Wo die Eltern stehen, soll auf dem Schulhof eine Behelfsmensa gebaut werden, Platz zum Spielen wird in der Elisabeth-Shaw Grundschule in Pankow dann knapp.&nbsp;<br><br>
Wo die Eltern stehen, soll auf dem Schulhof eine Behelfsmensa gebaut werden, Platz zum Spielen wird in der Elisabeth-Shaw Grundschule in Pankow dann knapp. 

Berliner Kurier/Markus Wächter 

Die Elizabeth-Shaw-Grundschule in Pankow wird in den kommenden Jahren umfassend saniert. Das denkmalgeschützte Backsteingebäude in der Nähe des Bahnhofs Pankow hat eine Generalüberholung dringend nötig. Doch dass für den jahrelangen Umbau diverse Ersatzbauten den Schulhof zu einem unübersichtlichen Häusermeer machen sollen und damit Freiflächen für Pausen und Hort ausgerechnet in der Pandemie drastisch verkleinert werden, wollen die Eltern nicht hinnehmen. Sie fordern kreativere Lösungen für Probleme einer wachsenden Stadt, in der ein Mangel an Flächen in ihren Augen oft ideenlos und bürokratisch verwaltet wird.

An einem Mittwochvormittag hat sich eine Gruppe von Eltern auf dem Schulhof an der Grunowstraße eingefunden. Sie wollen zeigen, was in den kommenden Jahren aus dem Schulhof der Grundschule wird: Ein zergliedertes Sammelsurium von Behelfsbauten mit Fetzen von Freiflächen.

Katarina Boritzki- Greiner ist die Gesamtelternvertreterin der Schule, sie führt den Trupp bei dem Rundgang an und erklärt: „Die Schule, ursprünglich für 300 Kinder konzipiert, beherbergt heute schon 500 Schüler, ohne dass Flächen hinzugekommen wären. Für die anstehende Sanierung müssen einige Klassen in einen temporären Erweiterungsbau, ein TEB, umziehen. Der Bau entsteht gerade auf einem Teil des Schulhofs – die Trampoline, die sich hier einmal befanden, sind bereits umgezogen. Das grüne Klassenzimmer musste weichen.“

Viele Ämter mischen mit, aber nicht im Namen der Kinder

Bei der Planung der Sanierung haben viele Ämter ein Wort mitzureden. Das Denkmalschutzamt, das Grünflächenamt, das Bezirksamt als Bauherr natürlich. Ein Amt, das Anwalt der Kinder ist, gibt es nicht, auch deswegen sind die Eltern heute hier. Ihr Vorwurf: Die Verwaltung wählt den einfachsten Weg, der die Belange der Kinder zuletzt berücksichtigt.

Weiter geht es, an spielenden Kindern vorbei, die im Normalbetrieb einen Großteil ihres Tages in Schule und Hort verbringen, bis zu einer Reihe von großen alten Bäumen. Hier wird eine Bauauffahrt den Schulhof längs in zwei Teile schneiden. „Eigentlich müsste die Auffahrt links und rechts mit Zäunen gesichert sein“, sagt Katarina Boritzki-Greiner. Doch wie der Schulbetrieb, der sowohl im  Backsteinhaus rechts vom Zaun und einem weiteren Modularen Erweiterungsbau, einem MEB, links vom Zaun stattfindet, organisiert werden soll, ist unklar. Vielleicht muss, wie bei Bauarbeiten an Straßenbahnschienen üblich, ein Wächter jedem durchkommenden Schüler öffnen?

Viele Schulen platzen inzwischen aus allen Nähten

TEB, MEB, Doppelbelegung von Räumen, Essen in der Aula – dass die Schule aus allen Nähten platzt und Schüler bereits an andere Schulen im Bezirk verwiesen werden müssen, ist eine Tatsache. Dass saniert werden muss, auch. Doch unter welchen Entbehrungen das im laufenden Betrieb geschieht, ist im Vorfeld nur zu erahnen. Doch nun weiter mit der Besichtigung, denn noch ist das Behelfsbauten-Puzzle nicht vollständig gelegt.

