Virus-Eindämmung : Senat will Rückkehrer aus Risikogebieten noch am Flughafen testen
In Zusammenarbeit mit der Charité sollen Teststellen in Schönefeld und Tegel installiert werden - deren Nützlichkeit unter Fachkreisen jedoch umstritten ist.

Der Berliner Senat will, dass sich Rückkehrer aus Risikogebieten im Ausland gleich an den Heimatflughäfen auf Corona testen lassen können. Dazu sollen an beiden Flughäfen Teststellen eingerichtet werden. Auf diese Weise könnten die Einreisenden die eigentlich gesetzlich vorgeschriebene häusliche Quarantäne umgehen. Das wurde am Donnerstag aus Senatskreisen bekannt. Wie es hieß, wolle sich die Berliner Landesregierung nicht von einer möglichen Einigung der Gesundheitsministerkonferenz von Bund und Ländern abhängig machen. Die Konferenz will am Freitag ein Gesamtpaket zum Umgang mit Rückkehrern beschließen.
„Wir sind schon seit vergangener Woche im Gespräch mit der Charité und der Flughafengesellschaft und koordinieren aktuell, wie, wo und ab wann wir die Teststellen für Reiserückkehrer aus Risikogebieten in Tegel und in Schönefeld installieren“, sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Donnerstag. Ziel sei es, „dass wir zu Beginn der kommenden Woche dort Covid-19-Teststellen anbieten können“.
„Fachlich ist das überhaupt nicht nachvollziehbar“
Doch dieser Service ist unter Fachleuten umstritten. Patrick Larscheid, für den Flughafen Tegel zuständiger Amtsarzt des Bezirks Reinickendorf, kritisiert solche Tests an Flughäfen scharf. „Fachlich ist das überhaupt nicht nachvollziehbar“, sagte der Mediziner am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. „Diese Testung schafft es nicht, Sicherheit herzustellen.“
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Larscheid verwies darauf, dass die angestrebten Tests eine Momentaufnahme seien. Theoretisch müssten die Menschen über Tage und Wochen mehrfach getestet werden. Die Betreffenden würden jedoch nach dem Test am Flughafen von der eigentlich vorgeschriebenen 14-tägigen häuslichen Quarantäne befreit, ohne dass es Sicherheit gebe. „Das ist ein schwerwiegendes Problem. Es ist nicht sicher, dass auf diese Weise das Zeitfenster der Infektion erfasst wird.“ Weiteres Problem: Eine Vielzahl von Tests habe mehr falsche positive Tests zur Folge.
Bestes und sicherstes Mittel sei weiter eine Quarantäne von 14 Tagen, so Larscheid. In dem Zeitraum könnten Menschen regelmäßig getestet werden und am Ende sicher sein, nicht mit Sars-CoV-2 infiziert zu sein. „Absurd ist, dass wir eine entsprechende Rechtsverordnung haben und nun gleichzeitig dafür sorgen, dass diese umgangen werden kann“, so Larscheid. „Niemand wird gezwungen, in ein Risikogebiet in Urlaub zu fahren. Wer dieses Risiko dennoch auf sich nimmt auf Kosten der Allgemeinheit, der soll nach Rückkehr in Quarantäne gehen.“
Dass man nicht einmal in ein Risikogebiet fahren muss, um infiziert von einer Reise zurückzukehren, zeigt der Fall einer vierköpfigen Familie aus Cottbus: Die Familie wurde nach ihrer Rückkehr von einem Mallorca-Urlaub positiv getestet. Die Eltern der Jahrgänge 1987 und 1986 sowie ihre 2006 und 2012 geborenen Töchter seien ebenso wie die bis jetzt ermittelten Kontaktpersonen in Quarantäne, teilte die Stadt Cottbus mit. „Die Familienmitglieder zeigen derzeit keine Symptome“, hieß es am Mittwoch.
