Meer, Himmel, Kultur: In den Augen des Berliner Abgeordneten Christian Goiny hat Griechenland mehr zu bieten.
Meer, Himmel, Kultur: In den Augen des Berliner Abgeordneten Christian Goiny hat Griechenland mehr zu bieten. imago/Ingeborg Knol

Ein bisschen stolz ist er schon, der Berliner Abgeordnete Christian Goiny (57). Am heutigen Mittwochabend wird ihm die Europa-Medaille der christdemokratischen EVP-Fraktion im EU-Parlament verliehen: Der Haushalts-Fachmann der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus ist seit Jahrzehnten dabei, Verbindungen zwischen Griechen und Deutschen zu knüpfen und gegen Vorurteile gegenüber Hellas zu kämpfen. Goinys Credo: „Europa, das heißt, Leute zusammenbringen, und nicht, Sonntagsreden zu halten.“ Und von den anderen Ländern zu lernen.

Griechenland: Wo der Bus pünktlich ist

Sein Engagement begann klein. 1990 war er zum ersten Mal als Steglitzer Bezirksverordneter in Griechenland, im nordgriechischen Dorf Sochos bei Thessaloniki. Es war gerade auf Betreiben des Griechisch-Deutschen Fördervereins zur Partnerstadt von Steglitz geworden, wo der Jurist bis 2001 in der BVV saß. Sehr schnell war er von Gastfreundschaft und Kultur des Landes begeistert, und musste schnell Vorurteile über Bord werfen: „Wer in der Gegend mit dem Bus von einem Ort in den anderen fahren will, sollte pünktlich an der Haltestelle sein, sonst sieht er die Rücklichter.“ Nichts da von angeblicher mediterraner Lässigkeit.

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Eine Beobachtung, die – nebenbei bemerkt – zuletzt Telekom-Boss Timotheus Höttges auf anderer Ebene machen musste: Bei der Digitalisierung des öffentlichen Dienstes habe Griechenland Deutschland abgehängt.

Der Abgeordnete Christian Goiny ist oft  in Griechenland. Sein Griechisch, gibt er zu, ist aber ausbaufähig.
Der Abgeordnete Christian Goiny ist oft  in Griechenland. Sein Griechisch, gibt er zu, ist aber ausbaufähig. GL

Die Partnerschaft des Berliner Bezirks mit dem griechischen Dorf hatte ganz konkrete Folgen: „Wir konnten für Sochos, das heute Teil der Großgemeinde Langadas ist, ein ausrangiertes BSR-Müllauto beschaffen, das erste Müllfahrzeug überhaupt in der Gegend.“ Es entstand ein Schüleraustausch mit der Fichtenberg-Oberschule, Senioren und Sportvereine knüpften Kontakte.

Der in Lichterfelde direkt ins Abgeordnetenhaus gewählte Goiny, der seit 2004 in einem nordgriechischen Dorf Urlaub macht, mehrmals im Jahr und in der Regel auf eigene Kosten dort hinreist, nutzte zusehends seine Berliner Verbindungen, um nutzbringende Kontakte zwischen Griechen und Deutschen zu ermöglichen.

Zu wenig staatliche Beziehungen zwischen Deutschland und Griechenland

Denn wirkliche zwischenstaatliche politische Beziehung zwischen den beiden Staaten gebe es nicht, beklagt er, weder auf Bundesebene noch von Berlin aus. „Dabei scheint in diesem Jahr fast jeder zweite Berliner seinen Sommerurlaub in Griechenland verbracht zu haben.“

Gut gelauntes Treffen in Thessaloniki: Goiny (r.) unter anderem mit der damaligen Kultur-Stadträtin Elli Chrysidou (über dem Wort "DER") und Sören Birke (l.), Betreiber der Kulturbrauerei.
Gut gelauntes Treffen in Thessaloniki: Goiny (r.) unter anderem mit der damaligen Kultur-Stadträtin Elli Chrysidou (über dem Wort "DER") und Sören Birke (l.), Betreiber der Kulturbrauerei. zVg

Einen ganz handfesten Erfolg gab es 2012 und 2013, als Griechenland nach langen Jahren wieder einmal an der Grünen Woche teilnahm. Allerdings nicht auf höchster Ebene: Es war Langadas, das das ganze Land vertrat, zur Verblüffung der Verantwortlichen in Athen, die es nicht hinbekommen hatten (und danach auch nicht).

