DDR-Bürgerrechtler erhebt schwere Vorwürfe

Polizeigewalt in Prenzlauer Berg: Fahrrad-Kontrolle eskaliert

Ordnungsamt und Polizei Berlin sollen unnötig brutal vorgegangen sein. Videos von Anwohnern zeigen die Vorfälle. Bürgermeister Sören Benn (Linke) will Aufklärung.

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Ein Mann wird zu Boden gedrückt, im Hintergrund wird Hans-Conrad Walter von Polizisten angegangen.
Ein Mann wird zu Boden gedrückt, im Hintergrund wird Hans-Conrad Walter von Polizisten angegangen.Privat

Im Bötzowkiez ist eine Kontrolle des Ordnungsamtes in der Bötzowstraße an der Ecke zur Hufelandstraße in Prenzlauer Berg eskaliert. Auslöser soll ein 25-jähriger Radfahrer gewesen sein, der den Gehweg befuhr. Mehrere Menschen berichten von massiven Bedrohungen, Einschüchterungen sowie körperlichen Übergriffen von Mitarbeitern des Ordnungsamtes und Beamten der Polizei Berlin. Videos, die dem KURIER vorliegen, zeigen die Eskalation. Unter anderem ist zu sehen, wie der 61-jährige Augenzeuge Dieter W. von Beamten zu Boden gedrückt wird. Der KURIER hat mit ihm und weiteren Beteiligten gesprochen.

DDR-Bürgerrechtler erhebt Vorwürfe

Der Kulturmanager und Augenzeuge Hans-Conrad Walter hatte den Vorfall zuvor öffentlich gemacht und ein Gedächtnisprotokoll auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht. Das kenne er aus der Wendezeit als DDR-Bürgerrechtler, sagt Walter. Der KURIER gegenüber bekräftigte er auf Nachfrage seine Version der Vorgänge.

Nach seinen Worten ging es um einen jungen Mann, der – verbotenerweise – auf dem Gehweg mit seinem Rad gefahren sein soll. Im Anschluss wurden mehrere Mitarbeitende des Ordnungsamtes massiv übergriffig. Schon vor dem Vorfall hatten Walter und andere Anwohner beobachtet, wie Mitarbeiter des Ordnungsamts ihre Kontrollen aus seiner Sicht unverhältnismäßig hart durchführten.

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Die Polizei Berlin teilt auf Anfrage mit, dass der 25-jähriger Radfahrer von Mitarbeitern des Ordnungsamts in der Hufelandstraße, Ecke Bötzowstraße angehalten wurde. Darauf soll es zu einer Handgreiflichkeit gekommen sein. Auch der Radfahrer soll einen Ordnungsamtsmitarbeiter leicht verletzt haben. Der 25-jährige Mann erlitt ebenfalls leichte Verletzungen, so die Polizei. Der Radfahrer bestreitet, sich widersetzt zu haben.

Auf einem von mehreren Videos ist zu sehen, wie der Mann ruhig bleibt, ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes ihm aber dennoch die Hand verdreht. Weiterhin versucht er, dem Mann seinen Arm auf den Rücken zu drehen. Weshalb die Mitarbeiter des Ordnungsamtes so rigide agieren, ist völlig unklar. Zumindest auf dem Video sind keinerlei Widerstandshandlungen des Radfahrers zu erkennen.

Zeuge dokumentierte die Maßnahme per Kamera

Hans-Conrad Walter filmte den Vorgang. Er sagte, dass ein Polizist währenddessen von ihm den Ausweis verlangt haben soll. Walter hatte den Ausweis in seinem Büro nebenan. Ein Beamter habe ihm das Handy aus der Hand genommen. Der Polizist soll gesagt haben: „Ausweis gegen Handy.“ Walter sagt weiter: „Ein zweiter Beamter hat mich geschubst und gegen die Wand gedrückt. Beide Polizisten haben mich in mein Büro begleitet, um den Ausweis zu sehen. Ihr Ton war herablassend und beleidigend.“ Dass Walter von der Polizei tatsächlich rabiat gegen die Wand gestoßen wird, ist auf dem Video nachweislich zu sehen.

Anwohner Dieter W. hat die Szenerie beobachtet und die Polizisten angesprochen. Nach eigener Aussage hat er auch seinen Ausweis der Polizei gezeigt. „Ich bin der Aufforderung der Polizei nachgekommen, hatte mich auch schon entfernt. Daraufhin haben mich urplötzlich mehrere junge Beamten zu Boden gedrückt. Das ging 15 bis 20 Minuten. Ein Polizist stand mit seinem Stiefel auf meinem Rücken. Ich hatte Panik, habe um Hilfe gerufen“, erklärt Dieter W. dem KURIER. Der 61-Jährige hat sich nach dem Vorfall die Dienstnummern der Polizisten geben lassen. Er hat sich einen Anwalt genommen und Anzeige erstattet.

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Die Polizei teilt noch am Freitagabend mit, dass Dieter W.  mehreren eindringlichen Aufforderungen, den polizeilichen Maßnahmen fernzubleiben, nicht nachkam und versuchte, einen Polizisten wegzudrängen. Er wurde mit Unterstützung von zwei weiteren Beamten zu Boden gedrückt, wo ihm Handfesseln angelegt wurden. Dabei zog er sich leichte Verletzungen laut Polizei an den Händen zu. In der Folge soll er die Beamten mehrfach beleidigt haben

Dieter W. widerspricht dieser Darstellung in Teilen. Er sei weggegangen, sagt er. „Als ich am Boden lag, war ich sicherlich nicht nett zu den Polizisten, aber ich hatte einfach Angst“, so Dieter W. Er weist noch mal darauf hin, dass gerade junge eher unerfahrene Polizisten im Einsatz waren.

Bezirksbürgermeister Benn will den Vorfall untersuchen

Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke) hat das Ordnungsamt um Klärung des Vorfalls gebeten, wie er der KURIER sagte. Auch die Polizei prüft derweil die Angelegenheit, dabei sollen auch die Videos des Einsatzes einbezogen werden. Ordnungsstadtrat Daniel Krüger (für AfD) hat für Montag eine ausführliche Pressemitteilung angekündigt. Schon jetzt nimmt Krüger die Mitarbeiter von Ordnungsamt und Polizei Berlin in Schutz.

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Dem KURIER sagt er: „Der Radfahrer hat sich der Kontrolle widersetzt und soll aggressiv gewesen sein. Die Ordnungsmitarbeiter haben mir ein völlig anderes Bild geschildert. Die Passanten, die sich in das Geschehen eingemischt haben, kennen die Hintergründe nicht.“ Eine Willkür der Einsatzkräfte weist Krüger zurück. Mehrere Passanten hätten sich mit dem Radfahrer solidarisiert. Das sei für die Mitarbeiter von Ordnungsamt und Polizei eine „schwierige Situation“, betont Daniel Krüger.