Von Überschuldung wird gesprochen, wenn die monatlich anfallenden Ausgaben die Einnahmen deutlich übersteigen und Besserung nicht in Sicht ist.
Von Überschuldung wird gesprochen, wenn die monatlich anfallenden Ausgaben die Einnahmen deutlich übersteigen und Besserung nicht in Sicht ist. Imago/Poss

Etwas Gutes hat die Corona-Pandemie: Die Zahl der verschuldeten Haushalte in der Region ist im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Waren 2020 noch 12,02 Prozent der Berliner über 18 Jahren überschuldet, so ging diese Quote im vergangenen Jahr auf 10,81 Prozent zurück. Ähnlich in Brandenburg: Da sank die Quote von 9,64 auf 8,62 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt der Schuldneratlas 2021 von Creditreform. Der Inkassodienstleister erklärt sich das mit einem vorsichtigeren Ausgabeverhalten der Bürger.

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Zu Beginn der Pandemie hatte Creditreform noch erwartet, dass die Überschuldung durch die Krise steigt – das Gegenteil trat ein. „Es gab weniger Gelegenheiten zum Geldausgaben, wie zum Beispiel Urlaub, Wellness, Gastronomie und Kulturausgaben“, erklärt Sprecher Christian Frey. Angesichts von Kurzarbeit und drohender Arbeitslosigkeit seien die Haushalte auch deutlich vorsichtiger mit ihren Ausgaben.

Steigende Preise für Energie, Lebensmittel und andere Güter könnten aus Sicht von Creditreform aber wieder mehr Haushalte in Geldnot bringen. Gehen die Preise wie zuletzt weiter in die Höhe, kann die Verschuldung nach zuletzt starkem Rückgang wieder zunehmen. Im Februar lagen die Verbraucherpreise in der Region mehr als fünf Prozent höher als ein Jahr zuvor. Und mit dem Ukraine-Krieg steigen vor allem die Energiepreise weiter stark an. Noch aber stehen Berlin und Brandenburg bei der Überschuldung so gut da wie lange nicht.

Spandau ist der Berliner Bezirk mit den höchsten Schuldnerquoten (14.02 Prozent) in der Stadt. Am besten steht Steglitz-Zehlendorf (6,94 Prozent) da.
Spandau ist der Berliner Bezirk mit den höchsten Schuldnerquoten (14.02 Prozent) in der Stadt. Am besten steht Steglitz-Zehlendorf (6,94 Prozent) da. Creditreform

In Brandenburg kann nach den Daten jeder Zwölfte seine Zahlungsverpflichtungen auf Dauer nicht erfüllen. Das ist der niedrigste Stand seit Beginn der Erhebung vor 19 Jahren. Nur Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen stehen besser da. Auch Berlin hat sich weiter verbessert: In der Hauptstadt gilt jeder Neunte als überschuldet. Die Quote von 10,8 Prozent liegt aber deutlich über dem Bundesschnitt von 8,9 Prozent.

Die zahl der Überschuldungsfälle verringerte sich um 9,5 Prozent

Zum Stichtag 1. Oktober 2021 galten 331.379 erwachsene Einwohner der Bundeshauptstadt als überschuldet. Gegenüber dem Vorjahr (2020: 365.978 Personen) verringerte sich die Zahl der Überschuldungsfälle um rund 35.000 bzw. um 9,5 Prozent.

Von Überschuldung sprechen Finanzexperten, wenn ein Schuldner die Summe seiner fälligen Zahlungsverpflichtungen mit hoher Wahrscheinlichkeit über längere Zeit nicht begleichen kann und ihm zur Deckung seines Lebensunterhalts weder Vermögen noch Kreditmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

In Neukölln hat die größten Fortschritt im Vergleich zum Vorjahr gemacht: Hier sank die Schuldnerquote um 1,58 Prozent.
In Neukölln hat die größten Fortschritt im Vergleich zum Vorjahr gemacht: Hier sank die Schuldnerquote um 1,58 Prozent. Creditreform

In allen zwölf Berliner Bezirken verringerten sich die Überschuldungsquoten. Überdurchschnittlich stark war der Rückgang in Neukölln (- 1,58 Prozent) und Mitte (- 1,54 Prozent). In beiden Bezirken sind die Schuldnerquoten allerdings weiterhin höher als im Berliner Durchschnitt (Neukölln: 13,24 Prozent; Mitte: 12,65 Prozent).

Spandau führt das Negativ-Ranking an, gefolgt von Marzahn-Hellersdorf

Die höchste Überschuldungshäufigkeit weist aber Spandau auf. 14,02 Prozent der Erwachsenen sind hier als überschuldet anzusehen (- 1,44 Prozente), dahinter folgen Marzahn-Hellersdorf (13,41 Prozent) und Neukölln (13,24 Prozent). Aber: Lediglich in zwei Berliner Bezirken liegt die Schuldnerquote unter dem Bundesdurchschnitt: Steglitz-Zehlendorf (6,94 Prozent) und Pankow (8,26 Prozent).

In Brandenburg hat die Stadt Brandenburg/Havel (14,50 Prozent) mit Abstand die höchste Quote. Die niedrigste Schuldnerquote in ganz Brandenburg wurde im Landkreis Potsdam-Mittelmark registriert. Die Schuldnerquote beträgt hier 6,45 Prozent, gefolgt von Potsdam mit  7,43 Prozent.

Den stärksten Rückgang in der Schuldnerquote verbucht Frankfurt an der Oder mit minus 1,76 Prozentpunkten auf 10,48 Prozent. Hier spiele auch die gute Entwicklung des Ostbrandenburger Arbeitsmarktes eine tragende Rolle, hieß es.

Spitzenreiter bei den Überschuldungsquoten in Brandenburg ist die Stadt Brandenburg/Havel.
Spitzenreiter bei den Überschuldungsquoten in Brandenburg ist die Stadt Brandenburg/Havel. Creditreform

Die höchste Überschuldungsquote mit 15,64 Prozent weist in Berlin die Gruppe der 40- bis 49-Jährigen auf (2020: 16,79). In Brandenburg sind es die 30- bis 39-Jährigen mit 13,45 Prozent (2020: 14,79). Die niedrigste Quote haben in beiden Bundesländern die über 70-Jährigen mit 4,21 Prozent (Berlin) und 2,13 Prozent (Brandenburg). Die Hauptursache für Überschuldung ist demnach Arbeitslosigkeit.

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In beiden Bundesländern nahmen im vergangenem Jahr die sogenannten harten (Privatinsolvenzen) und weichen (Nichtbedienen von Krediten) Überschuldungsmerkmale ab. In Berlin wurden bei den weichen Merkmalen 20.000 Fälle weniger registriert als im Vorjahr, in Brandenburg etwa 13.000.