Prima Klima beim 70. Bundespresseball
Der Ball stand in diesem Jahr unter dem Motto „Für die Pressefreiheit“.

Bundespresseball in Berlin: Ist das schön! Immer erlesen, oft eine feine Sache. Wenn nur die Klima-Aktivisten nicht zu viel Krawall schlagen. Beim gesellschaftlichen Höhepunkt des Berliner Frühjahrs gab es dieses Jahr Polizeischutz wegen drohender Blitz-Proteste. Die Polit-Prominenz feierte derweil wie gewohnt Seite an Seite mit „Aktivisten“ aus Wirtschaft, Diplomatie, Show und Hochkultur und ließ es sich dabei sichtlich gut gehen.
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Die Benimm-Regeln sind ja meistens locker beim Bundespresseball. Gern sind deshalb alle dabei – die, die wichtig sind oder Wichtiges zu verkünden haben, und die Zweitwichtigen ebenso. Es sei denn, es gibt andere Termine, was allerdings kaum zu glauben ist.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatten in diesem Jahr zusätzlich gute Gründe, sich nicht für den Bundespresseball anzumelden. Wirklich überraschend war das natürlich nicht. Die zwei haben zurzeit wenig zu feiern, wie neuste Zahlen des ZDF-„Polit-Barometers“ am Freitag nahelegen: Die Zustimmung beim Wählervolk für Habeck und Scholz sei auf einen Tiefstand gesunken, heißt es dort. Jeder zweite Befragte hält die Klimaschutzmaßnahmen für eine teure Zumutung.
FDP-Chef Lindner sagte wegen des Parteitags der Liberalen ab
Auch der FDP-Vorsitzende und Bundesfinanzminister Christian Lindner mochte nicht antanzen. Er sagte wegen des Bundesparteitags der Liberalen ab. Und so hatte bei der 70. Ausgabe des Bundespresseballs Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) freie Fahrt auf dem Prunk- und Funkelteppich.
Gut, ihre Kabinettskolleginnen und -Kollegen Nancy Faeser (Bundesinnenministerin, SPD), Hubertus Heil (Bundesminister für Arbeit und Soziales, SPD), Lisa Paus (Bundesfamilienministerin, Grüne) und Svenja Schulze (Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, SPD) hatten ebenfalls eines der begehrten Tickets im Täschchen. Natürlich auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne).
Ach ja, und auch Berlins Noch-Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) wollte sich den diesjährigen Bundespresseball nicht entgehen lassen. Sie trug ein türkis-blaues Plisseekleid, das sie nicht ohne Stolz in die Kameras drehte. Die meiste Aufmerksamkeit genoss allerdings die Außenministerin, die ein goldschimmerndes Abendkleid im römischen Toga-Stil anhatte.

Bevor Annalena Baerbock mit Ehemann Daniel Holefleisch beim Ball im Berliner Hotel Adlon einsegelte, traf sie sich noch mit ihrem spanischen Amtskollegen José Manuel Albares. Es ging um die angespannte Lage im Sudan und um weitere große Krisen der Welt.
Der Ball stand unter dem Motto „Für die Pressefreiheit“
Das passte gut. Der Ball selbst stand in diesem Jahr unter dem Motto „Für die Pressefreiheit“. Nach dem Solidaritätsball für die Ukraine im vergangenen Jahr unter Beteiligung von Selenskis Rabatz-Botschafter Andrij Melnyk hatte sich der Vorstand der Bundespressekonferenz, der den Presseball im Hotel Adlon ausrichtet, entschieden, „mit dieser Veranstaltung die Freiheit der Berichterstattung in den Fokus zu rücken und zu fördern“.
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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier durfte das Fest leicht verspätet um Punkt 21.54 Uhr gemeinsam mit seiner Frau Elke Büdenbender eröffnen – mit einem schwungvollen Walzer, wie gehabt. „Wir freuen uns über die Teilnahme des Bundespräsidenten, auch weil damit deutlich wird, welchen hohen Stellenwert das deutsche Staatsoberhaupt der Pressefreiheit beimisst“, hatte der mittanzende Mathis Feldhoff, der Vorsitzende der Bundespressekonferenz, vorab klargestellt.