Der dickste Brocken nämlich soll mitten auf dem Schulhof platziert werden: Bevor das Hauptgebäude saniert werden kann, muss zuerst eine temporäre Mensa aufgestellt werden. Der Mensa-Ersatzbau ist 14 mal 26 Metern groß und darf, anders als die bisherige Mensa, die zugleich Aula war, und für Einschulungen, Konzerte und als Essensraum genutzt wurde, nur als Mensa genutzt werden. „Für etwa zwei Stunden Nutzung am Tag geht ein großer Teil des Hofs verloren“, sagt Sonja Tolsdorff. Die Ersatzmensa wird erst wieder abgebaut, wenn die richtige Mensa steht. Moment mal, wo soll die denn noch hin? Auf den jetzigen Spielplatz, so ein Plan. Dahin, wo jetzt das einzige Klettergerüst für 500 Grundschüler steht.

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„Jeder Wohnungsneubau muss Freiflächen für Kinder ausweisen, die möglicherweise einziehen“, sagt eine Mutter. Nur in Schulen gelte das nicht. Die Flächen zum Toben in den Pausen werden kleiner und kleiner. Für die Erzieher werde es in dem zergliederten Gelände immer schwerer, die Kinder zu beaufsichtigen, sagen die Eltern. Doch stets nur kritisieren wollen sie nicht und haben dem Bezirk Alternativen zur Häuserschlucht auf dem Pausenhof vorgestellt.

Direkt an das Schulgelände angrenzend befindet sich eine Brache der Berliner Feuerwehr. Von der BIM verwaltet, ist die Fläche der Schule für ein Jahr verpachtet. Irgendwann einmal will die Feuerwehr hier wieder Autos unterstellen. „Mittelfristig“, heißt es. In einem Land, in dem Schulen und Kitas die schönsten Plätze wären, wie Annalena Baerbock kürzlich phantasierte, käme man auf die Idee, eine Kooperation von Schule und Feuerwehr anzustreben. Was wäre cooler, als beim Mittagessen in der Mensa auf dem Garagendach die Feuerwehrwagen durch eine Glasscheibe im Boden zu beobachten? Oder in einer AG mehr über die Arbeit der Feuerwehr zu erfahren?

Die Freifläche neben dem Schulhof könnte genutzt werden, doch die Feuerwehr will das Gelände mittelfristig selber nutzen. Einen Kombinations-Bau lehnt sie ab.&nbsp;&nbsp;<br><br>
Die Freifläche neben dem Schulhof könnte genutzt werden, doch die Feuerwehr will das Gelände mittelfristig selber nutzen. Einen Kombinations-Bau lehnt sie ab.  

Berliner Kurier/Markus Wächter 

Doch die Feuerwehr winkt ab: „Nach Verhandlungen hat der Bezirk derzeit nur einen 1-Jahresvertrag mit 3-monatiger Kündigungsfrist für das Grundstück erhalten. Für die Mensa ist dies nicht planbar. Wir haben als Bezirk hier bereits mehrfach bei der BIM nachgehakt“, schreibt der Pankower Schulstadtrat Thorsten Kühne. Und auch ein vom Bezirksbürgermeister Sören Benn verwaltetes Grundstück der Volkshochschule  unmittelbar neben dem Schulgelände kommt, wie von den Eltern vorgeschlagen, für den Bau einer Ersatzmensa oder einer endgültigen Mensa nicht in Frage. Leitungen im Untergrund, heißt es, verhindern den Bau auf dem wenig genutzten Parkplatz.

