Verschwundener Schnee: Was ist mit dem Schlittenberg in der Parkaue passiert?
Plötzlich war der Schnee auf der Piste verschwunden. Die Anwohner rätseln, die Theorien könnten unterschiedlicher nicht sein. Der KURIER ermittelt.

Volkmar Otto
Es scheint eines der größten Mysterien des Berliner Blitz-Winters zu sein: Wo zur Hölle ist der Schnee des Lichtenberger Rodelberges hin? Noch am vergangenen Wochenende sausten unzählige Familien auf ihren Schlitten die Piste am nordwestlichen Zipfel des Stadtparks hinab, doch dann war die weiße Pracht plötzlich weg. Skurril: Während ringsumher Schnee liegt, der Boden sogar gefroren ist, ist nur die Abfahrt verschlammt. Der KURIER hat versucht, das eiskalte Rodel-Rätsel zu knacken.
Der Winter hat Berlin im Griff – und trotzdem liegt der Rodelberg im Lichtenberger Stadtpark beinahe verlassen da. Überall im Park glitzert die Schneedecke, Kinder düsen mit ihren Schlitten über die leichten Hügel. Doch: Was ist das? Der Rodelberg ragt wie eine schwarze Warze in die Höhe. Nur an den Seiten liegt noch etwas von der weißen Pracht, die Abfahrt selbst ist eine glitschige braune Piste aus Schlamm.

Volkmar Otto
Was ist denn hier passiert? Das fragen sich auch die Anwohner. Denn das Schnee-Rätsel von Lichtenberg entstand – quasi – über Nacht. Am Rand des Parks wird getuschelt. „Am Dienstag war der Schnee noch da, am Mittwoch war er weg“, sagt Pascal (37), der mit seiner Tochter bisher den Berg unsicher machen konnte, nun aber auf die seichten Hügel am Rand des Parks ausgewichen ist. Was könnte geschehen sein? „Die einzige Erklärung, die ich habe: Jemand hat Salz hingekippt“, sagt er. „Es gibt viele, die hier gern spazieren gehen, die sich vielleicht von den Kindern gestört fühlten.“ Der böse Nachbar als Schnee-Dieb? Gibt es hier denn viele genervte Anwohner? „Nein, eigentlich nicht.“

Volkmar Otto
War es ein Anschlag oder nicht? Als wir vor Ort recherchieren, gelangen unterschiedliche Theorien an die Oberfläche. War es die Sonne? Unwahrscheinlich, denn dann wäre der Schnee auch anderswo verschwunden. War es das Grünflächenamt? Nein, sagt das Grünflächenamt. „Grundsätzlich würden wir auf Wiesen in Parks kein Salz oder Ähnliches einsetzen“, sagt Ordnungsstadtrat Martin Schaefer (CDU). Denn damit würde man die Grasnarbe zerstören. Liegt es daran, dass zu viele rodelten? Möglich, aber warum verschwand der Schnee dann so schnell, warum überfriert der Berg nicht neu, warum bleiben Pfützen? Warum?
Wen könnte man fragen, wenn es um ausgebremsten Verkehr geht? Natürlich die BVG. Der Tunnel der U-Bahn-Linie U5 liegt in einiger Entfernung, aber womöglich ist ein Versorgungsschacht unter der Erde schuld daran, dass es hier taut? Kurz und bündig teilt BVG-Sprecher Jannes Schwentu mit: „Nein, wir haben da keine Anlagen.“ Ein Blick auf das Satellitenbild verrät: Direkt nebenan liegt die Ringbahn-Trasse. Versteckt die S-Bahn hier einen unterirdischen Bunker oder andere Anlagen? Pressesprecherin Sandra Spieker lacht am Telefon. Auch sie will sich kundig machen, konnte die brennende Frage auf die Schnelle aber nicht klären.

Volkmar Otto
Eine Mutter, die ihr Töchterchen auf dem Schlitten hinter sich herzieht, hat eine andere Idee: „Vielleicht liegt unter dem Berg ein warmes Rohr oder etwas Ähnliches. So könnte ich es mir erklären.“ Ein warmes Rohr? Fernwärme vielleicht? Nachfrage bei Vattenfall. Pressesprecher Olaf Weidner antwortet schnell. In der Kielblockstraße und weiter in Richtung Park habe man Fernwärmeleitungen liegen, schreibt er. „Die sind natürlich auch sehr gut isoliert, um Wärmeverluste zu vermeiden und liegen in entsprechender Tiefe. Ob die in der Lage wären, den Boden so weit aufzutauen und auch den überirdischen Schnee zum Schmelzen zu bringen, ist sehr spekulativ, aber nicht ganz ausgeschlossen.“ Weidner liefert eine andere Theorie. Sein Gefühl gehe „in Richtung Wasser- oder sogar Abwasserleitungen – weil Letztere etwas höher temperiert sein dürften“.
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Anruf bei den Wasserbetrieben. Liegen dort etwa aufgeheizte Wasserleitungen, die den Anwohnern die Lust auf den Schnee verderben? Unwahrscheinlich, sagt Sprecher Stephan Natz auf Anfrage. „Trinkwasserleitungen liegen in einer frostfreien Tiefe von 1,50 Meter und sind so isoliert, dass da nichts passieren sollte. Die einzige Erklärung könnte ein Abwasserkanal sein, der sehr flach unter der Erde liegt, aber das ist unter einem Rodelberg auch fraglich.“ Er will der Sache dennoch nachgehen, meldet sich kurze Zeit später am Telefon. „Wir haben da nix.“ Das Rätsel des Lichtenberger Rodelberges wird also vorerst ein Geheimnis bleiben.