Polizeiruf 110 in Gefahr! Gewerkschaft klagt über katastrophale Zustände in der Einsatzzentrale
300 Beamte werden gebraucht, doch nur 183 Mitarbeiter sind da. Und von denen gehen bald viele in Rente.

Ein Überfall, Menschenleben ist in Gefahr - und keine Polizei, die zur Hilfe kommt. An das Szenario mag keiner denken, könnte aber Wirklichkeit werden. Denn in Berlin ist der Polizeiruf 110 in Gefahr!
Denn die Einsatzzentrale der Polizei ist wegen der vielen eingehenden Notrufe ein wichtiger Kontakt zu den Berlinern. Aber freiwillig arbeiten will dort kaum ein Polizist. Aus den Polizeiwachen und aus anderen Bereichen müssten immer wieder Polizisten abgestellt werden, um die Zahl von rund 300 nötigen Mitarbeitern für den Schichtbetrieb an den Telefonen und Funkgeräten in der Einsatzzentrale zu erreichen, so die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Es gebe derzeit nur 183 feste Mitarbeiter, von denen nächstes Jahr 30 pensioniert würden.
Diese Personalprobleme waren kürzlich auch von der Polizei eingeräumt worden. Die Zahl der dort ständig arbeitenden Polizisten sei „optimierungsfähig“, das Defizit werde zum Teil über ein „Hospitationsprogramm“ ausgeglichen, „vorrangig auf freiwilliger Basis“. Eine dauerhafte Lösung solle erarbeitet werden.
Polizeiruf 110: Täglich 3.700 Anrufe, die Belastung der Mitarbeiter in der Einsatzzentrale ist enorm
Die GdP sprach von einem „Sorgenkind“, das seit Jahren große Kopfschmerzen bereite, „weil da einfach niemand mehr hin möchte“. Der Vize-Vorsitzende Stephan Kelm teilte mit: „Ich kann es keinem verübeln, denn die Zustände sind wirklich katastrophal.“ Nötig seien flexible Arbeitszeiten, verschiedene Arbeitsschichten zur Entzerrung und eine finanzielle Zulage. Geprüft werden müsse, ob nicht mehr Angestellte und Verwaltungsbeamte statt Polizisten eingesetzt werden könnten.
Alle 24 Sekunden geht ein 110-Notruf in der Einsatzzentrale ein, täglich sind das 3700 Anrufe. Die Hälfte davon führt zu Einsätzen von Streifenwagen, so die Polizei. Der Job sei vergleichbar „mit dem Tempo und der Konzentration in einem Tower der Flugsicherung“, heißt es. „Kein Anruf kann warten (...) und die Geschwindigkeit ist rasant. Nicht selten muss die Konzentration schlagartig voll da sein, wenn Menschen in Not geraten. Jede Entscheidung kann Leben und Gesundheit retten.“ Wegen der Belastungen durch die ständigen Notrufe und den Schichtdienst gebe es Gesprächsangebote des psychosozialen Dienstes sowie Supervision und Coaching-Angebote.