Schauspielerin Meltem Kaptan im Glück! Silberne Berlinale-Bären gehen nach Deutschland. Warum in diesem Jahr besonders die Männer schwächeln
Der katalanische Film „Alcarràs“ von Carla Simón erhielt den Goldenen Bären in der Kategorie Bester Film.

Goldener Bär für „Alcarràs“ als bester Film und je ein Silberner Berlinale-Bär für die Kölner Schauspielerin Meltem Kaptan und Drehbuchautorin Laila Stieler aus der Uckermark. Nach einem pandemiebedingt verkürzten Festival mit 18 Werken im Wettbewerb und 256 Beiträgen insgesamt ist die Hauptrunde der diesjährigen Internationalen Filmfestspiele Berlin am Mittwochabend zu Ende gegangen. Bis zum 20. Februar folgen jetzt noch die Publikumstage.
Man konnte es ihr ansehen: Die Berlinale-Doppelspitze Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian wirkte bei der Preisverleihung am Mittwoch im Berlinale-Palast geschafft, aber glücklich, geradezu erleichtert. Glücklich vor allem wohl deshalb, weil bis zur festlichen Bärenvergabe (fast) alles glatt über die Festival-Bühne gegangen war, wenn man davon absieht, dass Isabelle Huppert sich mit dem Coronavirus infizierte und darum nicht nach Berlin kommen konnte.

Mariette Rissenbeek sagte, sie habe viele Leute auf dem Roten Teppich gesprochen, die sie beglückwünscht hätten für ihren Mut, das Festival in Präsenz auszurichten: „Jetzt bin ich sehr, sehr froh. Die Nerven haben sich gelohnt.“
Auch die Internationale Jury unter Leitung des US-Regisseurs M. Night Shyamalan („The Sixth Sense“) hatte offensichtlich keine Federn gelassen und zeigte sich geeint und gut gelaunt im Theater am Marlene-Dietrich-Platz.
„AEIOU – Das schnelle Alphabet der Liebe" von Nicolette Krebitz ging leer aus
Dann ging es auch schon los mit der Preisvergabe. Die Kölnerin Meltem Kaptan (41), die in „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ von Regisseur Andreas Dresen die Mutter von Murat Kurnaz spielt – der junge Mann war zu Unrecht jahrelang in Guantanamo inhaftiert – gewann den Silbernen Bären für die Beste Schauspielerische Leistung in einer Hauptrolle. Sie konnte ihr Glück kaum fassen und bedankte sich bei Andreas Dresen mit den Worten: „Andy, ich danke dir, dass du mich auf diese Reise mitgenommen hast. Du bist der beste Reiseleiter!“
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Auch die Drehbuchautorin des Dresen-Films, Laila Stieler, nahm freudestrahlend einen Silbernen Bären in Empfang.
Der katalanische Streifen „Alcarràs“ von Carla Simón erhielt den Goldenen Bären in der Kategorie Bester Film. Simón erzählt von einer Familie, die den Sommer auf ihrer Pfirsichplantage in Alcarràs, einem Dorf in Katalonien, verbringt. Aber es gibt Ärger: Die Bäume sollen durch Solarpaneele ersetzt werden, der Familie droht die Zwangsräumung.

Um den Goldenen Bären hatte sich neben „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ von Andreas Dresen auch der zweite deutsche Beitrag „AEIOU – Das schnelle Alphabet der Liebe" von Nicolette Krebitz beworben. Krebitz‘ Film ging am Mittwochabend leer aus.
Die Berlinale 2022 strotzte vor zarten Tönen und einer stillen Sehnsucht nach Erlösung
Der Wettbewerb in diesem Jahr – er strotzte vor zarten Tönen und einer stillen Sehnsucht nach Erlösung. Viele der gezeigten Figuren wirkten beschädigt, verstört, geradezu sensibel geprügelt – vom Leben und der Gier nach grenzenloser Unterhaltung, grenzenlosem Profit, aber auch von einer weithin irrlichternden Politik, die mehr und mehr die Kontrolle verloren hat.
Es gibt starke Frauen, die plötzlich flüstern (Juliette Binoche in „Avec amour et acharnement“, Charlotte Gainsbourg in „Les passagers de la nuit“), Männer, die schwächeln (Simon Wisler in „Drii Winter“, Denis Ménochet in „Peter von Kant“ oder auch der abreizend verheizt wirkende Michael Thomas in „Rimini“). Interessant sind Trübsinn und Tristesse immer da gewesen, wo es keinen eindeutigen Auslöser für sie gab. Besonders stark blieb dieser Eindruck bei „Rimini“ von Ulrich Seidl haften, einem Film über einen abgehalfterten Schlagerstar im winterlichen Italien.
Wenn Kino wirklich eine Vorlage für adaptives Rollenverhalten ist, dann werden wir also künftig andere Frauen und Männer sehen als heute. Laut und lebendig sind im Berlinale-Wettbewerb eigentlich nur die sogenannten Minderheiten gewesen, solche mit starkem biographischem Selbstbewusstsein: die Nymphomaninnen etwa in „Un été comme ça“ von Denis Côté. Auch das ist ein Statement.
Bereits am Mittwochnachmittag standen die Gewinner der Gläsernen Bären und die Preise der Jurys von Generation Kplus und 14plus fest. Der mit 5000 Euro dotierte Heiner-Carow-Preis ging an den Kameramann Rafael Starman. Er wurde für den Spielfilm „Gewalten“ gewürdigt, der in der Nachwuchssektion Perspektive Deutsches Kino lief.
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Hier alle Preisträger des Abends:
Goldener Bär für den besten Film: „Alcarràs“ von Carla Simón
Silberner Bär Großer Preis der Jury: „So-seol-ga-ui yeong-hwa“ (The Novelist's Film) von Hong Sangsoo
Silberner Bär Preis der Jury: „Robe of Gems“ von Natalia López Gallardo
Silberner Bär für die beste Regie: Claire Denis für „Avec amour et acharnement“ (Both Sides of the Blade)
Silberner Bär für die beste schauspielerische Leistung in einer Hauptrolle: Meltem Kaptan in „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“
Silberner Bär für die beste schauspielerische Leistung in einer Nebenrolle: Laura Basuki in „Nana“ (Before, Now & Then)
Silberner Bär für das beste Drehbuch: Laila Stieler für „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“
Silberner Bär für herausragende künstlerische Leistung: „Everything Will Be Ok“ von Rithy Panh
Special Mention der Jury: „Drii Winter“ (A Piece of Sky) von Michael Koch
Goldener Bär für den besten Kurzfilm: „Trap“ von Anastasia Veber