Berlin: Tausende Teilnehmer ohne Maske
Polizei beendet Protest gegen Corona-Regeln mit Wasserwerfern, 365 Festnahmen. Internet-Trolle faseln von „Schießbefehl“
Die Polizei rief die Teilnehmer der Demo gegen Änderungen am Infektionsschutzgesetz auf, den Versammlungsort zu verlassen. Erst gab es Festnahmen, dann kamen Wasserwerfer zum Einsatz.

- 365 Festnahmen
- 10 Polizisten verletzt
- Polizei dementiert Fake-News über "Schießbefehl von der Bundesregierung
- Demo nach Verletzung von Corona-Auflagen offiziell beendet
- Wasserwerfer nicht direkt gegen Demonstranten eingesetzt, weil Kinder dabei waren
- Stau-Chaos in der Innenstadt und Kreuzberg
- Polizei setzt AfD-Abgeordneten ohne Maske fest
Die Demonstration gegen die Corona-Politik in Berlin-Mitte ist nach sieben Stunden beendet worden. Als die Polizei die Kundgebung gegen die Corona-Auflagen und das veränderte Infektionsschutzgesetz auflöst, werden die Beamten mit Flaschen, Steinen und Böllern beworfen und mit Pfefferspray besprüht. Die Polizei sprüht zurück - ebenfalls mit Pfefferspray, aber auch mit zwei Wasserwerfern. Wasserwerfer sind auch nicht weit davon entfernt auf der Straße des 17. Juni aufgefahren. Vor einen setzt sich eine 70-jährige Frau mit einem Klappstuhl, weil sie befürchtet, «dass unsere Freiheit total beschnitten wird, dass wir ja gar keine Rechte mehr haben». Auf Plakaten sind Parolen zu lesen wie «Wir sind die 2. Welle», «Wir sind der Souverän», «Corona macht mir keine Angst, aber eure Politik» oder «Hier gilt das Grundgesetz».
Bereits am Mittwochmorgen hatten sich die ersten Menschen versammelt. Die Polizei griff wie angekündigt konsequent durch: Bis zum Mittwochabend wurden 365 renitente Demonstranten wurden festgenommen. Zehn Beamte wurden verletzt.
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Bis 19:30 Uhr erfolgten insgesamt 365 Freiheitsbeschränkungen bzw. Freiheitsentziehungen. Häufig wg. Verstößen gg. das Infektionsschutzgesetz. Bei 2 Verdächtigen wird richterlich geprüft, ob sie in U-Haft kommen.
— Polizei Berlin Einsatz (@PolizeiBerlin_E) November 18, 2020
Bis jetzt wurden 10 im Einsatz verletzte Kolleg. gemeldet.#b1811
Er herrschte teils aggressive Stimmung. Viele der Demonstranten protestierten auch mit Pfiffen. Die Polizei begann damit, Menschen wegzuschieben. Sie setzte nahe dem Reichstagsgebäude wiederholt Wasserwerfer ein. Demonstranten wurden „beregnet“, der Wasserdruck war gering.
Das erste Mal seit 17 oder 18 Jahren setzt die Polizei in Berlin wieder Wasserwerfer gegen Demonstranten ein. https://t.co/AyfVIOAhsA
— Andreas Kopietz (@KopietzAndreas) November 18, 2020
Grund für die Zurückhaltung: Demo-Teilnehmer hatten Kinder mitgenommen, ein scharfer Wasserstrahl kann gefährlich sein.
Thilo Cablitz, Sprecher @polizeiberlin zum bisherigen #b1811-Einsatz.
— rbb|24 (@rbb24) November 18, 2020
Es werde „beregnet, kein direkter Strahl, weil Kinder dabei sind“.
Bislang über 100 Festnahmen. #Berlin1811 #Wasserwerfer pic.twitter.com/gBcU6mFICI
Den Aufforderungen zum Tragen von Mund-Nase-Schutz und zum Abstandhalten waren viele der Demonstranten nicht gefolgt. Auch nach der Auflösung der Veranstaltung verließen die Demonstranten nicht den Ort, sondern sammelten sich erneut.
