Gemeinsame Leitstelle gefordert
Rettung für den Rettungsdienst der Berliner Feuerwehr: Krankenkassen und Gewerkschaften hätten da eine Idee
Krankenkassen und Gewerkschaften fordern gemeinsame Leitstelle von Berlins Feuerwehr und Kassenärztlicher Vereinigung

Seit Jahren klagt die Feuerwehr über eine ständig wachsende Zahl von Rettungswagen-Einsätzen, viele davon wegen Lappalien. Die Zahl der Rettungswagen-Alarmierungen stieg von knapp 339.000 im Jahr 2012 auf fast 475.000 im vergangenen Jahr. 2022 verging kaum ein Tag, dass wegen Überlastung des Rettungsdiensts der Notstand erklärt werden musste.
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Eigentlich sollte die Kassenärztliche Vereinigung (KV) mit ihrer Beratung über die Telefonnummer 116117, mit ihren darüber zu alarmierenden bis zu zwölf Bereitschaftsärzten und den außerhalb normaler Öffnungszeiten bereitstehenden elf Notdienstpraxen für Abhilfe sorgen, indem sie Einsätze übernimmt. Aber das klappt nach Darstellung von Gewerkschaftern nur mäßig. Der Verband der Ersatzkassen (vdek) fordert deshalb und nicht nur für Berlin, dass die Leitstellen von Feuerwehr und KV zusammengeschlossen werden.
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im zweiten Quartal 2022 wurden gerade einmal 3000 Fälle, bei denen in Berlin jemand die 112 gewählt hatte, von der Feuerwehr- an die KV-Leitstelle weitergeleitet. Trotz einer laufenden Änderung der Fall-Codierung: Die Anrufer werden nach Symptomen einer Krankheit oder Verletzungen bei einem Unfall abgefragt, und dann entscheidet die Feuerwehr-Leitstelle nach einem festgelegten Katalog, ob sie einen Rettungswagen und gegebenenfalls einen Notarzt schickt, oder ob sie den Fall an die KV abgibt.
Der vdek (Barmer, DAK, KKH, hkk, HEK) erklärte dazu: „Ideal wäre eine vollständige Integration der Leitstellen, sodass eingehende Anrufe rund um die Uhr an die jeweils zuständige Leitstelle zügig übergeben werden können. In der gemeinsamen Leitstelle soll eine standardisierte Notrufabfrage (Ersteinschätzung) anhand von einheitlichen Kriterien erfolgen, wodurch Patient:innen gezielt der für sie angemessenen Versorgungsstruktur zugeordnet werden können. “
Feuerwehrgewerkschaft kritisiert, dass die Berliner Politik aus ihren Erkenntnissen keine Schlüsse zieht
Die Deutsche Feuerwehrgewerkschaft DFeuG ist von der Idee sehr angetan, kritisiert in diesem Zusammenhang aber die Berliner Politik. DFeuG-Sprecher Manuel Barth erklärte dem KURIER: „Die DFeuG Berlin Brandenburg hat erst kürzlich die Forderung nach einer gemeinsam agierenden Leitstelle dem Innenausschuss des Abgeordnetenhauses vorgestellt. Daher können wir der vdek nur zustimmen. Die Empfehlung ist auch nicht wirklich neu. Ein durch die Berliner Feuerwehr beauftragtes Rettungsdienstgutachten aus dem Jahr 2016 war schon zu diesem Thema sehr deutlich. Leider mussten und müssen wir immer wieder beobachten, dass man sich zwar behördenseitig um Erkenntnisgewinn bemüht, aber dann anscheinend mit dem Ergebnis nichts anzufangen weiß.“
Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Polizei, die auch Feuerwehrleute zu ihren Mitgliedern zählt, plädiert namens der GdP zu einer Ergänzung, nämlich der Einbeziehung der Krankentransportunternehmen in das Versorgungssystem, unter Anleitung der Feuerwehr in einer gemeinsamen Leitstelle mit der KV: „Die Feuerwehr würde gerne Fälle abgeben. Es ist beispielsweise nicht notwendig, dass die Feuerwehr Patienten aus einem in ein anderes Krankenhaus verlegt.“
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Die privaten Firmen könnten auch tätig werden, wenn ein KV-Bereitschaftsarzt bei einem Hausbesuch (2020: 102.000) feststellt, dass der Patient ins Krankenhaus muss. Jendro beklagt, dass die angestrebte engere Vernetzung der beiden Leitstellen nicht gut funktioniert: „Bislang ist es leider so, dass auch die Feuerwehr-Leitstelle auch in der Warteschleife hängt, wenn sie die KV kontaktieren will.“
Kassenärztliche Vereinigung lehnt gemeinsame Leitstelle ab
Die KV lehnt den Vorschlag des vdek ab: „In Berlin wird die effiziente und effektive Zusammenarbeit beider Leitstellen bereits gelebt. (...) Die Zusammenarbeit der Leitstellen wurde in den vergangenen Jahren intensiviert und professionalisiert. Anpassungen in der Zusammenarbeit finden regelmäßig und bei Bedarf auch kurzfristig statt.“
Rufe jemand die 116117 an (drei Disponenten im Nachtdienst, maximal 9 Disponenten im Spätdienst am Wochenende und an Feiertagen) und werde durch das das standardisierte medizinische Ersteinschätzungsverfahren ein Notfall erkannt, wird die Person über eine Schnittstelle direkt an die Berliner Feuerwehr weitergeleitet. Auch Personen, die die 112 wählen (Leitstellen-Sollstärke: 25 Mitarbeiter) und nicht als Notfall eingeschätzt werden, werden an die 116117 weitergeleitet.
Es könne nicht sein, dass die Feuerwehr in der telefonischen KV-Warteschleife festhängt: Die Einsätze würden elektronisch per IGNIS-Schnittstelle von der Leitstellensoftware der Feuerwehr an die Leitstellensoftware der Leitstelle des Ärztlichen Bereitschaftsdiensts übermittelt. Der Behandlungsbedarf werde dann von medizinischem Fachpersonal ersteingeschätzt und eine bedarfsgerechte Versorgung empfohlen. „Wir sehen daher keinen Mehrwert in einer organisatorischen Zusammenlegung der Leitstellen.“
Die Senatsgesundheitsverwaltung zog es vor, auf eine Anfrage nicht zu antworten.
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Die für die Feuerwehr zuständige Senatsinnenverwaltung von Iris Spranger (SPD) teilte mit, dass ihr die grundsätzliche Idee einer gemeinsamen Leitstelle bekannt und in gegenwärtige Überlegungen einbezogen sei.
Innensenatorin konstatiert enge Zusammenarbeit von KV und Feuerwehr, aber auch Probleme
KV und Feuerwehr würden in der ambulanten und präklinischen Versorgung bereits seit vielen Jahren eng zusammen arbeiten. Die Feuerwehr verfolge den strategischen Ansatz, sich über digitale Schnittstellen mit den jeweiligen Partnern zu vernetzen. Mit der Leitstelle der KV ist dies bereits geschehen. So ergaben sich mit der bundesweiten Einführung der „strukturierten medizinischen Ersteinschätzung in Deutschland“ (SmED) durch die KV Anfang 2020 neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit.
Allerdings seien an der derzeitigen IT-Schnittstelle zwischen Feuerwehr und KV Umrüstungen notwendig, damit die Feuerwehr eine gesicherte Rückmeldung von der KV erhält, dass sie einen Fall übernimmt.