Die deutsch-iranische Schauspielerin, Musikerin und Sängerin Jasmin Tabatabai hielt eine etwas lange, aber feurige Rede, immerhin lag der Schwerpunkt des 70. Bundespresseballs auf dem Iran. Tabatabai sagte, es sei großartig, dass die Bundespressekonferenz das Thema Iran hochhalte. „Die Wahrheit ist, was dieses Regime am meisten fürchtet! Es gibt im Iran keine Pressefreiheit.“ Es sei aber der Widerstandsgeist der iranischen Menschen, so Tabatabai, der sie nicht verzweifeln lasse.

Der Ex-Chefredakteur der türkischen Zeitung Cumhuriyet, Can Dündar, hatte zuvor über seine Erfahrungen im Kampf für die Pressefreiheit gesprochen. Tabatabai und Dündar saßen beim Abendessen als Ehrengäste am Tisch des Bundespräsidenten.
Dazu gab es eine Performance der Gruppe „Echo Iran“ mit Blick auf die grotesken Einschränkungen der Freiheitsrechte insbesondere für Frauen und LGBTQ-Personen in dem Land am Persischen Golf. Die Big Band der Bundeswehr, die im großen Ballsaal des Adlon losschmetterte, spendete ihre Gage dem Online-Nachrichtenportal „Iran Journal“. Seit 2011 informiert das Team um Redaktionsleiter Farhad Payar in deutscher Sprache mit Nachrichten, Reportagen und Analysen über die Lage im Mullah-Staat.
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Unter den 2230 Gästen (viele bekamen als Geschenk eine Hyazinthe – das Symbol der Freundschaft am persischen Neujahrsfest), die sich flanierend oder beim gesetzten Dinner mit kulinarischen Genüssen in Fahrt brachten, waren neben den genannten Kabinettsmitgliedern auch Ministerpräsidenten, Parteichefs, Diplomaten, Hauptstadtjournalisten, außerdem Verleger, Chefredakteure, 25 TV-Moderatoren (!), Wirtschaftsmanager und etliche Lobbyisten.
Strack-Zimmermann freut sich am meisten auf ihren Mann
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) erschien in einem knalligen orangefarbenen Hosenanzug und sagte: „Ich will heute nicht sitzen, sondern flanieren, ein bisschen was essen und am liebsten mal nicht über Politik reden.“ Und auf wen freute sie sich am meisten an diesem Abend? „Auf meinen Mann!“

Rund 500 Kellner, Barkeeper, Köche, Wachleute und Musiker arbeiteten für die klimaneutrale Veranstaltung. Zu futtern gab es 2000 Portionen Currywurst, 60 Kilo Käse, 1400 Garnelen, 60 Kilo Ochsenbacke, 4000 Austern, 80 Kilo Kalbsrücken, 350 Kilo Gemüse, 40 Kilo Baklava, dazu 100 Kilo Schokolade und 200 Liter Sahne.
Der Adlon-Neuzugang Reto Brändli (zwei Michelin-Sterne) hatte für das gesetzte Dinner mit dem Bundespräsidentenpaar und 300 ausgesuchten Gästen eine Art Frühlingsmenü komponiert: eine Hummerbisque zur Vorspeise, im Hauptgang Wagyu-Short-Rib mit Auberginenkompott, Bimi-Broccoli und Sanddorn-Beeren und zum Dessert eine Schokoladenvariation mit Himbeere, Zitronenmelisse und Joghurt. Für Vegetarier gab es alternativ gebratene Polenta mit Auberginenkompott, Kräuterseitlingen, Bimi-Broccoli und Sanddorn-Beeren. Flaneurinnen und Flaneure konnten sich an 17 breit verteilten Food-Ständen alle paar Meter ausreichend stärken.
Preis für den Blog „Augen geradeaus!“
Noch vor dem ersten Tanz zeichneten die Verantwortlichen Thomas Wiegold mit dem Preis der Bundespressekonferenz aus. Wiegold habe mit seinem Blog „Augen geradeaus!“ Maßstäbe in der Berichterstattung über die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik gesetzt, hieß es. So kämpferisch und kampfbetont wie an diesem Freitagabend war der Bundespresseball seit dem Kalten Krieg nicht mehr.