So sieht Berlins neue Impffreiheit wirklich aus

Piksen ohne Priorität: Bei den Hausärzten herrscht Chaos

Es sind nicht genug Dosen da, in den Praxen werden weiter nur Patienten mit Prioritäten geimpft. Der Ärger ist groß, Ärzte werden beschimpft.  

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In den Berliner Praxen werden weiterhin nur Patienten mit Prioritäten geimpft.<br>
In den Berliner Praxen werden weiterhin nur Patienten mit Prioritäten geimpft.
Foto: Otto

Seit dieser Woche dürfen Hausärzte Berliner auch ohne Priorität gegen Corona impfen. Doch gleich am ersten Tag sorgt die neue Regelung der Senatsgesundheitsverwaltung in den über 2200 Impfpraxen der Stadt für Chaos. Da noch immer nicht genug Dosen da seien, muss bei den Hausärzten vorrangig weiter nach den Prioritäten geimpft werden. Die Enttäuschung und der Frust bei den Berlinern ist groß. Mitarbeiter an den Impftelefonen der Praxen würden sogar beschimpft werden, so Wolfgang Kreischer, Chef des Berliner Hausärzteverbandes, gegenüber dem KURIER.

Die Impffreiheit bei den Hausärzten sorgt auch in der Wannsee-Praxis von Dr. Clemens Braun für enormen Ansturm. Am Impftelefon der Praxis, das seit Tagen nicht mehr still steht, weil sich Patienten ohne Priorität auf die Warteliste für einen Termin setzen lassen wollen.

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Dabei könne man derzeit diesen Menschen gar nicht den ersehnten Piks geben, so Arzthelferin Manon Behrendt. „Wir haben für diese Woche nur 48 Dosen, die für die Patienten mit Prioritäten bestimmt sind, die schon länger einen Termin für ihre Erst- und Zweitimpfungen haben“, sagt sie. Auf der Warteliste stehen auch viele chronisch Kranke, die noch nicht einmal vom Senat einen Termin für das Impfzentrum bekommen hätten. Das Schlimme: „Für diese Woche bekommen wir keine einzige  Biontech-Dosis für Erstimpfung“, sagt Arzt Clemens Braun.

Hausarzt Clemens Braun kann derzeit keine Berliner ohne Priorität impfen.&nbsp;<br><br><br>
Hausarzt Clemens Braun kann derzeit keine Berliner ohne Priorität impfen.


Foto: Otto

So wird es den Impfwilligen auch am Telefon oder auf einem Hinweiszettel am Eingang der Praxis erklärt. Auf Grund der wenigen Dosen könne man jetzt niemanden ohne Priorität impfen. Die Einsicht der Patienten fällt schwer. „Am Telefon erklären sie plötzlich, dass sie unbedingt geimpft werden müssen, das sie eine kranke Oma pflegen müssen“, sagt die Arzthelferin. Oder  bitten, den Zweittermin wegen einer Urlaubsreise vorzuziehen. Deswegen einem chronisch Kranken den geplanten Piks verweigern? Die Haltung des Hausarztes ist eindeutig. „Leben schützen geht vor Urlaub“, sagt Braun. Die Prioritäten aufweichen könne man frühestens im Juni. Erst dann rechne der Arzt mit mehr Lieferungen.

Was sich in der Wannsee-Praxis abspielt, sei an diesem Montag kein Einzelfall, so Berlins Hausärzteverbandschef Kreischer. Aus vielen Praxen habe er ähnliches gehört. „Wenn am Telefon den Patienten erklärt wird, man könne noch nicht Menschen ohne Prioritäten impfen, wird Druck gemacht, die Ärzte und ihre Mitarbeiter beschimpft und beleidigt“, sagt er.

Seit der Aufhebung der Impfpriorität bei den Ärzten, hätte Kreischer für seine Zehlendorfer Praxis 1700 Anmeldungen für einen Impftermin bekommen. „Das können wir nicht schaffen, weil der Impfstoff fehlt“, sagt er. Laut Bundesgesundheitsministerium sollen bundesweit die Arztpraxen nur 3,2 Millionen Biontech- und 843.250 Astrazeneca-Dosen bis Ende Mai bekommen.

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Mit der Aufhebung der Priorität habe Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) ein Chaos in den Praxen verursacht, so Kreischer. „Das ist so, als würde man auf dem Münchner Oktoberfest Freibier versprechen, und nur drei Fässer Bier sind da“, sagt Kreischer.

In den Praxen gilt weiter die Priorisierung, betont die Kassenärztliche Vereinigung (KV). Mit dem wenigen Impfstoff könne man noch nicht einmal die Menschen aus den Vorranggruppen umfassend impfen, so eine Sprecherin. Die Gesundheitsverwaltung ruderte zurück, spricht nun von einer „bedingten Aufhebung der Priorisierung“. Ein Sprecher bestätigte am Montag, dass zunächst die priorisierten Gruppen geimpft werden müssen. Allerdings dürften Ärzte von der Reihenfolge abweichen, wenn sie ihre Impfdosen nicht für priorisierte Gruppen verbrauchen könnten.