Im Einsatz gegen Clans und Terroristen

Polizeiführung plant ein Vermummungsverbot für ihre Beamten

Laut einer internen Festlegung gibt es Ausnahmen nur noch für Beamte der Spezialeinheiten und Observierer. Das Entsetzen in der Behörde ist groß.

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Vermummte Bereitschaftspolizisten bei der Razzia gegen Clankriminalität am Donnerstag in Berlin.
Vermummte Bereitschaftspolizisten bei der Razzia gegen Clankriminalität am Donnerstag in Berlin.Morris Pudwell

Berlins Polizisten sollen zu Einsätzen gegen Schwerstkriminalität nicht mehr maskiert ausrücken. Laut einem Rundschreiben der Landespolizeidirektion (LPD) an alle Direktionsleiter sollen nur die Beamten der LKA-Abteilung 6 (SEK und Mobiles Einsatzkommando) den sogenannten Identitätsschutz tragen. Gestattet ist dies auch Ermittlern der FAO-Einheiten (Fahndung, Aufklärung, Observation), wenn sie einen Verdächtigen, nachdem sie ihn beschattet haben, festnehmen.

Bisher dürfen auch Bereitschaftspolizisten auf Anordnung des jeweiligen Einsatzleiters den Identitätsschutz tragen, wenn sie Durchsuchungen etwa im Milieu von Clans, Organisierter Kriminalität und Terrorismus durchführen. So war es auch am Donnerstag, als etwa 500 Polizisten gegen Mitglieder des Remmo-Clans vorgingen und mehr als 20 Objekte durchsuchten.

In einem Schreiben des Leiters der Landespolizeidirektion, das der Berliner Zeitung vorliegt, formuliert dieser „Festlegungen (…) zur Anpassung der Arbeitsweise zum Tragen des Identitätsschutzes“. So schreibt der Beamte, dessen Dienstgrad „Direktor beim Polizeipräsidenten“ lautet: „Die Notwendigkeit zum Tragen eines Identitätsschutzes für Dienstkräfte außerhalb des LKA 6 besteht grundsätzlich nicht, da ausschließlich drei Sachverhalte bekannt wurden, in denen es zu Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Dienstkräfte kam.“ Zum Schluss gibt es noch eine klare Ansage: Die genannte Ausnahme zum Tragen eines Identitätsschutzes – für Spezialeinheiten und FAO – sei „abschließend“.

„Die wenigen Fälle, in denen es zu Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte von Einsatzkräften kam, sind eher ein Argument für den Identitätsschutz, und es hat auch was mit Fürsorgepflicht und Verantwortung zu tun“, sagt Stephan Kelm, Landesvize der Gewerkschaft der Polizei, der diese Regelung für gefährlich hält. „Polizeimaßnahmen in einem demokratischen Rechtsstaat müssen transparent erfolgen und der rechtsstaatlichen Kontrolle standhalten. Aber ich muss Schwerstkriminellen nicht dabei helfen, die Identität von Menschen herauszufinden, die ihren Machenschaften im Weg stehen.“

Mit der neuen Regelung, die offenbar noch nicht in Kraft ist, würden nicht nur die Bereitschaftspolizisten einem Vermummungsverbot unterliegen, sondern auch Ermittler aus dem Landeskriminalamt, etwa jene aus dem LKA 4, das die Organisierte Kriminalität verfolgt. Auch Mitarbeiter des Staatsschutzes wären betroffen, wenn sie im Einsatz gegen Rechtsextremisten, Reichsbürger, Linksextremisten und Islamisten sind.

Das stößt auf Entsetzen bei vielen Beamten. Polizisten berichten wiederholt von Drohungen gegen sie und ihre Familie seitens krimineller Clan-Mitglieder. Auch Linksradikale feinden bestimmte Polizisten öffentlich im Internet an und werden dabei persönlich. Nicht umsonst hieß es im Oktober vergangenen Jahres in einer internen Weisung für alle Beamten, vor Fahrantritt auf Sachbeschädigungen oder Manipulationen zu achten. „Auf Vorfälle mit manipulierten privaten Kraftfahrzeugen wird hingewiesen.“

Tatsächlich gab es in den vergangenen Jahren mehrere Anschläge auf die Privatautos von Polizeibeamten. Unter anderem hatten Unbekannte Radmuttern gelöst. Stephan Kelm von der GdP meint, diese Neuregelung setze die Sicherheit seiner Kolleginnen und Kollegen sowie ihrer Familien fahrlässig aufs Spiel. „Es zeugt von viel Fantasie, wenn man meint, dass das SEK allein ausreicht, um Maßnahmen im Bereich Schwerstkriminalität abzudecken.“

Nach Angaben von Insidern ist innerhalb des Polizeipräsidiums angeblich umstritten, ob es eine gute Idee war, eine solche Festlegung zu verschicken. Ein Polizeisprecher sagte am Freitag auf eine entsprechende Anfrage dieser Zeitung vom Donnerstag, man könne sich erst in der nächsten Woche dazu äußern. Nach der Veröffentlichung dieses Artikels meldete sich Polizeipräsidentin Barbara Slowik via Twitter zu Wort: „Die Sicherheit meiner Mitarbeitenden hat für mich höchste Priorität. Wenn Hinweise für eine Gefährdung vorliegen, wird auch zukünftig die Nutzung des Identitätsschutzes möglich sein.“ Regelungen dazu seien in Arbeit.

Der Hauptpersonalrat der Behörde läuft bereits Sturm gegen die Anordnung, da diese mitbestimmungspflichtig sei. Eine Zustimmung werde es durch ihn nicht geben. In dem Gremium wird seit längerem geargwöhnt, dass man gucken wollte, ob man damit ohne Mitbestimmung durchkomme – so wie es schon bei Alarmierungen und Dienstzeitverlagerungen versucht worden sei.