Ab Lichtenberg: 10 Euro mit dem Bus

Shopping-Fieber auf Polenmarkt: „Das Böllern lasse ich mir nicht verbieten“

Das polnische Osinów Dolny (Hohenwutzen) wirbt damit, dass alle Geschäfte weiterhin geöffnet sind. Lohnt sich der Ausflug mit dem Shuttlebus? Ein Test.

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Ria Bautsch ist aus der Nähe von Hamburg angereist, um Feuerwerk für Silvester zu kaufen.
Ria Bautsch ist aus der Nähe von Hamburg angereist, um Feuerwerk für Silvester zu kaufen.

Um fünf Uhr in der Früh hat der Wecker bei Fabiola, 56, geklingelt. Die Friseurin aus Spandau, die ihren Nachnamen lieber nicht nennen will, nimmt an diesem Morgen die Bahn vom Westen in den Osten. Sie will pünktlich in Lichtenberg sein und in der Allee der Kosmonauten in einen sehr besonderen Shuttle-Transport einsteigen. Der blaue Reisebus mit polnischem Kennzeichen wird sie für zehn Euro zum Polenmarkt Hohenwutzen bringen. Ein Angebot, für das sich sieben weitere Menschen entschieden haben. Um neun Uhr startet die erste Fuhre des Tages.

Während die Einkaufsmöglichkeiten im deutschen Lockdown seit Mittwoch auf ein Minimum begrenzt sind, wirbt der Markt in Hohenwutzen damit, dass alle Geschäfte weiterhin geöffnet sind. Dreimal täglich steuert der Bus den polnischen Ort Osinów Dolny an, um Berlinern kurz hinter der Grenze das Einkaufen zu ermöglichen.

„Meine Chips mit Ketchup bekomme ich in Berlin nicht, deswegen wollte ich hier vor Weihnachten noch mal hin“, sagt Fabiola. Die blonde Frau mit der auffälligen Micky- Maus-Tasche will sich auch noch mit Brot, Kuchen und Zigaretten eindecken. Ob Gänse, verschiedene Kohlsorten oder frisches Obst: Die Auswahl an Lebensmitteln auf dem Marktplatz ist in Hohenwutzen riesig. Der Markt ist überdies bekannt für Tabakwaren und Spirituosen zu günstigen Preisen. An anderen Ständen werden Kinderspielzeug, Schals, Gürtel, Hosen, Gartenzwerge oder Autozubehör angeboten.

Fabiola aus Spandau hat Brot, ihre Lieblingschips und andere Kleinigkeiten auf dem Markt gekauft.
Fabiola aus Spandau hat Brot, ihre Lieblingschips und andere Kleinigkeiten auf dem Markt gekauft.

Helga, 84, Bernd, 79, und Ute, 65, aus Berlin – auch sie wollen lieber nur ihre Vornamen nennen – flanieren auf dem Polenmarkt über die Einkaufsstraße namens Kudamm. Konkrete Kaufpläne haben sie nicht. „Wir waren neugierig, ob es Kontrollen gibt“, sagt Bernd. „Wenn wir nach dem Besuch in Quarantäne gemusst hätten, wären wir nicht gefahren. Das Weihnachtsfest wollen wir schon in einer kleinen Runde feiern.“ Für Berliner bestehen gemäß der aktuellen Infektionsschutz-Verordnung keine Einschränkungen nach dem Ausflug.

Helga nutzt die Chance, sich die Haare schneiden zu lassen. „Der Friseur gefällt mir hier besser als in Berlin. Man kann seine Wünsche äußern, und es ist auch deutlich preiswerter“, sagt sie. Ab 4 Euro bekommt man in Hohenwutzen einen Haarschnitt. Für einen neuen Schnitt ist auch Marlies Kühn, 70, aus Bernau angereist. „Eigentlich hatte ich am Freitag einen Termin bei meinem Stammfriseur, aber es hat ja alles zu. Weihnachten möchte ich dann doch schick aussehen“, sagt sie. Angst vor einer Ansteckung unterwegs hat sie nicht. „Ich bin der Meinung, man übersteht das alles.“

Helga, Bernd und Ute aus Berlin sind aus Neugierde gekommen.
Helga, Bernd und Ute aus Berlin sind aus Neugierde gekommen.

Auch die Geschäftsleute auf dem Polenmarkt wollen die Pandemie überstehen. Standbetreiberin Ulla, 57, wartet mit ihrem Tabaksortiment gegen Mittag auf Kundschaft; allzu viel ist nicht los. Vor einem Laden mit dem Namen Zigaretten-Zentrum dudelt Weihnachtsmusik. Im Shop gibt es auch Feuerwerk. Der Verkäufer glaubt allerdings nicht, dass er die Ware in diesem Jahr komplett los wird. Zusätzlich zum Shuttle-Bus komme nur etwa ein Berliner Auto pro Stunde, sagt er.

In Deutschland ist der Verkauf von Feuerwerk derzeit verboten. Reinhard Bautsch, 75, und seine Tochter Ria, 45, wollen Silvester trotzdem knallen. Die beiden haben einen Weg von viereinhalb Stunden auf sich genommen, sind aus der Nähe von Hamburg nach Hohenwutzen gereist. „Ich habe mich bisher an alle Regeln gehalten, aber das Böllern lasse ich mir nicht verbieten“, sagt Reinhard Bautsch. „Das hat nichts mehr mit Corona zu tun, man kann doch im Privaten ein kleines Feuerwerk machen“, ergänzt seine Tochter. Auch Weihnachten wollen die Bautschs eine Ausnahme machen und mit etwas mehr als fünf Leuten zusammenkommen.

Wie viele Leute in den nächsten Tagen im Shuttle-Bus sitzen werden, weiß David, der Fahrer, nicht. „Seit Beginn der Corona-Krise gibt es erheblich weniger Fahrgäste“, sagt er. Und hofft auf das kommende Jahr. Doch auch in Polen wird es ab dem 28. Dezember einen Lockdown geben. Zumindest bis dahin wird David die Berliner noch zum Polenmarkt Hohenwutzen fahren.