Familie aus Cottbus infiziert sich auf Mallorca
Den Angaben zufolge war die Familie am vergangenen Sonntag per Flugzeug von Mallorca nach Nürnberg und dann mit dem Auto in die Lausitz gereist. Nach der Rückkehr sei „von einem der Arbeitgeber ein routinemäßiger Test“ veranlasst worden, der positiv ausgefallen sei“, hieß es. In Cottbus seien es die ersten offiziell registrierten Infektionen seit dem 12. April dieses Jahres, sagte ein Stadtsprecher.
In Berlin zieht unterdessen ein Corona-Fall aus der vorvergangenen Woche seine Kreise. Wie das Bezirksamt Mitte mitteilte, besuchten am Freitag, den 10. Juli, zehn Gäste ein Restaurant am Fernsehturm, die sich als infiziert herausstellten. Inzwischen wurden bereits 13 Personen positiv getestet. Nun sollen sich alle weiteren Gäste des Restaurants beim Amt melden, damit mögliche Kontaktpersonen identifiziert und isoliert und die weitere Verbreitung des Virus damit verhindert werden kann.
Zwei Wochen danach kämpft Ahmed Karimi um seinen Ruf. Der Pächter und Betriebsleiter des Mio am Fuß des Fernsehturms kann sich nach eigenem Bekunden auch 14 Tage danach nicht vorstellen, was da passiert ist. „Zehn Personen an jenem Freitagabend? Eine Party? Ich kann es kaum glauben“, sagt der 34-Jährige am Donnerstag der Berliner Zeitung. Er wisse tatsächlich nicht, wie viele Gäste an dem Abend da waren. „Es können an so einem Abend 50 oder 500 gewesen sein.“
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Karimi verweist darauf, dass es ihm während der Pandemie wie vielen Gastronomen in der Stadt gehe: „Es geht gerade wirtschaftlich sehr schlecht.“ Sein – inklusive Außenfläche – fast 1000 Quadratmeter großes Lounge-Restaurant, das zu anderen Zeiten schon mal Veranstaltungsort für die Wahl zur Miss Russia oder zur Miss Germany ist, sei heute oft ziemlich leer. Wen Corona nicht abschrecke, der werde durch die Baustelle der U5 direkt vor der Tür von einem Besuch abgehalten, sagt er. Und diejenigen, die doch kommen, sitzen fast alle draußen.
Abstand und Desinfektionsstationen im Mio
Gerne zeigt Karimi dann, wie sein Team auch im Außenbereich versucht, die Hygieneregeln einzuhalten: Zwischen den Tischen wird Abstand gehalten, alle paar Meter steht eine Desinfektionsstation, insgesamt 15 Stück, Aufkleber rufen zum Maskentragen auf. Allein vier Angestellte machen den ganzen Tag nichts anderes, als Flächen zu desinfizieren, sagt er. Etwa 700 Euro gebe er täglich für Desinfektionsmittel aus.
Doch natürlich weiß auch der Wirt um die Schwachpunkte. So weiß er nicht, ob die Gäste in den Gästelisten richtige Angaben machen. Er jedenfalls bewahre die Listen für etwaige Nachfragen auf, sagt er – und erscheint 30 Sekunden später mit einem dicken Stapel ausgefüllter Bogen wieder am Tisch. Karimi will jetzt sein gesamtes Personal testen lassen: „Die Gesundheit ist mir wichtiger als das Geschäft.“
Das stimmt sicher, doch Karimi hat noch ein anderes ernstes Anliegen: Er will und muss den Ruf seines Restaurants im Einzugsgebiet des urbanen und oft rauen Alexanderplatz retten. Das Mio stand vor acht Jahren schon einmal im Brennpunkt. Der damals 20-Jährige Jonny K. aus Spandau feierte mit ein paar Freunden im Mio. Anschließend kam es ein paar Meter weiter zu einer Prügelei mit einer anderen Gruppe, in deren Folge Jonny K. erschlagen wurde. Der Haupttäter, der 19-jährige Onur U. aus Wedding, wurde wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt.