Tausende Teilnehmer einer pro-palästinensischen Demo zogen am Wochenende durch Neukölln.
Tausende Teilnehmer einer pro-palästinensischen Demo zogen am Wochenende durch Neukölln. Fabian Sommer/dpa

Nach der pro-palästinensischen Demonstration am Samstag in Neukölln hat die Polizei 65 Personen vorläufig festgenommen. Sie leitete 87 Verfahren ein, unter anderem wegen Landfriedensbruchs, Körperverletzung, Gefangenenbefreiung und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte. Diese Zahlen nannte Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Die Polizei leitete zudem 150 Ordnungswidrigkeits-Verfahren wegen Verstößen gegen die Corona-Auflagen ein.

Die Demonstration am Sonnabendnachmittag war von der Polizei aufgelöst worden – allerdings nicht, weil dort israel- und judenfeindliche Parolen gerufen wurden, sondern weil sich die meisten Teilnehmer nicht an die Infektionsschutzauflagen hielten, weder Mund-Nase-Schutz trugen noch die Abstände zueinander einhielten. Im Anschluss kam es zu massiven Ausschreitungen durch ehemalige Demonstrationsteilnehmer, bei denen 93 Polizisten verletzt wurden.

Eine weitere pro-palästinensische Kundgebung am Sonntag verlief nach Angaben der Polizei weitgehend friedlich. Dabei handelte es sich um einen Autokorso mit 450 Autos, an dem etwa 1500 Personen teilnahmen.

Viele Schaulustige erschwerten die Arbeit der Polizei

„Die Lage war komplex“, sagte die Polizeichefin zu den Krawallen am Sonnabend. „Vor allem die zahlreichen Schaulustigen, teilweise mit kleinen Kindern und Kinderwagen, erschwerten das polizeiliche Vorgehen. Im Bereich fanden sich außerdem zahlreiche aktionsorientierte junge Menschen, die sich wiederum unter die Schaulustigen mischten. All das erschwerte ein differenziertes Vorgehen.

Zu den israelfeindlichen und antisemitischen Parolen, die bei der Demo gerufen wurden, sagte Slowik: Derzeit würden die angefertigten Tonaufnahmen ausgewertet und auf Strafbarkeit überprüft.

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Mitorganisator der Demo war das Samidoun-Netzwerk, das von Israel als Terrororganisation eingestuft ist. Innensenator Andreas Geisel (SPD) verteidigte die Entscheidung der Versammlungsbehörde, die Demonstration nicht von vorneherein zu verbieten: „Im Vorfeld der Veranstaltung wurden keine Verbotsgründe gesehen.“

Solidaritätskundgebung für Israel am kommenden Donnerstag

Geisel betonte auch: „Die Vorfälle sind ein klares Zeichen dafür, dass wir mit Antisemitismus konfrontiert sind, aus den unterschiedlichsten politischen Motivationen heraus, und dass es dafür eines klaren Gegenkurses bedarf.“ Noch in dieser Woche, vermutlich am Dienstagabend, werde er den Runden Tisch gegen Antisemitismus einberufen. Er kündigte seine Teilnahme an einer Solidaritäts-Kundgebung für Israel an. Sie soll am Donnerstag um 19 Uhr am Brandenburger Tor stattfinden.

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Auch Burkard Dregger, Fraktionschef der CDU, will die Kundgebung besuchen. Er kritisierte, dass die Polizei die Palästinenserdemo lediglich wegen des Infektionsschutzes aufgelöst hatte: „Hier gab es offene Vernichtungsaufrufe gegen Israel. Ich erwarte, dass dieser Senat und auch die Polizeibehörde den Mumm haben, dies auch klar zu benennen. Sonst laufen Sie Gefahr, von den Demonstranten und ihrem Umfeld nicht ansatzweise ernst genommen zu werden. Was machen wir denn, wenn es keine Pandemie gibt?“

Die Polizei richtet sich auf weitere Demonstrationen ein. Am Mittwoch soll es um 18 Uhr auf dem Alexanderplatz eine Demonstration „gegen die israelische Aggression in Palästina“ geben, zu der 500 Teilnehmer angemeldet sind. Weitere Demos, die sich gegen Israel richten, sind für den kommenden Sonnabend angemeldet.