marzahn-Hellersdorf ist der Bezirk mit den wenigsten Armen-Bestattungen (111).
Bestatter, Kirchenvertreter und Politiker fordern weiter, diesem schwierigen Thema noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Der Abgeordnete Sebastian Schlüsselburg (Linke) möchte, dass wieder die Krankenkassen im Notfall die Kosten der Beerdigung übernehmen. Dieses Regelung, genannt Sterbegeld, wurde 2003 abgeschafft.
Man hört aber ebenso einen Appell an die Betroffenen selbst: Jeder sollte sich zu Lebzeiten mit der eigenen Beerdigung beschäftigen, meint Galina Kalugina (50), Chefin der Friedhofsverwaltung St. Hedwig in Gesundbrunnen. „Setzen Sie sich mit dem Tod auseinander. Auch wenn es schwerfällt, der letzte Wille sollte irgendwo vermerkt sein. Das macht es für die Behörden und die Bestatter wesentlich einfacher“, erklärt sie. Kalugina ist verantwortlich für den Alten Domfriedhof in der Liesenstraße, wo die meisten Bestattungen ohne Angehörige stattgefunden haben. „Wenn jemand vorher mitteilt, dass er nicht verbrannt werden will, wird der Sarg natürlich bezahlt“, sagt sie.
Die Friedhofschefin kritisiert Politiker, die jetzt Forderungen aufstellen: „Sie machen es sich zu einfach. Wir müssen die Menschen vorher aus Armut und Einsamkeit holen. Das sollte die Aufgabe eines jeden sein. Jeder kann seinem Nachbarn oder einem Obdachlosen auf der Straße helfen.“