Goinys Kontakte, die er einsetzt, das sind Akteure der Berliner Club- und Musikszene, für die er sich seit langem stark macht. Die bewegte er beispielsweise dazu, an der Womex-Musikkonferenz in Thessaloniki teilzunehmen.  Es folgten Besuche von Musikern, Verwaltungsleuten und Politikern aus der nordgriechischen Millionenstadt, Gegenbesuche, projektbezogene Kooperationen bis heute. „Unter anderem hatte die Berliner Digital-Konferenz re:publica dort eine Satelliten-Veranstaltung.“ Goiny lässt Namen und Daten fallen wie ein Geldspielautomat Münzen beim Jackpot.

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Voll im Film: Festival-Verbindungen von Berlin nach Griechenland

Bei einer Reise des Abgeordnetenhaus-Medienausschusses zum Filmfestival in Cannes 2019 trafen Goiny und die anderen Abgeordneten auf die französische Chefin des Filmfestivals von Thessaloniki. „Das ist zwar nicht mit Cannes oder der Berlinale vergleichbar, was die Größe angeht, aber der frühere Berlinale-Chef Dieter Kosslick hat mir gesagt, es sei ein tolles Festival.“

Beim Kennenlernen blieb es nicht: In einer Kooperation des Medienboards Berlin-Brandenburg, des Festivals in Thessaloniki und des dortigen Goethe-Instituts wurde ein Austausch junger Filmleute in die Wege geleitet.

Eines der nächsten Projekte, die Goiny begleiten will, ist das geplante Holocaust-Museum in Thessaloniki: „Die Stadt hatte während der deutschen Besatzung, gemessen an ihrer Einwohnerzahl, nach Warschau die meisten jüdischen Opfer zu beklagen.“

Was Thessaloniki bei Corona fertig  bringt, und Berlin nicht

Der Abgeordnete bedauert, dass speziell Berlin Chancen nicht nutzt, die aus der Verbindung mit Griechenland entstehen könnten. „In Thessaloniki hat die Universität das Verfahren entwickelt, mit dem in der Raumstation ISS das Wasser wieder aufbereitet wird. Dieselben Forscher können in der Stadt inzwischen stadtteilgenau anhand des Abwassers feststellen, wie sich die Corona-Inzidenz entwickelt. In Berlin warten wir hier auf Daten der Gesundheitsämter, die kommen, oder auch nicht.“

Deutschland und Berlin hätten viele Möglichkeiten liegen gelassen, engere Beziehungen zu Griechenland zu knüpfen, stattdessen in der Schuldenkrise des Landes von oben herab geredet. „Ich sehe mein Engagement als Versuch, andere zu motivieren, es mir gleich zu tun.“

Die Meeresfront von Thessaloniki mit dem Wahrzeichen der Stadt, dem Weißen Turm.
Die Meeresfront von Thessaloniki mit dem Wahrzeichen der Stadt, dem Weißen Turm. AP

Im Übrigen empfehle er sehr, speziell Nordgriechenland und Thessaloniki zu besuchen. Nicht nur, weil Thessaloniki ein Paradies für Feinschmecker seit, sondern weil man dort relativ leicht ins Gespräch kommt: „Mit Englisch kommt man gut durch, gerade viele Ältere sprechen aber deutsch. Sie haben in Deutschland gearbeitet – im Ort Drama bietet die deutsche Rentenversicherung Rentenberatung an.“