An unserer Absperrung in der Yitzhak-Rabin-Straße sammeln sich ehemalige Versammlungsteinehmende, statt den Ort zu verlassen. Wir fordern sie mit Durchsagen zum sofortigen Gehen auf.#b1811
— Polizei Berlin Einsatz (@PolizeiBerlin_E) November 18, 2020
Noch immer befinden sich auf dem Platz des 18. März zahlreiche ehemalige Versammlungsteilnehmende. Über Lautsprecher haben wir mehrfach den Einsatz von Sprühnebel durch unsere Wasserwerfer angedroht. Ohne Resonanz. Folglich wurden bzw. werden die Menschen erneut beregnet.#b1811
— Polizei Berlin Einsatz (@PolizeiBerlin_E) November 18, 2020
Polizei dementiert Fake-News über "Schießbefehl von der Bundesregierung"
Internet-Trolle versuchten die Stimmung mit angeblichen Polizei-Tweets anzuheizen, in denen beispielsweise von einem „Schussbefehl von der Bundesregierung“ gegen die Demonstranten die Rede war. Die Polizei wies dies umgehend zurück.
#Achtung #Fake
— Polizei Berlin Einsatz (@PolizeiBerlin_E) November 18, 2020
Aktuell kursieren gefälschte Tweets, die insbesondere über #Messenger geteilt werden. Es handelt sich um #Fakes & keine Tweets von unserem Account!! Teilen Sie diese bitte keinesfalls weiter - auch nicht aus Spaß.
Falschmeldungen lassen sich nur so stoppen.#b1811 pic.twitter.com/eY61H8z2el
Zuvor hatten mehrere tausend Menschen im Vorfeld der Bundestagssitzung zu weiteren Änderungen des Infektionsschutzgesetze im Regierungsviertel gegen die Corona-Einschränkungen demonstriert. Allein im Bereich am Brandenburger Tor hätten sich 5000 bis 10.000 Menschen versammelt und es gebe weiteren Zustrom, sagte ein Polizeisprecher gegen Mittag.


Weitere rund 1000 Demonstranten hielten sich an der Marschallbrücke auf. Nach ruhigem Beginn der Demo eskalierte die Lage am Vormittag, als Teilnehmer sich weigerten, den Auflagen nachzukommen.
Unsere Aufforderungen zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung zeigen leider keine Wirkung. Die Einsatzkräfte haben nun die Anweisung, auch Freiheitsentziehungen durchzuführen. Sollte das nicht helfen, bleibt nur noch die Auflösung der Versammlung.#b1811
— Polizei Berlin Einsatz (@PolizeiBerlin_E) November 18, 2020

Am Mittag erklärte die Polizei die Veranstaltung für beendet und rief die Teilnehmer auf, den Versammlungsort zu verlassen.
Die Versammlung auf der Straße des 17. Juni wurde vom Versammlungsleiter um 12:06 Uhr für beendet erklärt.
— Polizei Berlin Einsatz (@PolizeiBerlin_E) November 18, 2020
Die ehemaligen Demo-Teilnehmenden haben nun die Pflicht, den ehemaligen Versammlungsort zu verlassen.#b1811
Mehr als 2000 Polizisten waren im Einsatz, darunter Unterstützung aus neun weiteren Bundesländern und von der Bundespolizei.
Mehrere angemeldete Demonstrationen direkt vor dem Reichstagsgebäude im sogenannten „befriedeten Bezirk“ hatte das Bundesinnenministerium verboten. Die Polizei sperrte den Bereich daher weiträumig ab.
Aktuelle Infos zu den heutigen Versammlungen in #Berlin erhalten Sie bei den Kollegen der @PolizeiBerlin_E.#b1811 https://t.co/QAHckum1lw
— Bundespolizei Berlin (@bpol_b) November 18, 2020
Im Internet kursierten aber zahlreiche Aufrufe, Demonstrationen nicht anzumelden, sondern spontan nach Berlin zu fahren und am Bundestag zu protestieren. Die Polizei sprach von einer „hohen Mobilisierung“.
Stau-Chaos in der Innenstadt und Kreuzberg
Aufgrund der Demos hat die BVG die Buslinien 100 und 245 umgeleitet. Die Linie 187 fährt die Haltestelle Schloss Bellevue zeitweise nicht an. Autofahrer sind aufgerufen, die gesamte Innenstadt zu umfahren:
Inzwischen wurde auch der Straßenzug Potsdamer Straße - Leipziger Straße zwischen Schöneberger Ufer und Axel-Springer-Straße #gesperrt. Auf den Umfahrungsstraßen bildet sich #Stau. Unter Tipp: Die Innenstadt weiträumig umfahren!
