Wo können die Berliner Urlaub machen?
Fernreisen fallen in diesem Sommer aus. Das lässt auch die angeschlagene heimische Tourismusbranche hoffen.

Es gibt auch ganz viele Kleinigkeiten, die zeigen, wie sehr sich die Welt in den vergangenen Wochen geändert hat: Zum Bespiel lagen im Ringhotel Schorfheide in der Uckermark für die Gäste in jedem Zimmer immer einige Zeitschriften aus. Das ist nun verboten. Denn es wäre möglich, dass ein Gast mit Corona infiziert ist, eine Zeitschrift anfasst und sich ein späterer Gast ansteckt.
„Für jeden Gast neue Zeitschriften zu kaufen, können wir uns nicht leisten“, sagt Bernd Kanzow, der Geschäftsführer des Hotels. „Es gibt wirklich sehr viele Auflagen zu erfüllen, aber wir sind natürlich froh, dass wir wieder öffnen dürfen. Wir wollen nun dafür sorgen, dass unsere Gäste einen schönen, aber auch sicheren Aufenthalt haben.“
Die Tourismusbranche wurde vom Lockdown hart getroffen. Denn auch dort brach das Geschäft quasi zusammen. Kanzow fasst die vergangenen drei Monate so zusammen: „Den März haben wir ganz gut überlebt. Im kompletten April hatten wir null Prozent des üblichen Umsatzes, im Mai rechnen wir mit zehn Prozent.“
Viele Menschen trauen sich noch nicht zu buchen
Dabei heißt es doch überall, dass die heimische Reisebranche nun boomen wird, weil die Deutschen ihren Sommerurlaub zu mehr als zwei Dritteln im Ausland verbringen. Wenn dies nun kaum möglich sein wird, müsse es doch einen Ansturm auf die heimischen Urlaubsziele geben.
Doch Birgit Kunkel, Sprecherin der Tourismus Marketing Brandenburg GmbH, bremst die Euphorie. „Die Krise ist noch nicht vorbei, wir sind noch mittendrin.“ Die Buchungen kämen recht zögerlich. Viele Leute trauen sich noch nicht, wieder neu zu buchen, wegen der vielen offenen Fragen.
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Und die Hoteliers und Vermieter von Ferienwohnungen können im Sommer auch nicht die extremen Verluste des Frühjahrs kompensieren. Das würde nur funktionieren, wenn die Unterkünfte in den Ferien sonst immer leer gestanden hätten. „Aber der Sommer ist sowieso immer gut vorgebucht, da ist eine größere Belegung kaum noch möglich.“ Es gelte nun mal die alte Hotel-Regel: Ein Bett kann man nur einmal vermieten.
Wunschquartier ist nicht unbedingt mehr frei
Da stellt sich die Frage: Wenn es so viele Vorbuchungen gibt, können dann reisewillige Berliner in Brandenburger überhaupt noch etwas für die Sommerferien finden? „Wir sind in Brandenburg nicht ausgebucht“, so Birgit Kunkel. „Wer sich an die regionalen Tourismusverbände oder direkt an die Hotels wendet oder auf unsere TMB-Internetseite schaut, findet auch für den Sommer noch freie Kapazitäten. Aber die Leute müssen flexibel sein, denn das Wunschquartier ist nicht unbedingt mehr frei.“
Und das Fernbleiben ausländischer Touristen schafft auch nicht so viel neue freie Kapazität. Denn der Anteil ausländischer Gäste macht in Brandenburger übers Jahr gesehen nur acht Prozent aus, auch in Bayern sind es nur 20 Prozent.
Vor allem Familien suchen nun Ferienwohnungen, in denen sie allein ohne große Ansteckungsgefahr ihren Urlaub verbringen können. Überall heißt es: Es läuft gut – auch bei den Hotels. Der Vorteil für die Brandenburger Anbieter: Die Landesregierung hat keine Quotierung erlassen wie in anderen Bundesländern, wo die Hotels oft nur zu 50 oder 60 Prozent belegt werden dürfen – wegen der Abstands- und sonstigen Hygieneregeln.
Hotels an der Ostsee sagen Gästen bereits gebuchte Reisen ab
„Kollegen von der Ostsee erzählen, dass sie deshalb schon einigen Gästen die bereits gebuchten Reisen absagen mussten“, bemerkt Hotelchef Bernd Kanzow, der auch Präsident der Ringhotels ist, einem bundesweiten Kooperationsverbund von 100 Hotels. Nun hofft die Brandenburger Branche, dass die Leute, die an der Ostsee nicht fündig werden, in Brandenburg suchen. Doch die Zeit drängt, denn bereits in vier Wochen beginnen die Ferien in der Region.
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Dazu kommt ein weiteres Problem: Bundesweit sind knapp zehn Millionen Bundesbürger in Kurzarbeit – von insgesamt 45 Millionen Beschäftigten. „Wir freuen uns über jede Buchung, denn unsere Branche ist in Not“, berichtet Birgit Kunkel von der Tourismus Marketing Brandenburg GmbH. „Wir hoffen auch, dass viele ihren ausgefallenen Osterurlaub im Herbst nachholen. Aber wir wissen auch, dass eine große Unsicherheit herrscht, weil viele in Kurzarbeit sind und nicht wissen, wie es beruflich weiter geht und ob sie sich noch trauen können, einen Urlaub zu buchen.“
Und die Hotels müssen sich auch sonst umstellen. So macht das Ringhotel Schorfheide in Joachimsthal bislang den Großteil des Umsatzes mit Tagungen, die nun kaum noch jemand veranstaltet.
Nun konzentriert sich das Vier-Sterne-Hotel vor allem auf Touristen. An der Ostsee haben viele Hoteliers auf ihre Zimmerpreise 20 Euro aufgeschlagen, um die zusätzlichen Hygienekosten zu decken und die Verluste des Frühjahrs auszugleichen. Wie sieht das der Chef des Ringhotels Schorfheide?
Bernd Kanzow erzählt, dass es nun extra familienfreundliche Angebote mit Übernachtung, einem Tagesprogramm und Abendessen gibt, das ab 160 Euro kostet. „Wir haben unser Preisniveau gelassen“, sagt er. „Und wir haben unsere neuen Angebote für Familien sogar günstiger gemacht. Mit Absicht.“
Totale Verunsicherung
Umfrage: Eine interne Branchenumfrage der Tourismus Marketing Brandenburg GmbH unter Hoteliers zeigt: Etwa 25 Prozent der Teilnehmer sagten, sie seien resigniert oder gar verzweifel. Fast 70 Prozent der Hotelbetreiber waren extrem von Stornierungen betroffen. Nur knapp sechs Prozent bezeichnen die derzeitige Geschäftslage als gut, 31 Prozent als befriedigend, 58 Prozent als schlecht.
Buchungen: Nur 25 Prozent der Hotels haben nun wieder Neubuchungen. Nur noch acht Prozent der Hotels führen die geplanten Investitionen aus. Damit fallen auch viele Aufträge für regionale Handwerker weg. 61 Prozent der Befragten sagen, dass sie staatliche Soforthilfen beantragt haben und 41 Prozent Kurzarbeitergeld.
Branche: Bundesweit sind 5,4 Millionen Menschen im Tourismus beschäftigt. Die Branche erwirtschaftet 8,6 Prozent des deutschen Bruttoinlandsproduktes