Die&nbsp;Unternehmerinnen Larissa Hunekohl und&nbsp; Ramona Hartmann haben Studio Wetter gegründet. Ihre Schirme sind langlebige Accessoires.<br><br>
Die Unternehmerinnen Larissa Hunekohl und  Ramona Hartmann haben Studio Wetter gegründet. Ihre Schirme sind langlebige Accessoires.

Markus Wächter 

Haben Sie an einem sehr regnerischen Tag schon einmal die sehr elegant gekleideten Männer und Frauen im italienischen Mailand oder nordspanischen San Sebastien gesehen? Zu einer gepflegten Garderobe tragen sie dort ihre Regenschirme wie kostbare Säbel oder elegante Taktstöcke.

Ausrangierte Billigschirme auf dem Bürgersteig

In Berlin stopft man sich derweil einen Knirps in den Rucksack oder wirft sich die regenfeste Outdoorjacke über, wenn es tröpfelt. Nach jedem heftigeren Regenguss sieht man ausrangierte Billigschirme aus den Drogerien auf den Bürgersteigen liegen. Ihre Gestänge grotesk verdreht, der Stoff verheddert bis zur Unkenntlichkeit.

In Berlin gibt es nur noch ein einziges Fachgeschäft für Regenschirme. Ist es also Zeit, dem Accessoire wieder zu mehr Wertschätzung zu verhelfen?

Die beiden Gründerinnen Ramona Hartman und Larissa Hunekohl sind jedenfalls angetreten, den gebeutelten Alltagsgegenstand aus der Ecke der Einwegartikel zu holen und nachhaltige Regenschirme herzustellen, die jahrelang halten und trotzdem frei von Traditionsmuff sein sollen.

Ein vernachlässigtes Produkt wird modern und stylish

Die Gründerinnen kommen aus der Werbebranche und hatten die feste Absicht, sich selbstständig zu machen. Ein vernachlässigtes Produkt, das eine Generalüberholung brauchte, musste her. Eines, das es verdient hat, streetsmart und modern zu werden. Außerdem sollte es nachhaltig hergestellt sein.

Im Neuköllner Homeoffice arbeiten Larissa Hunekohl und Ramona Hartmann an ihrem Produkt. Ein Schirm hat bis zu 300 Einzelteile. Alle müssen perfekt sein.<br><br>
Markus Wächter 
Im Neuköllner Homeoffice arbeiten Larissa Hunekohl und Ramona Hartmann an ihrem Produkt. Ein Schirm hat bis zu 300 Einzelteile. Alle müssen perfekt sein.

„Nicht bügeln, nicht waschen, nicht verlieren“ steht auf Englisch auf einem Etikett unter der Kuppel der Schirme aus Berlin. Denn wer sie nicht in der U-Bahn vergisst, hat lange etwas von ihnen. Damit die Schirme nicht gleich bei jedem Wind einknicken, gibt es etwa ein Gestell aus biegsamen Fiberglasstreben. Die zweilagige Bespannung aus recycelten Plastikflaschen ist stabil und legt sich elegant in Falten, wenn man die richtige Technik des Schirmrollens beherrscht. Auch so eine Kulturtechnik, die verloren geht, wenn alle Welt nur noch 5-Euro-Schirme knüllt.

Auch in Sachen Produktionsstandards haben die Gründerinnen recherchiert: „Wir arbeiten mit einem erfahrenen spanischen Schirmhersteller zusammen und lassen in China produzieren. In Europa sind Anfang der 2000er-Jahre alle Firmen abgewandert“, mussten Hunekohl und Hartmann feststellen.

Regenschirme aus recyceltem Plastik

Die Bespannung der Schirme besteht aus recyceltem Plastik. Dazu werden Einwegflaschen gesäubert, zu Schnipseln geschreddert, geschmolzen und zu einem neuen Faden gezogen. Aus dem entsteht dann der wasserfeste Stoff, mit dem die Schirme in bisher drei Farben bezogen werden.

Die Schirme werden in Shenzen in einer zertifizierten Werkstätte produziert, wo faire Löhne gezahlt und europäische Standards eingehalten werden, beteuern die Berliner Unternehmerinnen. Die Schirme sollen auch klimaneutral produziert werden: „Alles, was an CO₂ bei Transport und Herstellung anfällt, wird berechnet und durch Umweltschutzprojekte wie etwa die Plastikbank in Asien ausgeglichen“, sagt Ramona Hartmann.

Bei diesem Umweltschutzprojekt können Müllsammler in Haiti, Indonesien und auf den Philippinen ihr Einkommen auf diese Weise verdienen. Der Plastikmüll kann an lokalen Sammelstellen in Geld, Lebensmittel, Trinkwasser, Handy-Guthaben, Speiseöl oder Schulgebühren eingetauscht werden. Das gesammelte Plastik wird recycelt und zu sogenanntem Social Plastic verarbeitet, das im Kreislauf wiederverwertet werden kann.

Die Verpackung der Schirme, die mit 59 Euro mittig zwischen Drogerie-Schirm und Manufakturware liegen, übernehmen Menschen mit Beeinträchtigung in einer Firma der Mosaik-Werkstätten in Berlin. Das Füllmaterial besteht aus Maisstärke, löst sich bei Bedarf im Wasser auf und kommt ansonsten in die Biotonne.

Von den ersten 1500 produzierten Schirmen sind schon einige Varianten komplett ausverkauft, die nächste Order-Runde wird gerade vorbereitet.

Die nächsten Schirme werden schon bestellt. Larissa Hunekohl und Ramona Hartmann in ihrem Büro.<br><br>
Markus Wächter
Die nächsten Schirme werden schon bestellt. Larissa Hunekohl und Ramona Hartmann in ihrem Büro.

Frauen, traut euch ein Business zu gründen

Der Gründerbonus des Berliner Senats und ein Stipendium haben den Start des Studio Wetter möglich gemacht. Besonders jungen Frauen wollen Ramona Hartmann und Larissa Hunekohl mit ihrer Geschichte Mut machen, den Schritt ins eigene Business zu wagen. Lediglich etwa zwölf Prozent aller Start-ups würden ausschließlich von Frauen initiiert. „Wir wollen entsprechendes Wissen vermitteln und auch ein Selbstbewusstsein für die eigenen Fähigkeiten“, sagen sie. Für die Zukunft planen sie erst einmal eine Erweiterung der Farbpalette für den kommenden Herbst und Kooperationen mit Künstlern. Der schlanke Schirm aus Berlin könne eine Leinwand sein, eine Bühne.

Zwei Milliarden Regenschirme landen jährlich im Müll. Jeder einzelne einer zu viel, wenn man Larissa Hunekohl und Ramona Hartmann fragt.