— Verkehrsinformationszentrale Berlin (VIZ Berlin) (@VIZ_Berlin) November 18, 2020
Auch in anderen Teilen der Stadt kam es am Mittwoch infolge der Sperrungen zu Behinderungen im Verkehr:
Lange #STAUs in #Kreuzberg auf den südlichen Umfahrungen zur gesperrten Leipziger Straße und Straße des 17. Juni in #Mitte und #Tiergarten. Den Bereich bitte weiträumig umfahren!
— Verkehrsinformationszentrale Berlin (VIZ Berlin) (@VIZ_Berlin) November 18, 2020
AfD-Abgeordneter ohne Maske berichtet von Konfrontation mit Polizei
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Karsten Hilse ist am Rande der Proteste gegen die Corona-Einschränkungen in Berlin nach eigenen Angaben mit der Polizei aneinandergeraten. Hilse sagte in einem Video, das von Mitgliedern seiner Fraktion verbreitet wurde, er sei von den Polizisten angesprochen worden, weil er ohne Maske unterwegs war. Er habe zwar ein ärztliches Attest bei sich getragen, das ihn von der Maskenpflicht entbinde. Die Polizei habe jedoch moniert, dass darin keine konkrete Krankheit aufgeführt sei. Als er dann ein Video habe machen wollen, sei es zu einer körperlichen Auseinandersetzung gekommen. Der 55-Jährige sagte, er finde es „absurd“, wenn wegen einer Ordnungswidrigkeit so reagiert werde. Die Polizei stellt die Begegnung mit Hilse auf Twitter lapidar dar:
Heute Morgen wurde von unseren Kolleg. ein Herr angesprochen, der Unter den Linden gegen die Maskenpflicht verstieß. Er zeigte sich unkooperativ, wies sich als MdB aus, soll anschließend seinen Begleiter zum Filmen aufgefordert & dann Widerstand geleistet haben. #b1811
— Polizei Berlin Einsatz (@PolizeiBerlin_E) November 18, 2020
Polizeigewerkschaft rechnet mit schwierigem Einsatz
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) rechnet mit einen schwierigen Einsatz für die Beamten. Vergangene Demonstrationen auch in anderen Städten hätten gezeigt, wie schnell so etwas eskalieren und wie schnell die Polizei auch hilflos sein könne, sagte GdP-Sprecher Benjamin Jendro am Morgen im RBB-Inforadio. Das große Problem sei, dass ein breites Spektrum auf die Straße gehe. „Das heißt, es sind nicht alles Rechtsextremisten, die dort mitlaufen, sondern auch Menschen, die Existenzängste haben.“ Auch Kinder und ältere Menschen seien dabei.
Polizeipräsidentin Barbara Slowik hatte angekündigt, die Corona-Regeln bei den Demonstrationen mit allen zulässigen Mitteln durchzusetzen. „Wir werden alles daran setzen, keine Versammlungen ohne Mund-Nasen-Schutz zuzulassen.“ Sollte es dennoch dazu kommen, werde die Polizei diese schnellstmöglich auflösen. Bilder wie vor einer Woche in Leipzig oder im August vor dem Reichstag wolle man unbedingt vermeiden. «Wir werden und müssen über andere Maßnahmen als üblich nachdenken.» Es gehe darum, die Verbreitung des Virus einzudämmen.
Wir werden alles daran setzen, keine Versammlungen ohne Mund-Nasen-Schutz zuzulassen."
Gleichzeitig verwies sie auf die Probleme der Polizei mit diesen Demonstrationen. „Zigtausend Menschen, die sich weigern zu gehen, aber friedlich weiter protestieren (...), die werden wir nicht binnen kürzester Zeit auseinanderbringen und so den Schutz vor Viren garantieren können.“
Leipzig als schlechtes Vorbild
In Leipzig hatten sich vor knapp zwei Wochen mindestens 20.000 Demonstranten versammelt. 90 Prozent der Teilnehmer trugen laut Polizei keine Masken. Die Kundgebung wurde aufgelöst, danach erzwangen die Demonstranten einen Gang über den Leipziger Ring. Die Polizei konnte sie nicht stoppen. Es kam zu Rangeleien, Böller flogen. Unter den Demonstranten waren auch Gruppen von Neonazis.
Am 29. August überwanden am Rand einer großen Demonstration mit vielen Zehntausend Teilnehmern in Berlin mehrere hundert Menschen Absperrgitter vor dem Reichstagsgebäude. Sie liefen die Treppe hoch und bauten sich triumphierend vor dem Besuchereingang auf. Die Bilder sorgten für Aufsehen und Empörung bei den meisten Parteien.