U-Bahnstation

Petition zur Umbenennung: Ist „Onkel Toms Hütte“ rassistisch?

Initiiert hat die Petition Moses Pölking, ein junger Profi-Basketballer aus Moabit. Was stört ihn an dem Namen?

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U-Bahnhof Onkel Toms Hütte<br>
U-Bahnhof Onkel Toms Hütte
Berliner Zeitung/Benjamin Pritzkuleit

Könnte „Onkel Toms Hütte“ in Zehlendorf nach der „Mohrenstraße“ die nächste U-Bahnstation sein, die umbenannt wird, weil ihr Name rassistisch konnotiert ist? Eine Petition auf Change.org, die sich dafür ausspricht, hat bereits mehr als 7000 Unterschriften.

Initiiert hat sie Moses Pölking, 22 Jahre alt und Profi-Basketballer. Er spielt in Bremerhaven, kommt aber aus Moabit, wo er zwischen den Spielsaisons auch lebt. Mit „Onkel Toms Hütte“ und der „Onkel-Tom-Straße“ hat er trotzdem regelmäßig Kontakt: Seine Freundin wohnt in genau diesem Kiez. Seit fast fünf Jahren sind sie zusammen und genau so lange gehen ihm diese Namen schon auf die Nerven: „Ich fühle mich davon persönlich angegriffen“, sagt der junge Mann.

Als die BVG verkündete, die „Mohrenstraße“ umbenennen zu wollen, beschloss Pölking, der vorher politisch nicht besonders aktiv war, sich für die Umbenennung von „Onkel Toms Hütte“ zu engagieren – und erntet dafür viel Zustimmung, aber auch einigen Protest.

„Uncle Tom“ gilt als schwere Beleidigung

Zwei Argumente werden ihm vor allem entgegengebracht. Gerade in Deutschland verstehen viele nicht, was überhaupt das Problem sein soll an „Onkel Toms Hütte“, dem 1852 erschienenen Roman von Harriet Beecher Stowe. Immerhin schilderte Stowe, eine weiße Frau, das Leben des fiktiven Versklavten Tom in so erschütternden Worten, dass das Buch zu einem zentralen Text für Abolitionisten wurde, die sich für die Abschaffung der Sklaverei einsetzten.

Doch gleichzeitig ist der Roman unter Schwarzen US-Amerikanern so verschrien, dass „Uncle Tom“ als schwere Beleidigung gilt. Die Darstellung des Protagonisten als frommer Christ, der die Leser vor allem durch seine Sanftmütigkeit und Hingabe davon überzeugt, dass Sklaverei ein Übel ist, sowie zahlreiche rassistische Stereotype verärgern Menschen, die die Folgen dieses Verbrechens noch heute zu spüren bekommen.

„Uncle Tom“ als Beschimpfung beschreibt eine schwarze Person, die versucht, ihrer Unterdrückung zu entfliehen, indem sie sich mit weißen Menschen gutstellt – keine zu radikalen Forderungen äußert, sich mit kleinen Zugeständnissen zufriedengibt, die weiße Vorherrschaft nicht grundsätzlich infrage stellt.

In Deutschland wissen das jedoch nur wenige, weshalb Gegner von Moses Pölkings Anliegen ihm gerne unterstellen, er wisse nicht um die Geschichte des Romans, habe ihn womöglich gar nicht gelesen. Doch das stimmt nicht: „Ich interessiere mich schon seit Jahren für das Civil Rights Movement, Apartheid und das Kolonialsystem. Meine Mutter kommt aus Kamerun“, sagt Pölking, der auch ein Schuljahr in den USA verbracht hat. Als er bei seinen Recherchen erfuhr, dass der US-Bürgerrechtler Martin Luther King jr. wegen seiner Friedfertigkeit von Malcolm X. als „Uncle Tom“ bezeichnet worden war, wurde Pölking neugierig und las als 17-Jähriger „Onkel Toms Hütte“.

U-Bahnstation nach Wirtshaus benannt

Das zweite Argument gegen die Umbenennung: „Onkel Toms Hütte“, die Siedlung und der U-Bahnhof in Zehlendorf, sind streng genommen nicht nach dem Roman benannt, sondern nach einer Gaststätte, die Mitte der 1880er-Jahre am Riemeisterfenn eröffnet wurde. In einer 1906 erschienenen Zehlendorfer Chronik heißt es dazu: „Der erste Wirt hieß Thomas, das Lokal ‚Wirtshaus am Riemester‘. Thomas baute zum Schutz gegen die sengenden Sonnenstrahlen ein einfaches, einer Hütte ähnliches, mit Schilf gedecktes Holzgestell, das war die Waldhütte bei Thomas, und was lag für einen Witzbold näher, als diesen Umstand mit dem Namen des Wirtes in Verbindung zu bringen und das Wirtshaus ‚Onkel Toms Hütte‘ zu nennen.“

Der Name blieb, und bis das Wirtshaus in den 1970er-Jahren abgerissen wurde, war es ein solcher Fixpunkt, dass auch die nahegelegene U-Bahnstation und die Siedlung, die dort erbaut wurde, danach benannt wurden.

Werner Kautz, Vorstandsmitglied des Zehlendorfer Heimatvereins, haben wegen dieses geschichtlichen Hintergrunds zu Pölkings Petition viele verärgerte Rückmeldungen erreicht. Auch er selbst hält nichts von einer Umbenennung: „In Deutschland ist Onkel Tom keine negativ besetzte Figur so wie in den USA“, sagt der geborene Zehlendorfer. Pölking sieht das anders, und auch die Lokalhistorie ändert für ihn wenig: „Ohne den Roman wäre das Lokal ja niemals so benannt worden.“

Doch hat eine Umbenennung überhaupt eine Chance? Die BVG verweist auf den Bezirk: Die U-Bahn-Haltestelle könne man nur umbenennen, wenn die Siedlung umbenannt werde, so Sprecherin Petra Nelken. Die Situation sei anders als bei der Mohrenstraße: Haltestellennamen sollten Ortsfremden bei der Orientierung helfen, und die Siedlung „Onkel Toms Hütte“ sei schlicht der markanteste Punkt der Gegend. Eine Umbenennung in „Riemeisterstraße“ oder „Argentinische Allee“, die sich ebenfalls in der Nähe des U-Bahnhofs befinden, lehnt die BVG deshalb ab.

Im Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf will man sich derzeit noch nicht äußern: Die Benennung von Straßen und Siedlungen sei ureigenste Befugnis der Bezirksverordnetenversammlung. „Dieser wichtigen Diskussion unter den Bezirksverordneten möchte ich nicht vorgreifen“, sagte Bürgermeisterin Cerstin Richter-Kotowski (CDU) dem KURIER.