Es geht um Massenmord

Sachsenhausen-Prozess: KZ-Wärter (101) will nur unbedeutender Landarbeiter gewesen sein

Laut Anklage soll der 101-Jährige als SS-Wachmann in dem KZ von 1942 bis 1945 Beihilfe zum Mord an Tausenden Häftlingen geleistet haben.

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Brandenburg/Havel: Der angeklagte ehemalige KZ-Wachmann (li.) kommt in den Gerichtssaal. Der inzwischen 101-jährige Angeklagte soll zwischen 1942 und 1945 im Konzentrationslager Sachsenhausen nahe Berlin Hilfe zur Ermordung von Lagerinsassen geleistet haben.
Brandenburg/Havel: Der angeklagte ehemalige KZ-Wachmann (li.) kommt in den Gerichtssaal. Der inzwischen 101-jährige Angeklagte soll zwischen 1942 und 1945 im Konzentrationslager Sachsenhausen nahe Berlin Hilfe zur Ermordung von Lagerinsassen geleistet haben.dpa/Sommer

Im Prozess um die Massentötungen von Häftlingen im Konzentrationslager Sachsenhausen hat der Angeklagte am Donnerstag erklärt, von 1941 bis 1945 zum größten Teil lediglich als Landarbeiter bei Pasewalk tätig gewesen zu sein. Die Nebenkläger dürfte das kaum überzeugen.

In einer von seinem Verteidiger zusammengefassten Erklärung äußerte sich der 101-Jährige am Donnerstag erstmals zu seiner angeblichen Tätigkeit in Deutschland während des Zweiten Weltkriegs. Zuvor hatte er in dem Prozess mehrfach bestritten, als Wachmann der SS in dem KZ tätig gewesen zu sein, wie die Staatsanwaltschaft ihm vorwirft.

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Laut Anklage soll der 101-Jährige als SS-Wachmann in dem KZ von 1942 bis 1945 Beihilfe zum Mord an Tausenden Häftlingen geleistet haben. Die Staatsanwaltschaft stützt sich dabei auf Dokumente zu einem SS-Wachmann mit dem Namen, dem Geburtsdatum und dem Geburtsort des Angeklagten. In dem Prozess hatte auch der Historiker Stefan Hördler mehrere Belege zur Tätigkeit dieses Mannes in mehreren SS-Wachkompanien geliefert. Der Angeklagte war 1941 als sogenannter Volksdeutscher von Litauen nach Deutschland umgesiedelt worden.

KZ-Insasse: „Wir hatten kaum etwas zu essen und wurden geschlagen, jeden Tag“

Am 4. November schilderte ein 92-jähriger Überlebender des Konzentrationslagers Sachsenhausen in bewegenden Worten im Gericht sein Martyrium als Jugendlicher in dem KZ. Jahrzehntelang habe er über die schrecklichen Erlebnisse geschwiegen, sagt Emil Farkas den Richtern. Er verlange nun vom 101-jährigen Angeklagten ein Schuldeingeständnis.

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Farkas: „Wir hatten kaum etwas zu essen und wurden geschlagen, jeden Tag“, berichtete er. „Und Menschen sind um uns herum verhungert, jeden Tag.“ Es sei für ihn das erste Mal, dass er in einem öffentlichen Prozess darüber spreche, sagte er sichtlich bewegt. „Ich war stumm, jahrzehntelang.“ Denn es sei schwer darüber zu reden, bekannte Farkas. „Ich wollte das eigentlich alles vergessen, glauben Sie mir.“

Zum Angeklagten sagte der 92-jährige Nebenkläger aus Israel: „Sie haben mich im Schuhläuferkommando im Lager gesehen und Sie haben mich gehört, denn wir mussten beim Marschieren das Lied von ‚Erika‘ singen“. Und: „Seien Sie mutig, wenigstens jetzt.“ Der Angeklagte reagierte darauf nicht. Am zweiten Prozesstag hatte er bestritten, überhaupt in dem KZ gewesen zu sein.

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