Schneller Test, schnelles Geld: Warum Testzentren in Berlin boomen
Bis zu 25.000 Euro Tagesumsatz, aber mangelnde Weiterleitung positiver Tests? Politiker und Amtsärzte fordern eine Regulierung der Corona-Schnelltestzentren.

In der Hauptstadt herrscht Gründerzeitstimmung. So wie einst, als Mitte des 19. Jahrhunderts reihenweise Fabriken in Berlin entstanden, sogar auf Hinterhöfen Lokomotiven gebaut wurden. Jetzt sind es die privaten Corona-Schnelltestzentren, die in der Stadt wie Pilze aus dem Boden schießen.
Sie findet man in Cafés, in Galerien, im Theater, im Fetisch-Klub, sogar in Kirchen. Berlins Amtsärzte und Politiker sprechen von „Wildwuchs“, fordern strenge Regulierungen. Denn die Zentren bewegen sich offenbar in einer legalen rechtlichen Grauzone. Keine Behörde weiß, wie viele Zentren es gibt. Kontrollen dieser Einrichtungen seien durch die Bezirksämter unmöglich, heißt es.
Wer ins Internet schaut, wird in Berlin von Angeboten überschwemmt, die mit schnellen Tests werben, die in bis zu 30 Minuten anzeigen können, ob man sich mit Corona angesteckt. Dass die Zentren boomen, liegt am starken Anstieg von Neuinfektionen. Immer mehr Menschen wollen mit einem Schnelltest auf Nummer sicher gehen, dass sie kein Corona haben, wenn sie sich vor allem mit Familienmitgliedern oder Freunden treffen. Daher gab es besonders vor den Weihnachtsfeiertagen große Warteschlangen vor diesen Einrichtungen.
Seit dem Spätherbst, als das Bundesgesundheitsministerium erklärte, dass auch die bis dahin umstrittenen Antigen-Schnelltests (haben eine Virusnachweissicherheit von 97 Prozent) die Möglichkeit bieten, mehr Menschen zu testen und rascher Infektionen zu erkennen, wurden in Berlin Schlag auf Schlag Schnelltestzentren errichtet. Betreiber sind nicht nur Ärzte und Laborfirmen, sondern auch Unternehmer.

Wie Benjamin Föckersperger (33), der ursprünglich sein Geld mit dem Entwickeln von Computerspielen und dem Aufbau von Start-up-Firmen verdient. Nun betreibt er mit seinem Unternehmen die Schnelltest-Stationen im Admiralspalast und in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. „Der Grund waren Corona-Fälle in der Familie, bei denen ich mitbekam, wie überlastet die Behörden bei der Durchführung der Tests waren“, sagt Föckersperger. Die aktuelle Lage zeige, dass viele und vor allem schnelle Tests nötig seien, um rasch Infektionsketten durchbrechen zu können.

Ähnlich argumentiert der selbstständige Krankenpfleger Dirk Heckert (40), der im Strandbad Weißensee vor drei Wochen ein Schnelltestzentrum aufmachte. „In diesem Stadtteil gab es noch kein Zentrum, obwohl die Nachfrage danach groß war.“ Heckert, Föckersperger, aber auch andere Betreiber erklärten, dass sie maximal nur einen Monat bis zur Eröffnung ihrer Stationen gebraucht hätten. Das ist recht erstaunlich für eine Stadt wie Berlin, in der schon die Eröffnung eines Imbissstandes mehrere Monate dauern kann, bis dieser von den Behörden genehmigt wird.
Warum es bei den Schnelltestzentren schneller geht? „Es besteht derzeit keine Genehmigungspflicht“, sagt der Pankower Gesundheitsstadtrat Torsten Kühne (CDU). Da es die Zentren erst infolge der Pandemie gibt, traf der Gesetzgeber für sie noch keine Regelungen. Daher werden die Zentren, obwohl ihre Betreiber damit Geld verdienen, rechtlich als ambulante medizinische Einrichtungen wie Tageskliniken behandelt, die dem Wohle der Allgemeinheit dienen und daher von der Gewerbeordnung ausgeschlossen sind. Es bestehe auch keine Anzeige- oder Meldepflicht. „Insofern gibt es auch keinen Überblick, wo und wie viele private Testzentren existieren“, sagt Kühne. Teilweise bekäme man von ihnen nur ein Hygienekonzept zugesandt.

