Senatsbaudirektorin verlangt Abriss und Umbau: Weg mit Autobahnen in Berlin!
Senatsbaudirektorin macht Druck, zwei Berliner Autobahnstummel abzureißen beziehungsweise in normale Straße umzubauen

Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt will, dass Berlin zum Pressluftbohrer greift und hat sich als Anhängerin von Autobahn-Abrissen dargestellt. So sollte die A 103 zwischen dem Sachsendamm am Kreuz Schöneberg und dem Steglitzer Kreisel „zurückgebaut“ werden. Auch der Abzweig, der vom Knoten Wilmersdorf am Stadtring durch die Autobahn-Überbauung Schlangenbader Straße zur Schildhornstraße führt, solle verschwinden.
Das seien Maßnahmen, die insgesamt nötig seien, um Berlin in Zeiten von Klimaschutz und Klimawandel zukunftsfähig zu lassen. „Was es braucht, ist eine kritische Revision der bestehenden Stadt, um diese in eine nachhaltige Zukunft zu führen“, sagte die Architektin der dpa.
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Wenn zu wenig Platz ist, muss man höher bauen, sagt die Senatsbaudirektorin
„Wir brauchen, so wie in der bestehenden Stadt, auch im Neubau eine effiziente Flächennutzung durch kompaktes, urbanes Bauen“, erläuterte sie. „Denn der Boden ist keine vergrößerbare Ressource.“ Kahlfeldt plädierte in dem Zusammenhang für kluge und intelligente Nachverdichtungen. „Da wo große Flächenbedarfe sind, muss man höher bauen“, fügte sie hinzu. Und: „Da wo man baut, sollte man auf schon versiegelten Flächen bauen.“
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Wichtig sei, sich der bestehenden Stadt und ihrem baulichen Bestand zuzuwenden und beim Thema Stadtumbau nicht nur an neue Quartiere und Neubauvorhaben zu denken, so Kahlfeldt. Genauso wichtig ist aus ihrer Sicht, das Thema nicht allein mit der Baubrille zu betrachten.

„Aufgabe ist, dass man die bestehende Stadt in eine nachhaltige Zukunft bringt, bringen muss“, unterstrich Kahlfeldt. Berlin habe schon allein durch seine Historie dabei eine gute Ausgangsposition. Die Stadt in ihrem heutigen Körper sei erst 1920 durch den Zusammenschluss von 8 Städten und 56 Dörfern entstanden. „Sie weist so eine unglaublich belastbare Siedlungs- und städtische Infrastruktur auf, weil sie viele und viele unterschiedliche Zentren hat.“
Berlin, eine Stadt der kurzen Wege?
Kahlfeldt verlangt „eine integrierte Entwicklung von allen städtischen Funktionen“. Dazu gehörten nicht nur Wohnen, sondern auch Arbeits- und Freizeitmöglichkeiten, Schulen, Kitas, Kulturangebote, Handel, Stadtgrün oder Schattenflächen. Effiziente Flächennutzung und kompaktes Bauen bedeute also, in Kiezen derlei Angebote zu schaffen mit dem Ziel, die Aufenthalts- und damit Lebensqualität der Bewohner zu steigern und eine Stadt der kurzen Wege zu schaffen.

Senatsbaudirektorin verlangt Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs
Wesentlicher Bestandteil eines solchen Umbaus sei ein ausgebauter und attraktiver Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV), der im Übrigen nur die Hälfte der Flächen brauche, die die teilweise autobahnähnlichen Straßenräume Berlins einnehmen. Kahlfeldt forderte daher den „seit langem anstehenden“ Rückbau überdimensionierter Verkehrswege wie Straßen oder Parkplätze auf stadtverträgliche Dimensionen. So könnten einerseits Flächen entsiegelt werden, um städtische Räume für Grün- und Sickerflächen etwa für das Regenwassermanagement zu gewinnen. Andererseits könne auf ehemaligen Verkehrsflächen eine neue Bebauung in einer verbesserten Bauweise und Nutzungsmischung entstehen.
Mit Blick auf die A 103 (3,7 Kilometer) und den 3-Kilometer-Abzweig durch die Schlange, der seit 2006 südlich der Mecklenburgischen Straße keine Bundesautobahn mehr ist und deshalb in die sogenannte Baulast Berlins fällt, erklärte Kahlfeldt: „Beim Rückbau der stadtzerstörenden Verkehrsräume könnten beste innerstädtische Flächenpotenziale in schöne und nachhaltige, den Stadtgrundriss ergänzende Quartiere überführt werden für Wohnungsneubau, Naherholungsflächen und gemeinwohlorientierte Nutzungen.“ Hier blieben viele Chancen beim Stadtumbau bislang ungenutzt liegen.

„Wir haben so viele Flächen dem Verkehr geopfert“, blickte Kahlfeldt zurück auf vergangene Jahrzehnte. Diese erzeugten Verkehre und Energieverbrauch. Zudem verstärke Asphalt die Hitze in der Stadt noch. „Wenn man mit offenen Augen durch die Stadt geht, sieht man, was für einen Flächenfraß diese Verkehrswege bedeuten.“ Nun gelte es, sich das zurückzuholen. Das müsse im Dialog mit der Bevölkerung geschehen.
Wettbewerb zur Neugestaltung rund um die Schlangenbader Straße
Der Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin-Brandenburg (AIV) hat dazu bereits Pflöcke eingeschlagen: Ende Juni schrieb er seinen Schinkel-Wettbewerb 2023 für Teilnehmer bis 35 Jahre aus, der sich der ehemaligen A 104 widmet: Die Teilnehmer sollen Vorschläge machen, wie man dort den Verkehr organisiert, was man dort statt der Autopiste bauen soll, welche Landschaftsplanung sich anbietet. Die Teilnahme-Bedingungen werden Anfang September auf der AIV-Internetseite veröffentlicht.
Das knüpft an eine AIV-Forderung von 2022 an, nämlich die Strecke abzureißen, und vor allem an den rot-grün-roten Koalitionsvertrag, der genau das in Aussicht stellt. Eine Forderung, die wegen der architektonischen Verwüstung des Breitenbachplatzes und des Missbrauchs der Schildhornstraße als Quasi-Autobahn in Steglitz-Zehlendorf auf Wohlwollen stößt.
Umstritten dagegen ist die Umwandlung der A 103 in eine Stadtstraße, weil nicht geklärt ist, wie der Verkehr in Richtung Südwesten Berlins und nach Potsdam von Stadtstraßen bewältigt werden kann.