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„Immerhin konnte erreicht werden, dass ein Teil des VHS-Grundstücks nunmehr auch für eine Schulhoferweiterung genutzt wird, so lange die temporäre Mensa steht“, sagt Thorsten Kühne. „Insofern kann dann zumindest ein Flächenausgleich geschaffen werden.“ Kühne, dem das Bemühen um eine gute Lösung anzumerken ist, löffelt die Suppe aus, die Sachzwänge in Form von Rechtsvorgaben, Vorgaben des Senats und Planungen Dritter, wie der Feuerwehr, den Kindern versalzen. Kühne löffelt nicht nur an der Elisabeth-Shaw-Grundschule.

An 20 Schulen gibt es Ergänzungsbauten – und das allein in Pankow

„Die hier beispielhaft geschilderten Probleme  treffen auf zahlreiche Pankower Schulstandorte zu“, sagt er. An mittlerweile 20 Schulstandorten wurden dauerhafte Ergänzungsbauten (MEB) auf den Schulhöfen errichtet, wobei Freiflächen verloren gingen. An sieben Standorten würden temporäre Bauten errichtet bzw. geplant. „Die Problematik der dadurch verringerten Schulhofflächen ist dem Bezirksamt sehr bewusst, allerdings durch die begrenzten Grundstücksflächen bei steigenden Schülerzahlen auch nur bedingt lösbar“, sagt Kühne.

Kinder werden dicker und unbeweglicher, monieren Ärzte. Kein Wunder, wenn Platz zum Toben immer weniger wird.<br><br>
Kinder werden dicker und unbeweglicher, monieren Ärzte. Kein Wunder, wenn Platz zum Toben immer weniger wird.

Berliner Kurier/Markus Wächter 

Gerade in Innenstadt- bzw innenstadtnahen Bereichen seien Grundstückserweiterungen, abgesehen von fehlenden Finanzmitteln zum Ankauf, grundsätzlich nicht möglich. Bereits bei Schulneubauten müsse aufgrund der begrenzten Flächen von den Vorgaben für Schulaußenflächen nach unten abgewichen werden, weil sonst Schulen nicht gebaut werden könnten. Das Bezirksamt versuche sich den Herausforderungen einer wachsenden Stadt bestmöglich zu stellen. „Nicht zu bauen und zu sanieren, kann hierbei keine Alternative sein“, so Kühne.

Sonja Tolsdorff (l.) und Katarina Boritzki-Greiner sind Elternvertreter der Schule und wollen nicht hinnehmen, dass die Belange der Kinder zuletzt gehört werden.&nbsp;<br><br>
Sonja Tolsdorff (l.) und Katarina Boritzki-Greiner sind Elternvertreter der Schule und wollen nicht hinnehmen, dass die Belange der Kinder zuletzt gehört werden. 

Berliner Kurier/Markus Wächter 

In einem Positionspapier hat der Bund Deutscher Landschaftsarchitekten zur Berliner Schulbauoffensive schon 2018 gemahnt: „Bei vielen Schulbausanierungsmaßnahmen kommen die Schulfreiflächen quasi nicht vor.“ Die Planung und Gestaltung des Außenraums dürfe nicht reduziert werden auf Abstandsgrün und Pflasterflächen zum Erreichen des Gebäudes. „Der Außenraum darf nicht der Rest sein, sondern ist wesentlicher Bestandteil des pädagogisch didaktischen Gesamtkonzeptes einer Schule!“, heißt es weiter.

In Pankow können die Eltern darüber nur müde lächeln. Auch darüber, dass eine vorläufige Prüfung der Flächenbilanz an der Elisabeth-Shaw Grundschule nun ergeben hat, dass die Unterbringung einer endgültigen Mensa doch in den Bestandsgebäuden möglich sei, wie der Schulstadtrat sagt. Man rückt dann eben drinnen wieder ein Stückchen enger zusammen. Damit müssen sich Heranwachsende in der wachsenden Stadt abfinden, solange der Wille zu kreativen Lösungen irgendwo auf dem Weg zwischen Instanzen und Sachzwängen verloren geht.