Das tat auch Heckert für sein Weißenseer Testzentrum. „Auch wenn ich es nicht musste, habe ich die Station beim Gesundheitsamt und beim Gewerbeamt angemeldet“, sagt er. „In der Tat brauchte ich sogar eine Genehmigung, die von den Berliner Bäderbetriebe, um mich mit dem Zentrum im Strandbad Weißensee einmieten zu können.“ Auch Betreiber Föckersperger steht mit den Gesundheitsämtern für seine Testzentren in Kontakt, hat sie bei den Gewerbeämtern angemeldet. „Das Corona-Testen ist ein hochsensibles Thema. Da sollte man auch offen mit den Behörden zusammenarbeiten“, sagt er.
Für Neuköllns Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU) ist es ein Problem, dass es keine Genehmigungspflicht für die Zentrum-Betreiber gibt. Nicht allen ginge es dabei nur um die Gesundheit der Bürger. „Da sind gerade viele Glücksritter unterwegs“, sagt Liecke. Als Beispiel wird ein Wiener Schönheitschirurg genannt, der nachfragte, ob er in Neukölln ein Testzentrum eröffnen könne, was abgelehnt wurde.

Zentrum-Betreiber Föckersperger erklärt: „Manche Mitstreiter erhoffen sich, mit den Schnelltests einen schnellen Euro zu machen.“ Das sehe man an den Preisen, die in Berlin für das Testen aufgerufen werden und die der zu Testende selber bezahlen muss. Das geht bei 23 Euro los, endet bei 80 Euro, die ein Testzentrum noch vor Tagen verlangte. Föckersberger und auch der Weißenseer Betreiber Heckert liegen mit 40 Euro beziehungsweise 44,90 Euro im guten Durchschnitt. „Schließlich müssen wir auch Personal und Betriebskosten bezahlen“, so Föckersperger.
Er sagt, dass manche durch geschicktes Taktieren durchaus ein gutes Geschäft machen können. Schließlich bekäme man die Schnelltests, die im Online-Versand und in Apotheken nur an Medizinern verkauft werden dürfen, zum Stückpreis zwischen drei und zehn Euro, abhängig von Hersteller und Kaufmenge, so Föckersperger. „Wer beim Betrieb seines Zentrums nicht alle Regeln einhält, dort pro Tag über 500 Personen durchschleust, kann einen Tagesumsatz von bis zu 25.000 Euro machen“, sagt er. Die Masse macht es.
Keiner kontrolliere das Einhalten von Testvorschriften. „In unserem Team arbeitet ein Arzt aus der Charité mit. Er zeigte unter anderem den medizinischen Mitarbeitern, wie man richtig testet“, sagt Föckersperger. „Was nützt ein negatives Ergebnis, das durch eine fehlerhafte Testung entstand, wenn der Betroffene in Wahrheit positiv ist und andere ansteckt.“
Ärzte oder in den Tests geschultes medizinisches Personal, das können auch Medizinstudenten sein, sind für die Durchführung der Schnelltests in den Zentren laut der Medizinprodukte-Abgabeverordnung Vorschrift. Merkwürdig ist es, dass ein Zentrum in Berlin damit wirbt, diese Schnelltests auch für Selbsttestungen nach Hause zu schicken. Das Laien diese durchführen, ist nach der Infektionsschutzgesetz verboten.
Bisher betrachtete die Senatsgesundheitsverwaltung das Betreiben von privaten Testzentren als „freies Wirtschaften“. „Wir gehen davon aus, dass alle Voraussetzungen dafür eingehalten werden“, heißt es. Nun fordert die Sprecherin der Berliner Amtsärzte, Nicoletta Wischnewski aus Charlottenburg-Wilmersdorf, im Namen ihrer Kollegen die Behörde dringend auf, verpflichtende Regelungen für die Schnelltestzentren aufzusetzen.

In der Mail, die dem KURIER vorliegt, bemängeln die Amtsärzte, dass Zentren „positiv getestete Menschen nur unzureichend über ihren neuen Status aufklären (Isolationspflicht), indem sie zum Beispiel nur eine kurze SMS versenden“. Außerdem würden die Betroffenen nicht darüber aufgeklärt, dass eine Nachtestung zur Bestätigung mit dem genaueren PCR-Test erfolgen muss, so wie es das RKI vorschreibt. Ein weiteres Problem sei, dass manche Zentren ihrer Meldepflicht von positiven Fällen gegenüber den Gesundheitsämtern nur „deutlich verzögert beziehungsweise unzureichend“ nachkämen.
Der Neuköllner Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) schließt sich den Forderungen der Amtsärzte an. „Es ist oft nicht klar, ob die Preise für einen solchen Test angemessen sind und ob positive Tests auch an die zuständigen Behörden gemeldet werden. Wir brauchen einheitliche Regeln und Qualitätsstandards für die privaten Schnelltestzentren - und zwar schnell“, sagt er dem KURIER. „Denn was der Bund oder das Land nicht regulieren, kann im Bezirk auch niemand kontrollieren. Und bekanntlich verstärken Kontrollen das Vertrauen in Systeme.“ (Mitarbeit: Antonia Groß)