Platz für Tanz und Träume: Ballhaus Wedding
Historischer Ballsaal in einem Berliner Hinterhof soll mit Kunst und Kultur neu belebt werden.

Kaum zu glauben, dass es ausgerechnet im Soldiner Kiez einen so magischen Ort gibt. Versteckt hinter einem unscheinbaren Eingang in der Wriezener Straße im Gesundbrunnen verbirgt sich ein Kleinod, welches zu neuem Leben erweckt werden soll. Das Ballhaus Wedding – bisher meist genutzt als Eventlocation für private Feiern, Film- und Fotoaufnahmen und Hochzeiten – soll als neuer, offener Ort für Kultur in Berlins Mitte entstehen.
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Veranstaltungen im historischen Ballsaal
Djamila Rempel und Robert Bittner wollen mit einer Mischung aus Theater, Varieté, klassischen Konzerten, politischen Talkrunden, Artistik, Filmpremieren, Lesungen und Kunstausstellungen den Saal für viele Besucher öffnen. Es soll einen Sonntagsbrunch mit Live-Musik geben, Singlepartys, rauschende Bälle und natürlich Tanztee.

Wenn man den Saal betritt, hat man sofort Bilder von flirrenden Festen im Kopf, Paillettenrascheln, den Geruch der 1920er-Jahre. Zu Spitzenzeiten gab es in ganz Berlin an die 220 solcher Säle. Der in der Wriezener Straße wurde 1889 mit einem Restaurant zur Straße hin erbaut.
Eventlocation in Berlin: Tanztee und Schwof in den 1920ern
Tanztees und Feiern fanden hier statt und brachten das Parkett zum Beben. Nach dem Mauerbau aber lag der Saal im Windschatten der Mauer ganz am Rande Westberlins und versank in einem Dornröschenschlaf. Rocker strichen die Wände schwarz und schraubten in dem Saal an ihren Maschinen.

Nach der Wende kaufte die Müchnerin Sabine Atzberger den Ballsaal und restaurierte ihn. Bald schon ist der Ballsaal Wedding in der aufstrebenden Medienstadt Berlin unter den Kreativen bekannt, einige Szenen von Til Schweigers „Zweiohrküken“ wurden hier gedreht, auch Kiezkonzerte des Berliner Konzerthauses fanden hier schon statt. Eine breite Öffentlichkeit aber weiß noch immer nichts von dem Schätzchen im Weddinger Hinterhof. Das soll sich ändern, dafür wollen Djamila Rempel und Schauspieler Robert Bittner sorgen.

Im Wachküssen und Erhalten von versunkenen Orten hat Robert Bittner schon Erfahrung. Schon in der Wiesenburg, einer 1896 vom Berliner Asylverein als Zufluchtsort für Obdachlose konzipierten Anlage, hat er sich zwei Jahre lang als Vorstand des Vereins für den Erhalt eines historischen Standorts als Kulturstätte eingesetzt. Djamila Rempel organisierte bis zu dessen Schließung Veranstaltungen im Tangoloft in der Gerichtstraße.
Crowdfunding: 20.000 Euro sollen zusammenkommen
Bestens vernetzt in der Berliner Kunstszene haben die beiden gemeinsam also die nötigen Kontakte und das Knowhow um jede Menge spannender Veranstaltungen auf die Beine zu stellen.
Um das Ballhaus stilgerecht auszustatten und eine moderne Licht-und-Tontechnik-Anlage einbauen zu können, haben die beiden eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. 20.000 Euro sollen zusammenkommen, damit Böden geschliffen, eine Bar erneuert und Fassadenarbeiten durchgeführt werden können, auch ein Flügel soll angeschafft werden.

„Wir träumen von einem halb runden Vordach am Entree“, sagt Robert Bittner, „und von sichtbaren Elementen und Leuchtschrift an der Fassade.“ Sichtbar werden, das ist generell die Devise. Seit dem Sommer 2020 wirken Bittner und Rempel bereits im Ballhaus, Corona aber bremste ihre Pläne bisher gehörig aus.
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„In einer Zeit, wo viele Menschen sich wieder danach sehnen, mit anderen Menschen zusammenzukommen, zu feiern, zu lachen, Kunst und Kultur zu genießen, es aber durch Corona starke Einschränkungen für Veranstaltungsorte gibt, öffnen wir ein Ballhaus.“ Schon im Februar soll es die ersten Veranstaltungen geben. Den Anfang macht Alexey Kochetkov mit einem Violinkonzert, es folgen Tänze und Gesänge aus Süditalien, die Kiezpoeten treten auf, es wird Improvisationstheater geben. Ende März ist eine große Eröffnungsfeier geplant.

Auch Regisseur und Schauspieler Robert Bittner will an diesem besonderen Ort selber inszenieren. Klassiker und einmal im Jahr ein Weihnachtsmärchen für Kinder. Aber auch Schmalzstullen-Theater, wie es früher en vogue war sei hier denkbar, sagt Bittner. Berliner Possen mit Witz und Niveau. Neben dem Kulturbetrieb soll es aber weiterhin auch die Möglichkeit geben, private Feste und Feiern zu veranstalten. „Ohne Förderung einen solchen Kulturbetrieb zu etablieren ohne weitere Einnahmen, das ist nicht realistisch“, sagt Djamila Rempel. Gut für all die Hochzeitswilligen. Fotografen und Firmen, die sich hier weiter einmieten können.

Das Publikum dürste nach Unterhaltung, Kunst und Kultur, das spüren die neuen Betreiber – die Anmeldungen zum geplanten Silvesterball waren zahlreich. Und doch mussten sie den ersten großen Ball im neuen Ballsaal Wedding wieder absagen. Doch Djamila Rempel und Robert Bittner sind sicher, dass die große Zeit des Ballsaals noch kommt.

Dann werden die Gäste im lauschigen Wintergarten mit Blick auf den grünen Innenhof sitzen, zu ihren Füßen Parkett aus den Filmstudios Babelsberg, auf dem schon Marlene Dietrich tanzte. Die Murano-Leuchter werden schimmern, Musik wird erklingen. Sie werden da sein, diese Berliner Momente wo sich das Gestern mit dem Heute so anregend verbindet wie sonst an kaum einem anderen Ort.
www.ballhauswedding.de, Wriezener Straße 6, 13359 Berlin